Teil 3
Autor: Ratzenlady
 

Kapitel 3

"Und nun den Gruß", sagte Peter zum Ende der Stunde. Die vier Kung Fu Schüler vor ihm verbeugten sich und packten dann ihre Sachen zusammen.

"Meister Caine?", fragte Jeremy Preston direkt im Anschluss an die Stunde, während die anderen den Loft unter Gemurmel einer Verabschiedung verließen.

"Ja, Jeremy?"

"Ähm, ich wollte… naja, also…", stammelte er. Peter lächelte und legte dem jungen Mann beruhigend die Hand auf die Schulter. Er merkte, dass Unbehagen in ihm brodelte.

"Raus damit, na los", sagte er gut gelaunt.

Verlegen trat Jeremy von einem Fuß auf den anderen. "Also gut, Meister Caine, ich wollte ihnen nur sagen, dass… dass ich in Zukunft leider nicht mehr zu ihren Stunden kommen kann", sagte er mit schuldbewusstem Blick.

"Aber warum nicht? Du bist ein guter Schüler und lernst schnell", lobte Peter.

"Nun, ich… ich hab meinen Job verloren und kann das Geld für die Stunden nicht mehr aufbringen. Schließlich wohnt ja meine kleine Schwester noch bei mir und ich muss sie mitversorgen."

Peter legte ihm nun auch die zweite Hand auf die andere Schulter und sah ihm in die Augen.

"Das ist doch kein Problem. Bis du einen neuen Job hast, kannst du die Stunden auch so weiter mitmachen. Das ist doch nun wirklich kein Grund, dein erfolgreiches Training abzubrechen", sagte er nett.

Jeremy strahlte seinen Lehrer dankbar an und verabschiedete sich fröhlich. Peter grinste ihm hinterher, das gute Gefühl im Bauch, einem guten Menschen etwas Gutes getan zu haben. Jeremy war ein außerordentlicher junger Mann. Seine Eltern waren vor drei Jahren verstorben und er hatte seine kleine Schwester aufgenommen und versorgte sie seit dem. Tagsüber hatte er die ganze Zeit immer in einer Pharmafabrik gearbeitet, abends studierte er nebenher. Und die kleine Schwester war im schlimmsten pubertären Alter, aber er opferte sich dennoch für sie auf. Die Kung Fu Stunden waren der einzige persönliche Luxus, den er sich gönnte.

Nachdenklich machte er sich auf den Weg durch den Flur zu seiner Frau.

"Das riecht aber gut! Was ist das?", fragte Peter und kam in die Küche. Seine Haare hingen verschwitzt an seiner Stirn, sein Shirt zeigte große feuchte Flecke, über der Schulter hing ein Handtuch.

"Ich habe mich mal an einem Brownierezept versucht", sagte Cat langsam und zog das Backblech aus dem Ofen.

"Toll! Wann können wir sie essen?"

"Naja, ich weiß nicht, ob man sie überhaupt essen kann", murmelte sie verlegen, "ich hab wohl eher Backsteine produziert…"

Peter lachte sie an und nahm das Gebäck dann selbst in Augenschein. Die Oberfläche war sehr dunkel, aber vielleicht waren sie ja noch zu retten.

"Die müssen sowieso noch abkühlen. Ich geh jetzt erst mal duschen, und dann sehen wir mal, ob wir sie vielleicht doch noch essen können", sagte er Cat aufmunternd. Er wusste genau, dass Backen nicht ihr Ding war. Anschließend gab er ihr noch einen kleinen Kuss und verschwand dann im Badezimmer, immer noch grinsend.

Unterdessen drehte Cat die Lautstärke der Stereoanlage hoch, da sie nun wusste, dass niemand Fremdes mehr in der Wohnung war, und wippte den Kopf im harten Takt von Slipknot. Sie nahm das Backpapier mit den Brownies vom Blech und legte dieses auf die Spüle, dann räumte sie die Rührschüssel und alles Zubehör in die Spülmaschine.

Entmutigt betrachtete sie das verhunzte Gebäck, warum war sie überhaupt auf die Idee gekommen, backen zu wollen? Das letzte Mal hatte sie fast die Küche von dem kleinen Haus in Diffon in Brand gesteckt, als sie einen Schokoladenkuchen backen wollte. Insgeheim beschloss sie jetzt, in Zukunft Kuchen nur noch zu kaufen, das war weniger nervenaufreibend und vor allem ungefährlicher für das Mobiliar und ihre Mitmenschen.

