Teil 12
Autor: Ratzenlady
 

Kapitel 12

Ryan schlich in dem angebrochenen Dunkel auf die etwa drei Meter hohe Mauer zu, die Cannons Grundstück umschloss. Er atmete tief ein und rannte die letzten drei Schritte, dann stieß er sich mit einem Fuß an der Mauer ab und sprang, hievte sich mit den Händen hoch und rollte sich auf dem dicken Gesteinsbollwerk auf den Rücken.

Die Mauer war dick genug, dass er nicht entdeckt wurde, wenn er sich möglichst flach bewegte, um seine Pistolen einsatzbereit zu machen. Er zog die Beretta aus dem Schulterholster, holte den Schalldämpfer hervor und schraubte ihn auf den Lauf. Dann holte er die zweite Pistole hinter seinem Rücken hervor und nahm sie in die linke Hand.

Er würde vornehmlich mit der geräuschlosen Waffe schießen, aber –sofern nötig-, brauchte er auch noch eine zweite. Und wenn es soweit kam, dass er sie beide brauchte, dann war der Geräuschpegel vermutlich ohnehin egal.

Ryan lag neben einer kleinen Gruppe aus drei Nadelbäumen, die er sich für den Start seiner Mission ausgesucht hatte. Hier konnte er auf den Boden kommen, ohne sofort entdeckt zu werden. Aber zunächst musste er sich einen Überblick verschaffen.

Vorsichtig erhob er sich ein wenig und spähte an den Bäumen vorbei über den Rand der Mauer auf die großzügige Rasenfläche. Er sah die zwei Männer, die vor dem großen Eingangsportal der Villa standen. Darüber hinaus entdeckte er einen weiteren Wachmann, der einen großen Dobermann führend über den Rasen ging.

Der frühere FBI Special Agent lehnte sich zur anderen Seite der Baumgruppe und entdeckte einen weiteren Security mit Hund und am hinteren Tor einen ohne. Ryan fluchte lautlos über die Anwesenheit der Hunde, denn von denen wusste er noch nichts. Das Hauptproblem daran war, dass die Dobermänner ihn schneller bemerken würden als die Wachmänner, was wiederum dazu führte, dass seine Anwesenheit enttarnt war, ehe er Cannon erreichte.

Ryan blickte an der Hauswand entlang und sah sofort die hell erleuchteten Fenster vom Arbeitszimmer des Gouverneurs. Genau dorthin wollte er, auch wenn noch nicht ganz klar war, wie. Wenn sie ihn ohnehin entdeckte, dann konnte er auch durch das geschlossene Fenster springen, dann war es egal. Wenn es ihm aber gelang unbemerkt über den Rasen zu gelangen, dann wollte er es auch unbemerkt in das Zimmer schaffen, um mehr Zeit zu haben und Cannon Auge in Auge gegenüberzustehen.

Er beobachtete die Hundeführer. Wie es sich gehörte gingen sie in derselben Richtung um das Haus, was bedeutete, dass der eine auf ihn zukam, während der andere bei der Haustür hinter der Fassade verschwand. Ryan musste sich schnell was einfallen lassen, damit der nahende Dobermann seine Fährte nicht aufnahm.

Er blickte sich angespannt um, ständig nach einem passenden Objekt suchend, das den Hund ablenken konnte. Am besten wäre es natürlich, wenn er die Aufmerksamkeit auf die Rückseite des Gebäudes lenken würde, aber er war allein und konnte nicht gleichzeitig an zwei Seiten des Hauses sein.

~Oder vielleicht doch~ schoss es ihm durch den Kopf. Aber dazu musste er verdammt schnell sein. Und umgehend das passende Hilfsmittel finden. Er steckte die Pistolen wieder an ihre Plätze, rollte sich von der Mauer und sprang an der Außenseite herunter.

Er umrundete das halbe Gebäude, bis er an der hinteren Ecke ankam. Jetzt brauchte er nur noch etwas, das die Hunde ablenken würde. Ryan ging weiter, bis er in die Nähe des hinteren Tores kam. Seine Erinnerung hatte ihn nicht getäuscht, hier stand ein großer Müllcontainer in einem nicht abgeschlossenen Verschlag aus Holz, der zwar nett aussah, aber durch den großen Lattenabstand kein Ungeziefer fernhalten konnte.

