Kapitel 5 "Jetzt wissen wir endlich, warum Spencer wieder zurückgekommen ist. Mann, ich hätte nie gedacht, dass der Kerl eine Tochter hat", sagte Jody und lief vor ihrem Schreibtisch auf und ab. Kermit lehnte vor der Kaffeemaschine an der Anrichte und machte ein finsteres Gesicht. "Mich wundert viel mehr, dass er sich drum schert", ergänzte der Ex-Söldner. Innerlich machte er sich Sorgen um das Kind, hätte er davon gewusst, hätte er sicher nicht den Weg gewählt, die Spiders darauf aufmerksam zu machen. Sollte der Kleinen was passieren, wäre es seine Schuld. "Habt ihr schon raus gefunden, wer die Kleine ist, oder die Mutter? Wie war ihr Name?", schaltete sich jetzt Karen ein, die dazu gekommen war. "Rebecca", sagte Jody. "Der Computer läuft noch. Als wir Spencer das letzte Mal durchleuchtet haben, gab es keinen Hinweis auf Frau oder Kind! Verdammt, wie konnte mir so was entgehen?", sagte Kermit schlecht gelaunt. Karen nickte nachdenklich. "Bleibt dran. Und ich möchte informiert werden, wenn es etwas Neues gibt", sagte sie und ging dann zurück in ihr Büro. Jody ließ sich auf ihren Bürostuhl fallen und Kermit folgte seiner Lebensgefährtin. "Ja?", fragte sie, als er durch ihre Tür kam. "Ich werde Peter und Cat absagen, wenn du damit einverstanden bist", sagte Kermit, er wirkte jetzt wesentlich gestresster und angespannter als eben noch vor den Kollegen. "Ja, natürlich. Grüß sie von mir", gab Karen zurück. Kermit nickte und ging dann in seine vier Bürowände, um seinen Freund anzurufen. Kurz erklärte er ihm den bisherigen Verlauf des Falls und sagte das Abendessen ab. Peter reagierte, wie zu erwarten gewesen war, mit absolutem Verständnis dafür und wünschte ihm für den Abend viel Erfolg bei der Festnahme von Spencer und der Befreiung des Kindes. Kermit legte auf und starrte auf seinen Bildschirm. Die Maske, in die er vor über einer halben Stunde die Parameter eingegeben hatte war noch immer grau hinterlegt, davor sauste in einem kleinen Fenster ein Balken hin und her und signalisierte, dass das System noch nach Übereinstimmungen suchte. Der frühere Söldner rieb sich unter der Brille die Augen und schnappte dann nach seiner Kaffeetasse. Er holte sich eine neue Portion des schwarzen Gebräus und nahm dann den Senderverfolger zur Hand. Bobby, und vermutlich auch das Mädchen, waren noch immer im Quartier der Spiders. Mit einer entsprechenden Größe einer Polizeimannschaft hätte man dort zwar stürmen können und das Kind vermutlich befreien, aber das nahm ihnen die Chance, Dean Spencer endlich zu erwischen. Sie hatten diese Option direkt nach der Observierung lang und breit mit Karen diskutiert und beschlossen, dass sie zunächst nichts taten. Dem früheren Söldner war es unangenehm, untätig herum zu sitzen war noch nie seine Stärke gewesen, und die Tatsache dass dieses Mädchen vermutlich riesige Angst hatte machten seine Schuldgefühle nur noch größer. ER hatte sie schließlich in diese Situation gebracht, ER hatte den Spiders erzählt, dass Spencer in ihrem Revier wilderte. Der Rechner piepste endlich, und so schoss der Cop vor und nahm die Maus in die Hand. Diesmal schien er tatsächlich mal Glück zu haben, denn das System hatte ihm nur eine Möglichkeit ausgespuckt. "Jody!", rief er laut durch die offene Tür. Zwei Sekunden später tauchte sie im Türrahmen auf. "Hast du was?", fragte sie nach. Kermit nickte und las dann vor. "Rebecca Hudson, Tochter Sally, elf Jahre alt. Es ist kein Mann in der Geburtsurkunde eingetragen, aber es gibt eine Hochzeitsurkunde für die Mutter. Und rate mal, welcher