Teil 16
Autor: Ratzenlady
 

Kapitel 28

Annie hörte den Schlüssel im Schoss und sprang vom Sofa auf.

"Paul?", rief sie sofort und eilte in den Flur, eine Hand an der Wand entlang führend.

"Ja, ich bin es Liebling", sagte ihr Mann mit müder Stimme, sofort verstärkte sich ihre Sorge noch. Zudem konnte sie deutlich an den Schritten hören, dass nur eine Person durch die Tür kam.

"Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung? Was ist mit Kermit?", schoss sie sofort los und nahm seinen Arm.

"Ganz ruhig, Annie, lass mich doch erstmal reinkommen", entgegnete er erschöpft und schob sie dann wieder zurück ins Wohnzimmer.

Er setzte sich zusammen mit seiner Frau aufs Sofa, die sich weigerte, ihn loszulassen, zu groß war die Angst in den letzten 48 Stunden gewesen. Stunden, die Paul nie wieder vergessen würde.

"Also, was ist passiert? Bist du verletzt? Wo ist Kermit?", überschüttete sie ihn wieder mit Fragen, Paul aber fuhr sich zunächst übers Gesicht und legte dann seine Hand auf ihre, um sie zu beruhigen.

"Ich bin müde. Ich bin fix und fertig. Aber ich bin unverletzt." Annie atmete erleichtert auf. "Nun zu der schlechten Nachricht: Kermit ist noch immer dort."

"WAS?", fragte sie entsetzt, er klopfte ihre Hand.

"Ich konnte ihn aus dem Schlamassel rausholen, in dem er steckte. Aber er war nicht dazu zu bewegen, mit zurück zu kommen. Er ist noch nicht soweit", sagte Paul leise und fuhr sich abermals über die müden Augen.

Annie seufzte schwer neben ihm. "Ich hab es fast schon befürchtet. Herrgott, warum ist er nur so stur?", sagte sie verbittert.

Paul stimmte ihr murmelnd zu, aber er hatte alles probiert, um ihn zu überzeugen, hatte alle Karten ausgespielt. Aber Kermit hatte sich nun mal strikt geweigert.

"Peter möchte, dass du wir uns melden, wenn du wieder da bist. Aber die Nachrichten werden ihm nicht gefallen", sagte sie nach einem Moment leise.

"Du hast es ihm erzählt?", schoss er erstaunt, auch ein wenig ärgerlich, hervor.

"Das musste ich nicht, er ist von allein drauf gekommen, als du nicht da warst. Ich glaube er ist wütend, weil du ihm nicht Bescheid gesagt hast."

"Auch er hätte ihn nicht überzeugen können", entgegnete Paul, es passte ihm nicht wirklich, dass sein Verschwinden ausgerechnet von Peter bemerkt worden war. Aber Annie konnte er keinen Vorwurf daraus machen, was hätte sie ihm sonst sagen sollen. Zudem der Shaolin in seinem Pflegesohn eine Lüge schnell erkennen konnte.

"Sag du ihm das", war die Antwort seiner Frau.

Paul seufzte, eigentlich wollte er sich nur hinlegen und schlafen, die Stunden im Flugzeug waren nicht wirklich erholsam gewesen, aber Peter würde ihm das sehr übel nehmen, das war ihm klar.

"Ich fahr zu ihm", entschied er sich und erhob sich wieder vom Sofa, um noch mal aufzubrechen. Annie nickte nur und folgte ihm mit ihrem Gehör, bis die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.

*

Langsam betrat Paul die stille Wohnung seines Ziehsohnes und dessen Frau. Es war ungewöhnlich leise, und ihn beschlich die Hoffnung, dass er das Gespräch etwas aufschieben konnte, denn es war ziemlich voraussehbar, dass Peter überhaupt nicht erbaut über die Nachrichten sein würde, die er für ihn hatte.

"Peter? Castor?", rief er in den Loft. Es dauerte zwei Sekunden, dann öffnete sich die Wohnzimmertür und der Shaolin erschien darin.

"Paul! Was zur Hölle ist passiert? Warum hast du mir nicht Bescheid gesagt? Wo ist Kermit? Geht es ihm gut?", überschüttete auch er ihn Fragen. Cat erschien jetzt hinter ihm und ihr Blick verriet, dass sie mit Peter übereinstimmte, was die Neugier betraf.

"Du bist ja genauso wie Annie! Lass mich doch erstmal reinkommen", knurrte er seinem Sohn entgegen.