Ryan hockte sich dahinter, peinlich darauf bedacht, nicht in die Sichtweite der Außenkameras zu kommen, und wartete. Es dauerte nicht lange, bis er etwas fiepen hörte. Starr saß er dort, vielleicht zehn Minuten, bis eine braun gefleckte Ratte an ihm vorbei lief. Blitzartig schnellte seine Hand nach und ergriff den kleinen Körper hinter dem Genick, um nicht gebissen zu werden.

"Sorry", murmelte er und zog ein kleines Klappmesser aus der Hosentasche. Damit schnitt er der Ratte den Schwanz ab. Das Tier kreischte herzzerreißend, aber Ryan war seine Mission einfach wichtiger als dieses Wesen, und es diente ihm als Mittel zum Zweck.

Er hörte einen der Hunde im Inneren bellen, und genau darauf hatte er es abgesehen. Er warf das verletzte und kreischende Tier über die Mauer und konnte aufmerksam hören, wie die Hunde wütend hinterher hechten wollten.

"Was ist da?", hörte er einen der Wachmänner hektisch rufen, aber er hatte keine Zeit, um ihnen zuzuhören. Er sprintete los und lief die vierhundert Meter rund um die Mauer, fast bis zum Haupttor, so schnell er konnte. Dort sprang er wieder hinauf, rollte sich auf den Rücken und spähte zur Eingangstür. Die beiden Wachleute davor hatten sich nicht ablenken lassen, aber damit hatte er auch nicht gerechnet. Dafür hörte er jetzt die Hunde aber nur sehr entfernt bellen und keifen, sie hatten die quietschende Ratte offenbar noch nicht erwischt.

Ryan ließ sich wieder herunterfallen, rannte einige Meter zurück und sprang bei der Baumgruppe wieder hinauf. Immer noch waren nur die beiden an der Tür zu sehen. Diesmal ließ er sich an der Innenseite der Mauer herunter, im sicheren Schutz der drei Tannen.

Er blickte noch einmal sicherheitshalber in Richtung des Hintereingangs, aber alles war sauber. Der Ex-Agent zog seine Waffen und setzte erneut zum Sprint an. In einem weiten Bogen, -um nicht gesehen zu werden-, rannte er über den gepflegten Rasen auf die Hauswand zu, sodass er an der Ecke ankam, die die Westfassade von der Nordseite trennte, an der sich der zentrale Eingang zum Haus befand.

Ryan spähte herum. Er sah jetzt nur einen der beiden, auf den anderen verdeckte der pompöse Vorbau die Sicht. Der Typ hatte ihm den Rücken zugedreht und sprach in sein Walkie-Talkie; und der Cop nutzte die Gelegenheit.

Er überbrückte die zwanzig Meter wie eine Wildkatze: rasend schnell und nahezu geräuschlos, bis er fast direkt hinter Nummer eins stand, aber von Nummer zwei noch nicht gesehen werden konnte.

Er musste sich beeilen, das wusste er, schließlich dürfte es nicht lange dauern, bis sich der Typ zufällig umdrehen und ihn sehen würde. Das Adrenalin und die Wut in seinem Blut aber ließen ihn absolut professionell bleiben, auch wenn ihm klar war, dass er auch drinnen sputen musste, selbst wenn er die beiden hier unbemerkt überwältigte.

Ryan schnellte vor und schlug Nummer eins mit einem harten Hieb in den Nacken zu Boden. Der zweite drehte sich hektisch herum und riss die Waffe sofort hoch; Ryan hatte keine Wahl: Wollte er nicht entdeckt werden, musste er schneller schießen als Wachmann Nummer zwei. Und das tat er. Seine lautlose Kugel durchdrang die Brust des Mannes, ehe sich ein Schuss aus dessen Gewehr gelöst hatte. Der Körper fiel leblos zu Boden.

Der blonde Cop kümmerte sich nicht weiter um die beiden Kerle und schob vorsichtig die Haustür auf. Ihm blieben vielleicht fünf Minuten, bis die Dobermänner die Ratte erwischt und die Hundeführer wieder hier vorne angekommen waren und die ihre Kollegen entdeckten.

Die Empfangshalle war leer und Ryan konnte schnell und ohne Probleme den Flur entlanggehen, direkt auf die Tür von Cannons Arbeitszimmer zu.