Noch während sie die Küche wieder auf Vordermann brachte, kam Peter frisch geduscht und mit noch nassen Haaren wieder. Cat konnte immer noch das schelmische und ein ganz klein wenig schadenfrohe Grinsen in seinen Mundwinkels sehen.

"Na, dann schauen wir mal", sagte er amüsiert und legte dann den Browniefladen auf ein Schneidbrett. Mit einem großen Messer begann er nun, kleine Quadrate auszuschneiden. Cats Ohren entging dabei nicht das knusprige Geräusch, wenn das Messer durch die obere Schicht drang.

Nachdem er aus dem großen Rechteck viele kleine Vierecke gemacht hatte, legte der Shaolin das Messer beiseite und nahm ein Stück in die Hand. Prüfend drückte er seinen Finger leicht in die Seiten und auf den Boden; hier war es noch relativ weich. Dann griff er wieder zu der scharfen Klinge und schnitt den oberen halben Zentimeter ab.

"So, wenn wir Glück haben…", setzte er an und startete den Selbstversuch, in dem er einen großen Happen von dem sezierten Stückchen abbiss. Aufmerksam beobachtete Cat seine Gesichtszüge, die sich langsam in ein Grinsen verwandelten.

"Lecker!", schmatzte er fröhlich.

Seine Frau hob erstaunt die Brauen. "Ehrlich? Du willst mich doch…", setzte sie an, dann aber schob Peter ihr die andere Hälfte des Brownies in den Mund.

"Das schmeckt ja wirklich", sagte sie völlig erstaunt. Dann brach sie zusammen mit ihm in schallendes Gelächter aus, anschließend trennten sie bei allen anderen Stücken auch die Oberschicht ab und aßen lachend die doch nicht ganz ruinierten Kuchenstückchen.

* * *

"Was meinst du?", fragte Jody ihren Kollegen, als sie wieder im Auto saßen und für sich waren.

Kermit grinste. "Ich denke, dass George keine Ahnung hat, dass jemand sein Zeichen benutzt. Und jetzt ist er entsprechend sauer und sucht den Kerl."

Jody sah ihn skeptisch von der Seite an, während Kermit den Motor startete und das Gelände der Spiders verließ.

"Was machen wir jetzt? Meinst du George Sing ruft uns an, wenn er Spencer erwischt hat?", fragte sie nach einem Moment ironisch.

"Nein, das wird er sicher nicht. Muss er aber auch nicht."

"Mensch, jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen! Du hast doch noch etwas in der Hinterhand!", mutmaßte die blonde Polizistin.

Kermit grinste wiederum. "Oh yeah, das habe ich", sagte er mysteriös.

Jody tippte ungeduldig mit den Fingern auf dem Armaturenbrett.

"Jeden Schritt, den Georges Mannen machen, werden wir beobachten und wissen, wo sie sich aufhalten", erklärte er ihr.

Sie zog die Augenbrauen zusammen, dann erinnerte sie sich an die Szene, als Kermit dem Türsteher Bobby auf die Schulter geklopft hatte. Jetzt lachte sie auf.

"Du hast ihm einen Sender verpasst!", rief sie ins Wageninnere.

"Ja!", war Kermits vollständiger Kommentar dazu.

Sie fuhren zurück zum Revier und gingen hinein. Am Tresen wurde der Cop von Seargent Broderick abgefangen.

"Hey Kermit. Donnie DoubleD hat angerufen. Hier ist seine Nummer", sagte er und reichte ihm einen gelben Notizzettel.

Grinsend nahm Kermit das Papier entgegen, zwinkerte verheißungsvoll in Jodys Richtung und verschwand dann in seinem Büro. Gut gelaunt tippte er die Nummer ins Telefon. Während er wartete, dass abgenommen wurde, startete er seinen PC.

"Hallo?", meldete sich eine rauchige Stimme, die ganz sicher nicht Donnie gehörte. Im Hintergrund spielte Musik.

"Ich will Donnie sprechen!", sagte Kermit, ohne sich als Cop zu outen. Vermutlich war die Telefonnummer von einer miesen Unterweltkneipe.

"Welchen Donnie?", fragte der Kerl am anderen Ende der Leitung nach.