Name darin steht?" "Keine Ahnung, aber sicherlich nicht Dean Spencer, sonst hätten wir davon gewusst." Wieder nickte Kermit. "Darren Spolding." "D.S., er ist seinen Initialen treu geblieben", gab sie zurück, "jetzt stellt sich noch die Frage, wie das zusammenhängt. Immerhin scheint er ja an ihnen zu hängen. Also weiß die Mutter entweder, wer oder was er ist und es ist ihr egal, oder aber sie hat keine Ahnung." "Oder sie unterstützt ihn sogar", gab er eine weitere Möglichkeit an. Jody stimmte zu. "Was machen wir jetzt? Wenn wir hinfahren und mit ihr reden, können wir Pech haben und die ganze Sache platzt, weil sie Spencer vorwarnt." "Hab ich mir auch schon überlegt. Aber vermutlich hat Spencer schon Kontakt zu ihr aufgenommen. Ich würde sagen, wie lassen die angegebene Adresse überwachen und sehen, was passiert", sagte der frühere Söldner und lehnte sich dann vor, um aufzustehen und das mit Karen abzustimmen. "Sag du dem Captain Bescheid, ich hol schon mal mein Zeug unten aus dem Spind für nachher", sagte und ging mit ihm zusammen aus dem Büro. Direkt nachdem Kermit mit Karen die Überwachung von Rebecca Hudson geredet hatte, hörte er einen spitzen Schmerzensschrei von der Treppe, die zu den Spinden hinunter führte. Sofort hechtete er aus der Tür und rannte zum Geländer, Karen dicht auf den Fersen. Er sah Skalany, die hastig die Treppen hinunterlief. Als er über das Geländer blickte, sah er Jody am Fuß der Treppe sitzen und sich den Knöchel halten. Erschrocken sah sie zu ihnen zu hoch und lächelte dann. "Schon gut, ich bin nur umgeknickt", versuchte sie ihre besorgten Kollegen zu beruhigen. Unterdessen hakte sich Mary-Margaret unter ihrem Arm ein und half ihr auf die Beine. "Haben sie sich verletzt?", fragte Karen, die noch immer neben Kermit am Geländer stand. Inzwischen hatte sich auf Blake zu ihnen gesellt. "Es geht schon", sagte sie und wollte mit dem verletzten Fuß auftreten, zog aber sofort mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder in die Luft. "Vielleicht auch nicht", ergänzte sie. Karen rollte besorgt die Augen und sah zu, wie die zwei Frauen die Treppe langsam wieder hochkamen, wobei Jody nur auf einem Bein die Stufen empor hüpfte. Kermit hätte gerne geholfen, aber die Treppe war zu schmal, um sich an Jodys anderer Seite einzuhaken. Als sie wieder oben waren schob Blake seine Kollegin zunächst einen Stuhl hin, damit sie sich setzen und ihr Bein entlasten konnte. "Blake, sie bringen Detective Powell bitte ins Krankenhaus und…" "Es geht schon, Captain", versuchte Jody einen Besuch im Krankenhaus abzuwenden, Karen aber schüttelte den Kopf. "Nein, ich möchte, dass das geröntgt wird und sich ein Arzt das ansieht! Skalany, sie übernehmen den Einsatz heute Abend", gab Karen sofort Anweisungen. Die Detectives nickten ergeben. "Tut mir leid, Partner", entschuldigte sich Jody bei Kermit, der ihr aber nur aufmunternd auf die Schulter klopfte und gute Besserung wünschte. Nachdem Blake und Jody das Revier verlassen hatte, wendete sich der Captain den beiden Detectives zu. "Ich habe vorhin eben mit der Leitstelle telefoniert. Die Sitte hat heute Abend zwei große Razzien. Ich kann ihnen also nur fünf Mann Unterstützung mitgeben, mehr ist absolut nicht drin", informierte sie das neu zusammengestellte Team. "Na das wird ja dann lustig!", sagte Skalany ironisch. "Das kriegen wir schon", munterte der ehemalige Söldner sie auf. Karen sah sie noch immer eindringlich an. "Das Mädchen hat absoluten Vorrang, dann kommt Spencer! Ich will diesen Mistkerl in einer Zelle wissen!", sagte