Endlich war er da, hatte sein Ziel erreicht, hatte die Gelegenheit. Und nichts und niemand konnte ihn jetzt noch aufhalten Rache zu nehmen.

Harold Cannon war ein toter Mann.

* * *

Es hatte nicht allzu lange gedauert, bis Kermit und Sun Ni völlig erschöpft nebeneinander im Bett lagen. Umgehend schlangen sie die dünnen Decken um ihre Körper und bedeckten sich. Wieder kam Unsicherheit zwischen ihnen auf.

Kermit dachte darüber nach, dass ihn dieses Tete-a-tete durchaus den Job kosten konnte, wenn es ans Licht kam. Immerhin war sie eine Mordverdächtige, mit der er jetzt das Bett geteilt hatte. Sollte er sie nicht entlasten können, konnte die Angelegenheit durchaus böse Konsequenzen für ihn haben. Aber auf der anderen Seite hatte er sich nicht wehren können, zu groß war sein Verlangen gewesen, mit ihr zu schlafen.

Sun Ni war ebenso verwirrt. Der Mann, der ihr vor einer guten Stunde noch schrecklich unsympathisch gewesen war, den sie nicht leiden konnte, lag jetzt nackt neben ihr. Von einer Minute auf die andere hatte er eine sexuelle Ausstrahlungskraft entwickelt, die sie einfach umgehauen hatte. Als er sie im Flur an die Wand gedrückt hatte, waren alle inneren Schranken gefallen und sie hatte keinen anderen Wunsch gehabt, als seine Haut auf ihrer zu spüren, seinen Körper an ihrem, so nah wie man sich nur sein konnte.

Sie hatte keine Ahnung, wie jetzt weiter damit umgehen wollte, was sie eigentlich selbst jetzt von der Situation halten sollte. Die erotische Spannung zwischen ihnen war noch da, Kermits Ausstrahlung noch genauso anziehend wie vorher. Aber in ihren Augen gab er sich jetzt so, als würde ihn der wilde Sex von eben nicht mehr berühren, als wäre die Angelegenheit für ihn beendet. Er hatte sich einfach rumgedreht und seine Sonnebrille wieder auf die Nase gesetzt, das war doch ein deutliches Zeichen nach ihrer Meinung.

Sie schob die Beine aus dem Bett, peinlich darauf bedacht, die Decke nicht fallen zu lassen, und ging ins Bad, das an Kermits Schlafzimmer angeschlossen war. Sie musste jetzt einfach aus seiner Nähe heraus, um sich klar zu werden, was grade passiert war und wie sie weiter damit umgehen wollte.

Kermit sah ihr unauffällig nach, ihre geschmeidigen Bewegungen, ihr zarter Körper, der sich unter dem Laken abzeichnete. Als sie an ihm vorbeiging und er ihren Rücken zu sehen bekam, hob er äußerst erstaunt die Brauen.

Über die komplette oberer Hälfte ihrer Rückseite war ein Drachen tätowiert. Kein kitschiger, alberner Drache, sondern ein realistischer, -soweit man Drachen überhaupt als realistisch einstufen konnte-, der in feinen Linien mit zarten Schatten gestochen war. Verschiedene Grautöne und schwarze Linien bildeten Flügel, Schuppen, Kopf und Schwanz.

Die Schwingen breiteten sich über die volle Breite ihrer Schulterblätter aus, der Schwanz zog sich ihre Wirbelsäule hinab und endete in einer fast dreieckigen Spitze, der Kopf war halb links abgesenkt, das Maul fauchend aufgerissen, als würde das Fabeltier grade zum Sturzflug samt Angriff ansetzen.

Kermit spürte, wie der Anblick ihres Körpers mit dem düsteren Tattoo wieder erregte. Aber diesmal auf eine ganz andere Art und Weise wie zuvor.

Sun Ni verschwand im Bad, schloss die Tür ab und stützte sich mit beiden Händen aufs Waschbecken. Sie konnte nicht sagen, dass sie keinen Spaß gehabt hatte, ganz im Gegenteil. Aber was genau sollte sie jetzt tun? Was empfand sie? Sie wusste es selbst nicht. Aber es war ziemlich sicher, dass die Zeit, die sie noch mit Kermit zu verbringen hatte, eine verdammt schwierige werden würde.