"Donnie DoubleD, du Vollidiot!", sagte Kermit scharf.

"Ist ja schon gut", murrte der Mann und legte den Hörer dann gut hörbar auf den Tresen auf. Kermit wartete geduldig und öffnete in der Zeit das Programm zur Verfolgung des Senders.

"Hallo?", meldete sich endlich eine Stimme am anderen Ende.

"Wer ist da?", fragte Kermit harsch. Er musste auf Nummer sicher gehen.

"Hier ist Donnie DoubleD, und sie sind der Mann mit der Sonnenbrille, und auf meiner Hochzeit haben sie und Peter und dieser komische Spielzeugtyp eine Bombe entschärft und…"

"Ist ja gut, Donnie, ich weiß jetzt, dass du es bist!", knurrte der Cop genervt, "was hast du für mich?"

"Ich bin mir nicht sicher, ich hab da ein Gespräch gehört. Zwei Typen, irgendwelche kleinen Straßengangster, haben sich unterhalten und…"

"Donnie!"

"Ja, natürlich. Morgen Früh, Sonnenaufgang, Pier sechzehn. Ich weiß nicht, ob was dran ist, aber ich dachte…"

"Ja, danke Donnie!", sagte Kermit mürrisch und legte auf. Dann trippelte er mit den Fingern auf dem Schreibtisch und dachte nach, als sein Verfolgungsprogramm plötzlich anschlug.

Der blinkende weiße Punkt begann jetzt, sich auf dem animierten Stadtplan zu bewegen. Aufmerksam beobachtete Kermit ihn. Allerdings schien er nur die einschlägigen Spielunken abzuklappern, nach einer Stunde kehrte er wieder in die Garage der Spiders zurück und blieb dort.

"Verdammt", murmelte Kermit und schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch, er hatte mit mehr gerechnet. Aber ihm blieb immer noch der nächste Morgen, vielleicht ergab sich da ja etwas.

"Was hat Donnie erzählt?", fragte Jody, die im Türrahmen lehnte.

Kermit sah zu ihr auf. "Wir zwei haben morgen früh bei Sonnenaufgang ein Date im Hafen."

"Wie romantisch", antwortete sie kokett und warf lachend ihre Haare hinter die Schulter, Kermit stimmte mit ein.

"Also bis morgen früh, Partner!"

"Ja, bis morgen. Ich mach jetzt Feierabend!", teilte sie ihm noch mit und ging dann zu ihrem Schreibtisch, um ihre Sachen zu packen.

Auch Kermit fuhr seinen PC runter und ging noch mal in Karens Büro, um ihr zum einen zu erzählen, wie weit sie waren, und sie zum anderen zu fragen, ob sie auch bald nach Hause kam, anschließend machte er sich auf den Heimweg.

Während er die Corvair durch den stetig dichter werdenden Feierabendverkehr steuerte, klingelte plötzlich sein Handy. Einhändig zog er es aus der Innentasche seines Jacketts und klappte es auf.

"Griffin", bellte er ins Telefon und riss gleichzeitig mit der rechten am Lenkrad verbliebenen Hand den Wagen herum, um nicht auf den Wagen vor ihm aufzufahren, der unbegründet gebremst hatte. Er stieß einen wilden Fluch aus.

"Hey, stör ich?", fragte Peter am anderen Ende der Verbindung.

"Nein, alles klar. Was gibt's?", fragte Kermit, der sich sofort wieder beruhigt hatte.

"Ich wollte nur mal hören, ob es was Neues im Fall des Mädchens gibt."

"Ja, das gibt es tatsächlich. Jody und ich waren heute Morgen bei den Spiders, weil Spencer sein Zeug unter ihrem Logo verkauft. Und Donnie hatte auch noch was, das werden wir uns Morgen früh ansehen."

"Braucht ihr Unterstützung?", fragte Peter sofort nach.

Kermit musste im Inneren seines Wagens grinsen, manche Dinge änderten sich doch nie.

"Nein, wir wollen erst mal nur beobachten. Aber danke fürs Angebot! Ich meld mich, wenn ich mehr weiß", sagte er noch und fuhr dann in die Tiefgarage.

"OK, dann mach’s …", hörte er noch die ersten Worte von Peters Verabschiedung, dann war die Verbindung wegen dem dicken Betonfundament abgebrochen.