sie bestimmt und ging dann wieder in ihr Büro. Kermit zog sich mit Skalany in sein eigenes zurück und erläuterte ihr den kompletten Fall, ehe es an der Zeit war, aufzubrechen. * * * Das ungute Gefühl in Peters Unterbewusstsein nahm zu. Nachdem er mit Cat Kaffee getrunken und ein paar Kekse gegessen hatte, war er in den Übungsraum gegangen, um etwas Tai Chi zu laufen und sich auf dieses Bewusstsein zu konzentrieren. Cat hatte sich unterdessen ins Wohnzimmer zurückgezogen, um ein paar CDs zu hören, mit denen sie sich auf ein Konzert vorbereiten wollte, das sie am nächsten Abend besuchen sollte. Mit schnellen und fließenden Bewegungen drehte sich der Shaolin im Raum, seine Hände und Füße schnellten in durch die Luft und wehrten unsichtbare Angriffe ab. Die Augen geschlossen war er in Gedanken bei dem grauen Nebel, der sich langsam verdunkelte. Ein heftiges Gefühl riss ihn plötzlich von den Beinen und ließ ihn das Gleichgewicht verlieren, er taumelte und konnte sich im letzten Moment mit den Händen an der Wand fangen. Ein heftiger Blitz war in seine Gedanken eingedrungen und hatte den Nebel für einen winzigen Augenblick gelichtet, allerdings war es zu kurz gewesen, um etwas erkennen zu können. Peter starrte die Wand vor sich an und fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Seine Visionen waren zwar in der Regel blitzartig, aber dennoch reichte die Zeit, um etwas sehen zu können. Er schüttelte sich kurz und beschloss dann, konventionell zu meditieren, um dieses Bild zurückzurufen und zu deuten. Geschmeidig ließ er sich auf den Boden gleiten und schloss wiederum die Augen. Er konzentrierte sich ganz auf sich selbst und sein Unterbewusstsein und stand nach einigen Minuten wieder in diesem Nebel, der stetig dunkler werdend um ihn herum waberte. Vorsichtig setzte er seine Schritte vorwärts, aber der Dunst um ihn ließ ihn nur wenige Meter sehen und verdeckte die Sicht auf das, was passieren sollte, wenn er es nicht verhinderte. Er versteifte seine gesamte Kraft darauf, bis sein Körper zu zittern begann, auch wenn er selbst das nicht wahrnahm. Und dann blitzte es wieder. Der Nebel vor ihm wurde aufgerissen und zog sich zu den Seiten zurück, sodass er jetzt sehen konnte, was dahinter war. Er blickte in das Innere eines ehemaligen Geschäftsgebäudes. Überall standen Palettenstapel und ausrangierte Regale, Kartons und Müll waren über den Boden verstreut. Dann sah er Skalany vor sich, wie sie sich durch einen Gang schob, die Waffe im Anschlag schlich sie langsam vorwärts. Hinter ihr tauchte plötzlich ein Mann mit einer Pistole auf, den sie allerdings nicht bemerkte. Peter wollte schreien, sie warnen, aber aus seinem Mund kam kein Ton. Und dann fiel der Schuss. Skalany wurde nach vorne gerissen und schlug auf den staubigen Beton, schnell breitete sich ihr Blut über die Wunde im Rücken aus und verfärbte ihre Kleidung. Sie hatte den Gangster nicht mal kommen sehen. Peter wollte in die Realität zurückkehren, seine Meditation aber hatte andere Pläne mit ihm. Der Blickwinkel schwenkte um und eröffnete ihm jetzt einen Mann mit einem Gewehr, der auf einer erhöhten Brüstung hockte und einen Streifenpolizist erschoss. Direkt im Anschluss richtete er seine Waffe neu aus und nahm jetzt Kermit ins Visier, der kurz darauf auch von einer Kugel getötet wurde. Dann endlich entließ ihn sein Geist wieder in die Gegenwart, wo Peter schweißüberströmt zu sich kam. Er hielt sich die Hand vor die Augen und rekapitulierte zunächst innerhalb von wenigen Sekunden, was er grade beobachtet hatte, ehe