Sie blickte sich im Spiegel an, ihr Gesicht war müde, aber auch zufrieden. Ein leises Lächeln umspielte tatsächlich ihre Lippen, als sie an eben dachte. Das Kribbeln kehrte allein bei dem Gedanken in ihren Unterleib zurück, wich aber schnell wieder der Unsicherheit, als sie daran dachte, dass sie nun wieder das Bad verlassen musste. Ein Stück weit hoffte sie darauf, dass Kermit bereits wieder angezogen und am besten aus dem Schlafzimmer verschwunden war.

Sie öffnete die Tür und trat mit gesenktem Blick hinaus, wodurch sie zu spät merkte, dass der Ex-Söldner direkt vor ihr stand. Erschrocken blieb sie stehen und starrte ihn an, die locker gefasste Decke ließ sie fallen, während er seine um die Hüfte gebunden hatte. Seine Arme hingen regungslos an seinen Seiten, die dunklen Augen waren nicht mehr verhüllt; die Sonnenbrille hatte er wieder abgenommen. Jetzt wurde sie von seinen Blick, den sie in keinster Weise deuten konnte, durchbohrt. Aber sie spürte auch wieder das Knistern zwischen ihnen.

Ganz langsam hob er die Hände und legte sie auf ihr Gesicht, ohne den Blick von ihren braunen Augen zu nehmen. Er sagte kein Wort, sondern liebkoste ihre Wangen sanft mit seinen Daumen. Seine Berührungen waren jetzt nicht mehr wild und ruppig, sondern sanft und liebevoll.

Seine Finger wanderten ganz langsam an ihrem Hals hinab, strichen über ihre samtige Haut immer tiefer, über ihre Schultern und ihre Schlüsselbeine bis hin zu ihren Brüsten. Vorsichtig strich er seitlich an ihnen herab und berührte die Knospen dabei leicht wie ein Windhauch.

Sun Ni stöhnte leise auf und schloss die Augen. Aber ansonsten rührte sie sich nicht, wehrte sich nicht, sondern genoss viel mehr Kermits Hände auf ihrer Haut zu spüren. So erregend sie zuvor die hemmungslose Zusammenkunft empfunden hatte, so sehr erzitterte ihr Körper jetzt unter dieser völlig gegensätzlichen, zärtlichen Berührung.

Der Cop glitt mit seinen Händen weiter hinab, ohne ihre Brüste weitere Beachtung zu schenken – zunächst. Seine Fingerspitzen strichen ihre Taille hinab, er spürte die leichten Zuckungen ihres Körpers darunter, kümmerte sich aber nicht darum. Sein Blick widmete sich ihrem Gesicht und ihrer Reaktion auf seine Liebkosung.

Er genoss den Anblick, genoss es, ihr so nahe zu sein. Er konnte nicht sagen, was diesen Wechsel seiner Gefühle für sie verursacht hatte. Aber wollte er vor einigen Minuten nichts weiter als Sex von ihr, so lechzte er jetzt nach viel mehr als purer körperlicher Vereinigung.

Er glitt tiefer, an ihren Seiten, umrundete ihre bewegungslos ruhenden Hände und glitt ganz langsam an ihrem Rücken wieder nach oben. Ihr Atem ging schwerer, das konnte er hören, konnte es am Heben und Senken ihrer Brust ausmachen, spürte ihre Gänsehaut.

Seine Hände glitten wieder über ihre Schultern auf ihre Wangen, wo sie gefühlvoll verharrten, bis sie ihre Augen wieder öffnete. Erst dann zog er ihr Gesicht zu sich heran, sorgsam auf jede Reaktion von ihr bedacht, und legte seine Lippen auf ihre. Sanft umspielte er sie mit seiner Zunge, bis sie ihm einen Zugang gewährte.

Während Kermits Hände noch ihr Gesicht umrahmten, legte sie ihre Finger auf seine Taille und ließ sie dann nach hinten auf seinen Rücken gleiten, wo sie seine Haut streichelte und sich ganz in dem sanften Kuss verlor.

Nach einer ganzen Weile ließ der Cop seine Hände sinken, fasste ihre Taille und hob sie vorsichtig hoch, seine Lippen nicht von ihren nehmend, um sie anschließend sachte wieder auf dem Bett abzulegen.