* * *

Peter legte gedankenverloren den Hörer auf. Er erinnerte sich an das ungute Gefühl, das er während der Meditation empfunden hatte, aber seine Alarmglocken blieben still. Für einige Sekunden konzentrierte er sich allein darauf und auf die Beobachtung, von der sein bester Freund eben gesprochen hatte, fühlte aber keinerlei Warnsignal.

Die Tatsache, dass es in seinem Inneren still blieb, beruhigte ihn, denn er musste sich keine Sorgen um seine Freunde machen. Auf der anderen Seite war jetzt noch immer nicht klar, was sein ungutes Gefühl bedeutete.

Der junge Shaolin beschloss ein wenig zu meditieren und endlich dahinter zu kommen, was ihm der Nebelschleier sagen wollte, der über der ganzen Sache lag. Er hoffte mehr und mehr, endlich dahinter zu kommen, denn die Ungewissheit machte ihm allmählich Sorgen.

Cat stellte sich in den Türrahmen und beobachtete Peter, der auf dem Boden saß und die Augen bereits fest geschlossen hatte. Um ihren Kopf hatte sie einen riesigen Turban aus einem Handtuch geschlungen, sie trug einen schwarzen Bademantel und genauso schwarze Badelatschen. Sie grinste und ging dann ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen.

Bevor sie die Schränke öffnete, machte sie die Stereoanlage an und lauschte fröhlich den schnellen Klängen von System of a Down. Durchs Zimmer tanzend zog sie sich nun an und überlegte in der Zeit, was sie morgen zum Abendessen kochen wollte, denn sie hatten Kermit und Karen eingeladen.

Während sie über Schweinelende mit Tomaten und Mozzarella nachdachte, schlüpfte sie in eine knappe Hotpants und ein enges Festivalshirt. Anschließend ging sie barfuss in die Küche und sah nach, was sie am nächsten Tag noch einkaufen musste.

Während sie sich zum Kühlschrank hinunterbeugte, klatschte ihr plötzlich jemand mit der flachen Hand auf den Po. Erschrocken fuhr sie hoch und starrte Peter ins grinsende Gesicht.

"Hast du mich erschreckt! Ich hab dich gar nicht… ach vergiss es, ich hör dich eh nie! Du bist wirklich unmöglich!", machte sie ihrem Schreck Luft.

Peter strahlte sie noch immer an. "Ich konnte nicht anders, du hast ihn mir so verführerisch hingestreckt!", sagte er und zog sie in seine Arme, um ihr einen verlangenden Kuss aufzudrücken. Seine erfolglose Meditation war jetzt schon in den gedanklichen Hintergrund gerutscht; wenn die Gefahr näher kam, würde seine Intuition ihn warnen, da war er sich sicher.

Cat erwiderte den Kuss, quietschte dann aber erschrocken, als Peter sie plötzlich hochhob und buchstäblich auf Händen ins Schlafzimmer trug. Dort legte er sie sanft auf dem Bett ab und lehnte sich über sie, um sie erneut zu küssen. Fest verschlang sie ihre Hände in seinem Nacken und zog ihn näher zu sich, woraufhin sie von einem Orkan aus Leidenschaft und Liebe verschlungen wurden und in den Laken versanken.


Kapitel 4

Kermit stellte zufrieden fest, dass Jodys Wagen bereits auf dem Parkplatz stand, als er vor dem 101. Revier vorfuhr und die Corvair abstellte. Die Sonne würde in einer Dreiviertelstunde aufgehen und sie durften auf keinen Fall zu spät kommen.

Schnell stieg er aus und sprang die Stufen hoch. Im Inneren des Gebäudes herrschte gähnende Leere; Jody lehnte an ihrem Schreibtisch und trank einen Kaffee, weiter hinten saß ein uniformierter Cop und schrieb Berichte. Er nickte seiner Kollegin zu und blickte auf seine Armbanduhr.

"Lass uns fahren!", sagte er, noch im Eingangsbereich stehend.

Jody nickte hektisch und kippte den Rest des Tasseninhalts in ihren Mund, ehe sie ihm hinterher eilte. Kermit stand schon an der Corvair, als sie aus dem Portal kam.

"Wo bleibst du denn?", fragte er mit seinem Haifischgrinsen im Gesicht.