er hektisch aufsprang. Sein Gefühl verriet ihm, dass er sich beeilen musste, auch wenn er keine Ahnung hatte, wo das geschehen sollte. Aber er war überzeugt, dass ihn sein Shaolin-Instinkt führen würde, bis er angekommen war. Peter ging mit schnellen Schritten ins Wohnzimmer, wo Cat aufmerksam der Stereoanlage lauschte. "Süße, ich muss noch mal los!" "Wohin denn?", fragte sie erstaunt nach, schließlich hatten sie nach der Absage von Kermit einen schönen Fernsehabend verbringen wollen. "Ich hatte eine Vision. Ich kann dir jetzt nicht alles erklären, ich muss mich beeilen", sagte er und ging dann ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Seine Frau kam ihm nach und sah ihm besorgt zu. "Du MUSST, nicht wahr?", sagte sie leise und bedrückt, Peter konnte ihre Sorge spüren. Er nahm sich die Zeit zu ihr zu gehen und seine Hände sanft um ihre Schultern zu legen. "Ja, ich muss. Mach dir keine Sorgen, Schatz, ich pass auf mich auf!" "Was ist denn…?", versuchte sie erneut etwas aus ihm heraus zu bekommen, aber Peter winkte ab. "Ich erzähl es dir hinterher. Ich muss jetzt los", sagte er, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und schob sich dann an ihr vorbei, ängstlich stand sie im Flur und sah ihm nach. "Ich würde dich gerne aufhalten", sagte sie, als Peter an der Tür stand. Er drehte sich noch mal zu ihr um und gab ihr einen Blick, der genau besagte, dass es nun mal nicht ginge. "Ich liebe dich", war alles, was er ihr hinterließ, ehe er hinter der Haustür verschwand. Cat stand noch eine ganze Weile da und fragte sich, was wohl passiert war. Oder passieren würde. Zu gerne würde sie ihn anketten und verhindern, dass er sich immer wieder in die Gefahr stürzte, aber es ging nun mal nicht. Sie hatte dieses Leben mit ihm gewählt, und sie hatte gewusst, worauf sie sich einließ.
Das Kermit-Mobil und ein Streifenwagen hielten vor der angegebenen Adresse Lexington 4381. Bereits auf dem Revier hatten die zwei Detectives die fünf uniformierten Kollegen in den Fall eingewiesen und die Vorgehensweise besprochen. Es handelte sich um einen ehemaligen Supermarkt, der schon seit mehreren Jahren leer stand. Kermit hatte am Computer einen Grundriss abgerufen und ihn zusammen mit Skalany studiert, anschließend hatten sie ihre Taktik festgelegt. Auf dem Parkplatz vor der Fläche standen vier Fahrzeuge, zwei davon waren Broncos der Spiders. Da das Treffen bereits fünf Minuten zuvor angefangen hatte, konnten sie ziemlich sicher sein, dass alle schon drin waren und sie nicht von hinten überrascht wurden. Lautlos zog Kermit die Eingangstür auf und schlich sich dann ins Innere des Gebäudes, die anderen sechs Cops im Gefolge. Mit den üblichen Gesten deutete er ihnen an, sich aufzuteilen und einzeln durch die Reihen aus Regalen, Kisten und Paletten zu bewegen. Der frühere Söldner ging den äußersten Gang auf der linken Seite entlang, Skalany hatte den rechten, dazwischen bewegten sich die Streifencops. Ganz allmählich hörten sie Stimmen von mehreren Männern, noch vorsichtiger bahnten sie sich jetzt ihren Weg durch die Reihen. Skalany setzte achtvoll einen Fuß vor den anderen, ihre Augen waren starr geradeaus gerichtet. Noch konnte sie nicht sehen, was vor sich ging, sie hörte nur die langsam lauter werdenden Stimmen. Plötzlich hörte sie einen Schritt hinter sich, erschrocken fuhr sie herum. Vor ihren Augen fiel grade ein Spider in sich zusammen und blieb bewusstlos am Boden liegen. Völlig verblüfft sah sie sich um, um die Ursache zu finden, konnte aber nichts sehen. Mit zwei lautlosen