Über sie gebeugt beendete er den Kuss, sah ihr kurz in die Augen und begann dann, zarte Küsse auf ihren Hals zu tupfen. Wie zuvor mit seinen Händen arbeitete er sich jetzt mit seinen Lippen an ihrem Körper hinab, ließ sich dabei aber wesentlich mehr Zeit.

Seine Hände begleitenden den Weg seines Mundes und wanderten wieder zu ihren Brüsten. Er hielt sie seitlich, während er damit begann, seine Lippen um die Knospe zu schließen und sie mit der Zunge zu verwöhnen. Als Antwort bekam er ein leises Stöhnen und die Anspannung ihres Körpers, was ihm zeigte, dass er alles richtig machte.

Als er sich wieder löste blies er zart über die noch feuchte Brustwarze und verursachte somit eine Gänsehaut bei Sun Ni. Dasselbe machte er auch bei der anderen Brust, mit demselben Erfolg, dann arbeitete er sich weiter.

Ihr Bauch zuckte unter der sanften Berührung seiner Lippen, jeder Kuss ließ eine heiße Welle der Erregung durch ihren Körper strömen. Die Zärtlichkeit, mit der dieser raubeinige Kerl sie jetzt verwöhnte, raubte ihr sämtliche Sinne. Ihr Atem ging immer schwerer, je tiefer Kermit seine Küsse platzierte. Das Kribbeln in ihrem Unterleib nahm explosionsartig zu, als er dort ankam.

Beide hielten dieses Verwöhnspiel nicht lange aus, sondern sehnten sich nach der Vereinigung ihrer Körper. Die Erregung war so sehr gesteigert, dass es sie sich recht bald in einem Kuss verloren, während dem sie den Höhepunkt ihrer Lust nahezu gleichzeitig erreichten.

Der Kuss hielt noch an, wurde wieder zarter, bis er nur noch wie ein leichter Windhauch war. Dann rollte sich der Ex-Söldner langsam und mit Bedacht von ihr runter, um ihren schmalen Körper nicht zu zerquetschen, und legte sich auf den Rücken.

Sun Ni folgte seiner Bewegung zur Hälfte und legte sich seitlich an ihn, ihren Kopf auf seiner Schulter, den rechten Arm auf seinem Bauch. Sie war immer noch ganz kribbelig von der Zusammenkunft mit diesem doch vielschichtigen Mann, in dem sie sich zu Anfang so getäuscht hatte.

Auch Kermit empfand ihre Nähe als angenehm, ja mehr noch, es war wie wenn sich eine Schar Schmetterlinge in seinem Bauch eingenistet hätte. Konnte das tatsächlich sein? Konnte er sich urplötzlich in eine Frau verlieben, die ihm eigentlich tierisch auf den Geist ging; nur weil er mit ihr geschlafen hatte? Aber er musste zugeben, der Sex mit ihr war fantastisch. Und ihre Ausstrahlung auf ihn hatte sich so schlagartig geändert, dass es ihn selbst erstaunte.

"Ich…", setzte er an, weil er irgendwie das Gefühl hatte, etwas sagen zu müssen.

"Schhhh", murmelte Sun Ni schon reichlich müde und legte ihm den Finger auf die Lippen. Was auch immer er sagen wollte, sie wusste, dass es ihr nicht gefiele. Deshalb wollte sie zumindest den Augenblick genießen, bis vermutlich am nächsten Morgen ohnehin vorbei und kaputt war, was grade in ihren Augen so schön angefangen hatte.

Kermit gehorchte ihr und schwieg. Im Geheimen war er dankbar, dass sie seinen Versuch etwas zu sagen unterbrochen hatte, denn er hatte eigentlich keine Ahnung, was genau er hatte zu ihr sagen wollen. Aber jetzt legte er einfach den Kopf zurück ins Kissen und starrte gedankenverloren an die Decke.

Schon bald hörte er die gleichmäßigen Atemzüge der jungen Chinesin, aber ihm selbst war nicht nach Schlafen zumute. Zu aufgewühlt war er noch von den Geschehnissen der vergangen 24 Stunden, als dass er auch nur ein Auge zumachen konnte.