Jody warf ihm nur einen bösen Blick zu und stieg dann in den Wagen. Sie sprachen auf der Fahrt in den Hafen kaum ein Wort, das brauchten sie aber auch nicht, beide waren sich über ihren Einsatz, die Vorgehensweise und die Wichtigkeit bewusst.

Der Ex-Söldner stellte sein Auto mit gebührendem Abstand zum Pier 16 ab und packte die Kamera ein, von dort gingen sie anschließend zu Fuß. Vorsichtig schlichen sie in der langsam lichter werdenden Dunkelheit durch die hohen Containerreihen. Noch konnten sie kein Wort vernehmen, aber als sie um den nächsten Stapel auf riesigen Blechkisten herum kamen, hielt Kermit seine Kollegin mit dem ausgestreckten Arm zurück und lauschte.

Er konnte zwar kein Wort klar verstehen, aber es wurde auf jeden Fall gesprochen. Er nickte in Jodys Richtung und schlich nun doppelt leise und vorsichtig den schmalen Gang entlang. Lautlos zog er seine Desert Eagle aus dem Holster, auch wenn sie eigentlich nur beobachten und zuhören wollten. Denn beide konnten sich nicht vorstellen, dass tatsächlich Spencer selbst hier auftauchen würde.

Langsam bewegten sich die zwei Cops weiter vorwärts, bis Kermit um die nächste Ecke gucken und die Gangster sehen konnte. Es waren vier Mann, und einer war eindeutig der Kerl, den Cynthia ihm beschrieben hatte. Sie standen um den offenen Kofferraum eines schwarzen Lincoln und unterhielten sich, etwas entfernt standen drei weitere Wagen, weniger teuer und groß.

Jody schob sich neben ihren Partner, um auch einen Blick zu erhaschen. Jetzt konnten sie auch verstehen, was dort gesprochen wurde. Aufmerksam beobachteten sie die vier Gangster im aufgehenden Sonnenlicht und speicherten jedes gesagte Wort.

"OK, her mit der Kohle!", sagte der Kerl am Kofferraum.

Die drei anderen standen ihm gegenüber, darunter der Typ vom Phantombild. Der erste reichte einen Batzen Dollarnoten herüber, die im Kofferraum verschwanden. Kurz danach nickte der Knabe am Heck des Wagens und reichte ein großes in Zeitungspapier eingewickeltes Päckchen rüber. Bei den beiden anderen lief es genauso.

Jody zog Kermit ein Stück zurück, der bis dahin Fotos gemacht hatte. "Sag mal, was genau läuft da? Hat der eine Zählmaschine im Kofferraum, oder bilde ich mir das ein?" sagte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

Kermit nickte. "Scheint, als verteilt er die Drogen an die drei Dealer und kassiert hinterher die Einnahmen. Warte mal!", sagte er und schob sich sofort wieder an die Ecke.

"OK, die selben Konditionen. Die Mitteilungen über die nächste Abrechnung bekommt ihr auf dem üblichen Weg!", sagte er und knallte den Kofferraumdeckel zu.

"Hey, warten sie mal, Harris! Ich denke, wir haben uns unsere Lorbeeren verdient, wann lernen wir endlich Spencer kennen?", protestierte der Mann, von dem Cynthia Marlow ihre Drogen gekauft hatte. Dieser Harris trat auf ihn zu und packte ihn am Kragen, streng beobachtet von den beiden Cops.

"Hör mir mal zu, du kleiner Scheißkerl! Wenn Mr. Spencer der Meinung ist, dass ihr euch eure Lorbeeren verdient habt, DANN werdet ihr ihn treffen, kapiert!", zischte er ihm ins Gesicht. Der Mann vom Phantombild nickte heftig und packte sich an den Hals, als Harris ihn losließ.

"Hat sonst noch jemand Ansprüche?", fragte er in die Runde, "nein? Gut. Und wenn euch jemand fragt, für wen ihr arbeitet, kennt ihr die Antwort. Ihr seid von den Spiders rekrutiert. Und wagt bloß nicht, von dieser Geschichte abzuweichen, sonst werdet ihr nicht lang genug leben, um euch eine neue auszudenken!", drohte er noch zum Abschluss.

Kermit legte ein Grinsen auf, es war also wirklich Dean Spencer, wie er es von Anfang an vermutet hatte! Jody packte ihn aber plötzlich am Arm und deutete ihm lautlos an, die Ohren aufzusperren. Er folgte ihrer Aufforderung und schaute gleichzeitig weiter um die Ecke.