Schritten ging sie zurück und nahm die Pistole an sich, dann schlich sie weiter. Auch Kermit war mittlerweile vorangekommen und überbrückte grade vorsichtig eine Kreuzung aus seinem und einem Quergang. Er hatte die anderen nicht sehen können, wusste also nicht, ob sie vor oder hinter ihm waren. Bald würde er Spencer und die Spiders sehen können müssen, ihre Stimmen klangen schon sehr nah. Die Desert Eagle im Anschlag ging er auf die nächste Ecke zu, hinter der er die Verdächtigen vermutete. Dann hörte er plötzlich einen lauten Schrei und sah einen von George Sings Leuten von der Brüstung fallen und hart aufschlagen. Sein erster Gedanke war, dass er sich nicht versichert hatte, ob da oben jemand saß, sein zweiter, welcher seine Leute sich unerlaubt nach oben bewegt hatte. Aber er hatte jetzt keine Zeit für ausschweifende Überlegungen, denn der Sturz des Mannes hatte die Versammlung gesprengt und die Aufmerksamkeit der Gangster eingefordert. Schnell hastete er ans Ende seines Ganges und erfasste die Situation mit einem weiten Blick. Die anderen Cops erschienen fast zeitgleich mit ihm auf der freien Fläche. Vor ihm hatten sich George Sing und Dean Spencer gegenüber gesessen, jeder Umgeben von einigen Leibwächtern. Hinter George stand Bobby und hielt Sally fest, eine Pistolenmündung an der Schläfe. Alle Gangster drehten sich jetzt zu ihnen um und die getrennten Gruppen standen jetzt wie eine Mauer vor den Cops. Sofort zogen sie ihre Waffen und schossen auf die Polizisten, die sich jetzt in Deckung brachten und die Schüsse erwiderten. Kermit ließ Sally nicht aus den Augen, die jetzt von Bobby hinter den umgeworfenen Tisch gezerrt wurde. Sofort setzte er sich in Bewegung und umrundete das Gefecht, sodass er jetzt hinter den Bösen stand und sich dem Spider mit der Geisel näherte. Skalany und die anderen Cops lieferten sich ein heftiges Feuergefecht mit den Gangstern. Schüsse peitschten nicht enden wollend durch die Halle, Kermit sah grade noch zwei Verbrecher angeschossen nach hinten fallen. Er aber musste sich zunächst um das Mädchen kümmern. Bobby erhob sich ein wenig und gab zwei Schüsse über die Tischkante ab, ehe er sich wieder versteckte, die Hand noch immer fest in Sallys Haar verkrallt. Von hinten schlich sich der ehemalige Söldner an die beiden heran, bis er direkt dahinter stand. Er holte weit aus und knallte dem Spider den Griff der Desert Eagle auf den Hinterkopf, sofort fiel er um und regte sich nicht mehr. Kermit hockte sich neben Sally und legte Bobby Handschellen an, dann nahm er das weinende Mädchen in den Arm. "Ganz ruhig, ich gehört zu den Guten!", sagte er und strich ihr übers Haar. Sally starrte ihn nur mit riesengroßen Augen an. "Du bleibst schön hier und bewegst dich nicht, ok?", wies er sie an, und nachdem sie genickt hatte, schlich er sich wieder vorwärts. Direkt vor ihm war Spencer, der sich schießend rückwärts bewegte und vermutlich zu seiner Tochter wollte. Zunächst verschaffte sich der Detective einen weiteren Überblick über die gesamte Situation. Skalany kniete auf George Sings Rücken und legte ihm Handschellen an, zwei uniformierte Kollegen waren damit beschäftigt, die Waffen der Angeschossenen außer Reichweite zu treten und die anderen drei befanden sich mittlerweile im Nahkampf. Zufrieden stellte er fest, dass sie diesen Kampf gewinnen würden, ehe er die Eagle wieder hochnahm und die Mündung hart gegen Spencers Hinterkopf presste, der sofort in der Bewegung erstarrte. "Denk nicht mal dran", warnte Kermit vor dem Versuch, die Waffe zu erheben. Der Dealer stieß einen unartikulierten Zorneslaut aus und ließ dann seine Pistole fallen, der Ex-Söldner konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Alles sicher!", sagte Skalany plötzlich laut. Beim nächsten Aufblicken stellte Kermit fest, dass tatsächlich die Gefechte aufgehört und die Gangster ausgeschaltet waren. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis sie alle Gangster in Handschellen gelegt und in einen angeforderten Transporter verfrachtet hatte. Anschließend standen die sieben Polizisten noch zusammen und beglückwünschten sich zu ihrer erfolgreichen Festnahme, die völlig ohne Verluste auf ihrer Seite abgelaufen war. Skalany blickte plötzlich aufmerksam in die Runde. Kermit bemerkte, dass sie jeden genau musterte, wusste aber noch nicht, was in ihr vorging. "Bei wem darf ich mich denn bedanken?", fragte sie schließlich. Fragend zog der frühere Söldner die Brauen zusammen, auch die fünf weiteren Cops sahen verwirrt aus. "Kommt schon, wer hat den Kerl hinter mir ausgeschaltet, bevor er mich erschießen konnte?", erklärte sie näher, was sie meinte. Aber noch immer blickten die anderen sie nur völlig unwissend an. Dann schaltete sich Kermit ein. "Und wer hat den Kerl auf der oberen Ebene fertig gemacht?", fragte er in die Runde, worüber er sich vorher nicht mehr wirklich Gedanken gemacht hatte. Wieder erntete er nur betretenes Schweigen und Schulterzucken. Dann trafen sich die Blicke der beiden Detectives des 101. Reviers und im selben Augenblick nickten sie einander zu und schmunzelten. Auf einen Schlag wussten sie, wer ihre Leben gerettet hatte, wer zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen war. "Irgendwann bring ich ihn dafür noch um", sagte Kermit im Scherz über Peters allgegenwärtige Rettungsaktionen. Dann ging er zusammen mit Skalany zur Corvair und fuhr zurück, das gute Gefühl im Bauch, Dean Spencer endlich hinter Gitter gebracht und Sally gerettet zu haben. * * * Peter sprang die Stufen zum Loft hoch und ging in den Flur, er hoffte innerlich, dass seine Frau schon im Bett war, damit sie seine Verletzung nicht sah, die er sich in dem leer stehenden Haus zugezogen hatte. Aber sein Plan schlug fehl, Cat kam sofort aus dem Wohnzimmer und sah ihn besorgt an. "Hey, Honey, alles klar? Geht's dir gut? Was war denn los?", überrumpelte sie ihn mit Fragen, dann entdeckte sie den blutigen Hemdärmel an Peters rechtem Arm und erschrak. "Um Gottes Willen, was ist denn passiert?", rief sie und kam auf ihn zu, um sich die Verletzung anzusehen, aber der Shaolin zog den Arm weg. "Ganz ruhig, Cat, es ist alles in Ordnung. Es ist nur ein Kratzer, Süße", beruhigte er sie und legte ihr seine Hände ums Gesicht. Sie wechselten für einige Sekunden einen intensiven Blick, der Cat spürbar ruhiger werden ließ. Dann schmunzelte sie. "Entschuldige, ich hab wohl überreagiert. Aber ansehen will ich mir das trotzdem!", sagte sie und zeigte auf Peters Arm. Der junge Mann nickte ergeben und ging dann mit ihr in die Küche, wo sie ihn anwies, ihr Hemd auszuziehen, während sie den kleinen Haushaltsverbandkasten holte. "Erzählst du mir jetzt endlich, was eigentlich los war?", fragte sie, während sie eine großzügige Portion Jod auf der etwa zehn Zentimeter langen Schnittwunde verteilte. "Ich hatte eine Vision von dem Einsatz von Kermit und Skalany heute Abend. Dabei sind sie in einen Hinterhalt gelaufen…" "Aber es ist alles gut, oder?", platzte sie sofort dazwischen und unterbrach für den Moment das Verbinden seines Arms. "Ja, es ist nichts passiert. Ich konnte zwei Angreifer