Er wartete noch ein paar Minuten, bis er sicher war, dass Sun Ni schlief, dann hob er ihren Kopf und den Arm vorsichtig von seinem Körper und stand auf. Er zog sich seine Boxershorts wieder über und ging ins Wohnzimmer, zunächst an die Minibar, dann an den Schreibtisch.

Während der Rechner hochfuhr trank er seinen Whiskey in großen Schlücken und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Seine Gedanken rasten. Die Sache mit Sun Ni hatte ihm schier den Atem geraubt, sein Geist war wie vernebelt durch das Hochgefühl, das er mit ihr erlebt hatte.

Außerdem aber fragte er sich, was wohl mit Ryan war. Wo steckte er bloß? Was tat er? Hatte er seine Rache schon bekommen? Und die wichtigste aller Fragen war: lebte er noch?

Seine Gedanken wurden das Signal seines Email-Programms unterbrochen, dass ihn auf neue Post hinwies. Mit einem Seufzen öffnete er das Fenster und erwartete eigentlich eine lästige Werbung, aber der Absender der Email ließ ihn sofort aufrecht im Stuhl hochfahren.

Viper // In Case of Death

Kermit machte sofort einen hektischen Doppelklick auf die Email, um zu lesen, was der Autor geschrieben hatte. Für ihn war sofort klar gewesen, dass es sich um eine Mitteilung vom Bordcomputer der Viper seines Partners handelte. Ryan hatte mal erwähnt, dass das Ding die vollen Fähigkeiten eines PCs besaß.

// Kermit,
es tut mir leid, mich auf diesem Wege vermutlich verabschieden zu müssen, aber es geht nicht anders.
Ich habe dem FBI gesagt, dass Joanna bei Cat und Peter aufwachsen soll, wenn ich drauf gehe. Aber ich traue denen nicht mehr. Sollte es nicht so sein, dann bitte ich Dich, mit allem was in Deiner Macht steht dafür zu sorgen, dass sie meine Tochter bei den beiden aufwachsen lassen. Ich will nicht, dass sie so wird wie ich.
Zur Durchsetzung habe ich Dir ein paar Files angehängt, die sicherlich eine gute Argumentationsgrundlage gegenüber Moon bieten.
Es tut mir leid, aber ich muss es tun.
Leb Wohl,
Shooter //

Kermit schauderte. Es gefiel ihm nicht, was er da las, aber genauso konnte er die Entscheidung nachvollziehen, die sein Freund gefällt hatte.

Der Cop stand auf und holte sich einen weiteren Whiskey, dann begann er, die geheimen Dokumente zu lesen, die Ryan ihm überlassen hatte.

* * *

"Ich weiß, ich habe diese Frage schon tausendmal gestellt, und du hast genauso wenig eine Antwort wie ich darauf, aber: Warum, zum Teufel?", stammelte Cat verzweifelt. Sie hatte sich mit angezogenen Knien auf dem Sofa zusammengekauert und ihre Knie umklammert. "Warum sterben alle Menschen, die ich liebe?"

"Wie du es schon gesagt hast: Ich weiß es leider nicht, Süße. Dass Haley gestorben ist… es will mir einfach nicht bewusst werden. Es ist schrecklich und so unbegreifbar. Aber wir haben noch die Hoffnung, dass Ryan…"

"Ich habe dir doch erzählt, was Ryan am Telefon gesagt hat! Das klang für mich nicht danach, dass er…", keifte sie und verlor sich danach gleich wieder in Schluchzern, "…dass er wieder zurückkommt", murmelte sie wesentlich leiser.

Peter legte den Arm um sie und schwieg. Was sollte er antworten? Er hatte selbst ein mieses Gefühl bei der Sache, aber eigentlich wollte er das vor ihr verbergen. Glaubte er, dass Ryan tatsächlich zurückkam? Er wusste es nicht. Aber er wusste dafür, dass ein Wunder geschehen musste, damit Cat nicht an diesem Desaster zerbrach.

Es gab nichts mehr, was der Shaolin sagen konnte, um Hoffnung in seiner Frau und auch sich selbst zu wecken. Also schwieg er und hielt Cat im Arm, versuchte ihr Chi mit seinem etwas aufzubauen, aber er hatte das Gefühl, dass es nicht wirklich half. Zu tief saß der Schmerz im Herzen seiner Frau.

 

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