Auch die drei Gangster schienen jetzt von etwas abgelenkt zu sein und schauten irritiert um sich. Kermit konnte jetzt das Dröhnen von Motoren hören, das schnell lauter wurde und näher kam. Die Verbrecher schauten jetzt in beide Richtungen des Piers und zogen ihre Pistolen, allmählich ahnte Kermit, was hier vorging, obwohl er das Senderüberwachungsgerät auf dem Revier gelassen hatte.

Von beiden Seiten des Piers kamen jetzt fast identische aufgemotzte Ford Bronco Geländewagen, beide mit dem Logo der Spiders auf den Türen. Umgehend sprangen aus jedem Bronco fünf junge Männer, unter anderem Bobby und George Sing, die Kermit und Jody schon in deren Hauptquartier gesehen hatten.

Mit schweren Gewehren umstellten sie die vier Gangster, die schnell merkten, dass sie keine Chance hatten. Der Anführer der Gang trat jetzt vor und grinste belustigt über seine gelungene Überrumpelung.

"Wer von ihnen hat hier das sagen?", fragte er in die Runde.

Während die drei Dealer unsicher hin und her schauten, stierte Harris den Spider an. Dann machte er einen Schritt auf ihn zu. "Ich! Und wer zum Teufel sind SIE?" fragte er, obwohl die Antwort längst klar war.

Sing zuckte zornig um die Mundwinkel, ehe er begann zu sprechen. "Ich bin der, auf dessen Namen sie ihre Ware verkaufen! Und das gefällt mir gar nicht! Und meinen Jungs auch nicht!", sagte er, begleitet von dem Geräusch von durchgeladenen Schrotflinten.

"Ich will ihren Boss sprechen!", sagte George Sing, nachdem von Harris keine Reaktion gekommen war.

Der sah ihn wütend an. "Und warum sollte mein Boss SIE sprechen wollen?", säuselte er provokant.

Die beiden Cops fühlten förmlich die Spannung in der Luft. Wenn sie Pech hatten, begann hier gleich eine wilde Schießerei.

"Bobby, zeig es ihm!", wies George Sing seinen Mitarbeiter an.

Der Gangster ging zu einem der Wagen und zog ein junges Mädchen von vielleicht zehn Jahren heraus. Die beiden erstaunten Cops sahen den Schreck auch in Harris’ Gesicht.

"Woher…?", zischte er wütend.

Sing aber grinste nur böse. "Du rufst deinen Chef jetzt an und gibst mir dann das Telefon. Oder die Kleine wird, nun ja…", führte er die Drohung nicht weiter aus. Das Kind schaute ängstlich umher, den Mund hatten sie ihr mit einem Gangtuch geknebelt.

Widerwillig zog Harris das Telefon aus der Tasche und wählte die Nummer seines Chefs. Sing sah ihn halb grinsend an und wartete darauf, dass sein Gegenüber endlich zu sprechen anfing.

"Sollten wir nicht was tun?", fragte Jody flüsternd.

Kermit sah sie an, als sei sie verrückt geworden. "Wir zwei, gegen vierzehn? Das ist lebensmüde!" sagte er ebenso leise zurück, auch wenn ihm bei dem Anblick des Kindes unwohl war. Jody musste zugeben, dass er Recht hatte und nickte ergeben.

"Hier ist Harris!", sagte der Handlanger von Spencer endlich. Sing hörte ihm aufmerksam zu, genauso wie Jody und Kermit, der eifrig weitere Fotos von den Männern und dem Kind schoss.

"Ein paar von den Spiders haben uns überrascht. Ihr Boss will sie treffen." (…) "Sie haben Sally." (…) "Ich weiß nicht, was mit Rebecca ist." (…) "OK", sagte er abschließend und gab das Handy an George Sing weiter, der immer noch arrogant grinste.

"Mr. Spencer!", sagte der Bandenführer aalglatt, "eine bezaubernde Tochter haben sie da." (…) "Das tut nichts zur Sache. Hauptsache ist, wir haben sie. Und um ihre Frau müssen sie sich keine Sorgen machen, die hat nur leichte Kopfschmerzen." (…) "Sie bekommen die Kleine wohlbehalten wieder, wenn sie sich mit mir treffen. Sie haben doch nicht ernsthaft geglaubt, dass sie auf meine Rechnung Geld machen können, ohne dass wir dahinter kommen, oder?" (…) "Das hab ich mir gedacht. Heute Abend in der Lexington 4381, pünktlich um zehn. Und sollten sie nicht kommen, nun, dann werden wir uns die Zeit mit ihrer Tochter vertreiben!", sagte Sing und legte das Handy auf.