ausschalten, die sich versteckt hatten, dabei hab ich mir im Kampf den Kratzer zugezogen", erklärte er. Cat zog die Brauen hoch. "Kratzer? Ein winziges Stückchen tiefer, und das müsste genäht werden", erläuterte sie ihm. Peter rollte abfällig die Augen, sagte aber nichts, weil er genau wusste, dass es in eine heillose Diskussion ausarten würde. "Ich hab mir Sorgen gemacht", sagte sie irgendwann leise, als sie den Verband mit einer Klammer fixierte. "Ich weiß, Süße. Aber ich musste mich beeilen. Ich hatte schon die ganze Zeit ein schlechtes Gefühl im Magen, schon als das Mädchen umgekippt ist. Jetzt weiß ich endlich, was es mir sagen wollte." "Und das rechtzeitig. Aber manchmal wünsche ich mir, dass du nicht der Held der ganzen Stadt bist", murmelte sie leise und schuldbewusst. Sie wusste, dass Peter keine Wahl hatte, es war seine Bestimmung, Menschen zu helfen. Und wenn er sich dafür selbst ständig in Gefahr brachte. "Manchmal wünsche ich mir das auch", sagte Peter und nahm ihre Hand. Mit der anderen hob er Cats Kopf und zwang sie sanft, ihm in seine völlig verständnisvollen Augen zu blicken. "Aber es ist nun mal mein Leben. Und ich tue es gerne, denn ich weiß, dass ich helfen und Leben retten kann", sagte er und blickte tief in ihre blauen Augen. "Und ich bin ja auch stolz auf dich und das, was du tust. Aber ich habe auch Angst, dass… dass ich dich irgendwann verliere", murmelte sie. Eine einzelne Träne rollte ihre Wange entlang. Peter wischte sie mit seinem Daumen weg. "Hey Süße, ganz ruhig. Ich bin doch hier", versuchte er sie zu beruhigen. "Aber ich weiß nie, wie lange du noch bei mir bist. All das… das Schlimme was passiert. Gaverton, Dr. Messer, die ganzen… dunklen Mächte… manchmal weiß ich nicht, ob ich das wirklich durchstehe", wisperte sie in seine Hand. Peter stand auf, ohne seine Finger von ihrer Haut zu nehmen und kam um den Tisch herum, um sie fest in den Arm zu nehmen. "Schhh, Süße", flüsterte er leise, während ihr Körper in seinem Arm zitterte. Nur langsam beruhigte sie sich wieder. Nach einer Weile zog sie sich aus Peters Umarmung und wischte sich verlegen die Tränen weg. "Entschuldige", sagte sie und versuchte ein Lächeln. Der Shaolin merkte, dass ihr der Ausbruch jetzt, da sie sich beruhigt hatte, absolut peinlich war. "Du musst dich nicht entschuldigen", sagte Peter sanft. Cat gab ein dankbares Lächeln zurück. "Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Manchmal überkommt es mich einfach so", sagte sie matt. Peter blickte sie forschend an, er war sich nicht sicher, ob sie wirklich wieder so stabil war, wie sie sich gab. "Es ist wirklich wieder gut", las sie diesmal seine Gedanken. Peter setzte sich neben sie und legte den Arm um ihre Schulter. "Wirklich?", hakte er nach. Cat nickte und grinste mit einem Mundwinkel. Sie konnte es nicht beschreiben, woran es lag, aber nachdem sie die Worte ausgesprochen hatte und für ein paar Sekunden zusammengebrochen war, ging es ihr tatsächlich besser. Jetzt war es wieder alles nicht mehr so schlimm, jetzt musste sie schon über sich selbst lachen. Sie blickte ihrem Mann tief in die Augen, um ihm ganz genau zu zeigen, dass sie wieder im Lot war. Peter gab ihr einen innigen Kuss. Manchmal wusste er nicht, ob sie oder ob er verrückt war. Aber genau dafür liebte er sie so sehr, weil sie ihn immer wieder überraschen konnte und mit ihm zurecht kam, mit all seinen Macken und Heldenallüren. Zumindest meistens.
|
Teil 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 zurück zum Autoren Index zurück zum Story Index
|