Er warf das Gerät Harris zu und deutete seinen Jungs dann den Rückzug an. Schnell verschwanden sie wieder in ihren dicken Geländewagen und fuhren mit quietschenden Reifen davon.

"Was sollen wir jetzt tun?", fragte der Dealer vom Phantombild unsicher nach, Harris schrie ihn mit hochrotem Kopf und wütend verzerrtem Gesicht an: "Was denkst du wohl, du Vollidiot! Natürlich nichts! Versteckt das Zeug und wartet auf weitere Anweisungen!"

* * *

Peter kaute nachdenklich sein Croissant.

"Was ist?", fragte Cat, ihr Gesicht in die Handfläche gestützt. Besorgt sah sie ihrem Mann in die Augen.

"Ich denke über Jeremy nach. Mein Schüler, ich hab dir gestern davon erzählt", erklärte er ihr, was grade in seinem Kopf herum ging.

Cat nickte. "Und?", hakte sie nach.

Peter musste schmunzeln, sie war mit halbgaren Antworten nicht abzuspeisen.

"Ich weiß nicht. Er kümmert sich fürsorglich um seine Schwester, studiert nebenbei, um ihr irgendwann mehr geben zu können, und dann verliert er seinen Job. Das ist irgendwie nicht richtig!"

"Du lässt ihn jetzt so trainieren?", fragte Cat noch mal nach, denn manchmal brachte sie Peters Erzählungen über seine Schüler und Patienten durcheinander.

Der Shaolin nickte. "Ja. Das hatte ich ihm ja von Anfang an angeboten, als er mir von seiner Situation erzählt hatte, aber da wollte er es nicht. Er wollte unbedingt für die Stunden bezahlen", sagte Peter Schulterzuckend.

"Dann hilft ihm doch das sicherlich schon", versuchte sie Peter guten Mut zu machen, der aber kippte nur nachdenklich den Kopf hin und her.

"Vielleicht kann ich ja noch mehr tun. Ich muss mal sehen", sagte der Shaolin.

Cat nickte verständnisvoll, manchmal glaubte sie, dass Peter einfach zu gut für diese Welt war.

"Und was steht heute sonst noch auf dem Plan?", fragte sie interessiert nach und schob sich ein Stück Brötchen in den Mund. Sie hatten zwar einen Kalender, in dem alle Unterrichtsstunden und Hausbesuche vermerkt sein sollten, aber weder sie noch ihr Mann waren besonders zuverlässig in ihren Eintragungen.

"Ich hab ein paar Hausbesuche, nix Wildes. Mach mich auch gleich auf den Weg, bin spätestens heute Nachmittag wieder da", erzählte er ihr, "und du?"

Cat zuckte nur die Schultern. "Ich werde einkaufen gehen und mich unserem Haushalt widmen", sagte sie und trank einen Schluck Kaffee.

Anschließend räumten sie gemeinsam den Tisch ab und Peter sammelte sich alle nötigen Kräuter und Salben für seine Patientenbesuche zusammen. Danach verabschiedete er sich von seiner Frau und machte sich zu Fuß auf den Weg durch Chinatown.

Peter arbeitete seine Hausbesuche sorgsam, aber zügig, ab und spazierte dann durch die Hauptstraße des Stadtteils. Seine Gedanken drehten sich noch immer um Jeremy und die Frage, wie er ihm helfen konnte.

Immer wieder sah er sich um, ob in den Läden oder Geschäften Schilder hingen, dass eine Aushilfe gesucht wurde, aber er konnte zunächst keines finden. Der junge Mann blieb dann plötzlich vor einem Buchladen stehen, schließlich arbeitete Jeremy bisher in der Bibliothek des Colleges.

Im Fenster des Ladens prangte ein großes "Hilfe gesucht" Schild. Kurz entschlossen drückte der Shaolin die alte Holztür auf und trat, begleitet von dem Klingeln einer kleinen Glocke, das Geschäft. Hinter dem Tresen stand ein älterer Chinese, den Peter nicht kannte.

"Guten Tag", begrüßte er den Mann, der freundlich aufsah.

"Guten Tag, kann ich was für sie tun?", fragte er bei seinem vermeintlichen Kunden nach.

Peter lächelte ein wenig verlegen. "Ich habe das Schild in ihrem Fenster gesehen", fing Peter an.

Der alte Mann nickte sofort. "Interessieren sie sich für den Job?" fragte er erfreut.

Peter schüttelte den Kopf. "Nein, ich nicht. Aber ein Freund von mir hat grade seinen Job in der Collegebibliothek verloren und…"

"Nun", unterbrach der alte Mann, "wenn ein Bewerber nicht mal selbst vorspricht…"

"Nein, er weiß ja gar nichts davon! Von vorne: Mein Name ist Caine…"

"Der Shaolin-Priester? Sagen sie das doch gleich!", sagte der alte Mann und schien jetzt wesentlich erfreuter.

"Der junge Mann, von dem ich spreche, heißt Jeremy Preston, er ist ein Kung Fu Schüler von mir. Er ist ein wirklich guter Mensch, der es nicht leicht hat im Leben, und deshalb möchte ich ihm irgendwie helfen. Und deshalb dachte ich…", erklärte sich Peter.

Der Chinese bekam jetzt ein gütiges Lächeln ins Gesicht. "Jetzt verstehe ich es. Ich habe ihre Dienste zwar bisher nie in Anspruch genommen und wir kennen uns nicht, aber sie haben einen ausgezeichneten Ruf in der Gemeinde! Die Menschen achten sie genauso wie vorher ihren Vater. Wenn ich ihnen also damit helfen kann, -und der Junge seine Arbeit ordentlich macht-, werde ich ihn einstellen! Er soll morgen früh um neun vorbei kommen", sagte er und ging sofort zum Fenster, um das Schild abzunehmen.

Peter bedankte sich mehrfach und verließ dann fröhlich das kleine Geschäft. Wieder machte sich das gute Gefühl in ihm breit, dass er etwas Gutes getan hatte für den jungen Mann, der selbst so viel Gutes tat.

Stolz auf sich machte er sich jetzt auf den Heimweg und erzählte seiner Frau von seinem Erfolg. Dann schnappte er sich das Telefon und wählte Jeremys Nummer.

"Peter Caine, hallo Jeremy", sagte der Shaolin in den Hörer, die Verwunderung am andere Ende war deutlich wahrzunehmen.

"Meister Caine, was…?", fragte er nach dem Grund des Anrufes.

"Hör zu, Jeremy, ich habe mir Gedanken über deine Situation gemacht und wollte dir gerne helfen. Wenn du möchtest kannst du morgen früh im Buchladen hier in Chinatown anfangen." Erstaunte Stille am anderen Ende der Leitung.

"Meister Caine, ich… ich… weiß gar nicht, was ich sagen soll. Aber ich… naja… ich weiß nicht… ich…", stammelte er nervös.

"Keine Sorge, Jeremy. Wenn es dir unangenehm ist, dass du dir den Job nicht selbst gesucht hast, kann ich das verstehen, aber ich wollte dir nur helfen. Und es macht den Job nicht weniger ehrlich", sagte Peter versöhnlich. Es entstand eine lange Pause am Telefon.

"Dann bleibt mir wohl nicht nichts weiter, als mich bei ihnen zu bedanken, Meister Caine!" sagte er.

Peter grinste, er sah ihn vor sich, mit einem verlegenen Lächeln im Gesicht und großer Freude und Dankbarkeit im Herzen.

"Gerne, Jeremy! Morgen früh um neun, Mister Ching erwartet dich! Hinten in der Hauptstraße, neben dem Supermarkt."

"Ja, ich weiß, wo das ist. Nochmals vielen vielen Dank, Meister Caine! Ich weiß immer noch nicht, was ich sagen soll!"

"Immer wieder gerne!", lachte Peter ins Telefon, "und viel Erfolg morgen!"

Nachdem sich Jeremy noch drei weitere Male bedankt hatte legte Peter den Hörer auf. Cat, die ihrem Mann bei dem Gespräch beobachtet hatte, stand fröhlich lachend im Türrahmen, dann kam sie auf ihn zu, umarmte diesen gutherzigen Menschen und gab ihm einen verliebten und nach mehr schmeckenden Kuss.


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