Peter fuhr sich ungeduldig durch die Haare, Cat verzog entschuldigend den Mund. "’Tschuldige. Ja, natürlich. Kaffee?", fragte der Shaolin fahrig.

Paul nickte und folgte den beiden Caines in die Küche, wo Cat sich umgehend an der Kaffeemaschine zu schaffen machte, während die Männer sich schon an den Tisch setzten. Erwartungsvoll blickte Peter Paul in die Augen.

"OK, ok. Ich hab einen Anruf bekommen, dass Kermit in Schwierigkeiten steckt. Also bin ich hingeflogen und habe ihn rausgeholt", sagte der frühere Captain knapp, auch wenn er wusste, dass er sich damit nicht aus der Affäre ziehen konnte.

"Und wo ist er jetzt? Wie geht es ihm?", hakte Peter sofort weiter nach.

Paul atmete tief durch, und setzte dann zu einer Antwort an. "Er ist immer noch dort."

"Er ist WAS?", sagte Peter völlig fassungslos, während seine Frau die Luft einzog und skeptisch ihren Schwiegervater anstarrte.

"Du hast ihn nicht zurück gebracht? Du hast ihn einfach dagelassen?", wetterte Peter jetzt entsetzt.

Cat stand wortlos auf und schenkte drei Tassen mit Kaffee ein, die sie an den Tisch brachte und sich wieder setzte.

"Ganz ruhig Peter, lass mich doch…"

"Ich kann nicht glauben, dass du ihn dagelassen hast! Ihm ist doch sicherlich irgendwas passiert, sonst hätte dich niemand angerufen… und… und… du lässt ihn einfach zurück!", donnerte der Shaolin und stand auf, um hin und her zu laufen und seinen Pflegevater vorwurfsvoll anzusehen.

"Wenn du mich ausreden lassen würdest, könnte ich es dir erklären!", sagte Paul und sah ihn streng an.

Peter seufzte schwer und setzte sich dann wieder, aber sein Adrenalinpegel war nach wie vor hoch. Zu viele Fragen kreisten jetzt in seinem Kopf, zu viele Vorwürfe, von denen er gar nicht wusste, ob sie berechtigt waren. Aber in diesem Zustand fiel es ihm schwer, geduldig zu warten, bis Paul sich erklärt hatte.

"Also gut, schieß los", sagte er leise.

Paul sah ihn lange an, innerlich aber fragte er sich, wie viel Wahrheit er Peter erzählen wollte. Noch war er nicht sicher, ob er dem jungen Mann wirklich alles mitteilen wollte, denn die Reaktion konnte er sich bildlich vorstellen.

"Kermit ist in Gefangenschaft geraten, aber ich konnte ihn rausholen. Aber er hat sich strikt geweigert, mit mir zurück nach Hause zu kommen. Er wollte dort bleiben", sagte er und wartete auf eine Antwort auf seine Worte.

Peter sah ihn nachdenklich und forschend an, so als prüfte er, ob er angelogen wurde oder nicht.

"Konntest du ihn denn nicht überreden?", fragte Cat jetzt ruhig und versöhnlich.

Noch immer haftete Peters Blick an Pauls Augen, langsam fühlte sich der frühere Söldner ein wenig bedrängt.

"Nein, das konnte ich leider nicht", flüsterte Paul jetzt und nahm einen Schluck aus seiner Tasse.

"Und in welchen Schlamassel ist er geraten? Wie geht es ihm? Ist er verletzt?", schaltete sich Peter wieder ein.

Paul schluckte einmal kurz und legte sich seine Antwort zurecht, ehe er sie aussprach.

"Er wurde gefangen genommen, das habe ich doch schon gesagt. Und es geht ihm den Umständen entsprechend gut", sagte Paul schwammig, aber Peters geraffte Stirn zeigte ihm, dass er Lunte gerochen hatte.

"Welche Umstände?", hakte er sofort skeptisch nach.

"Sie haben ihn ein wenig in die Mangel genommen", untertrieb er, aber irgendetwas in ihm wehrte sich dagegen, Peter und Cat zu erzählen, wie heftig es ihren Freund erwischt hatte.

"Paul?", sagte Peter und starrte noch immer eindringlich in seine Augen, er ahnte, dass sein Pflegevater ihm nur die halbe Wahrheit erzählte, und die Volle eigentlich gar nicht rauslassen wollte.

Cat blickte völlig verwirrt von einem zum anderen, ihr hatte schon jetzt gereicht, was Paul erzählt hatte; aber jetzt schien es, als gäbe es eine bestimmte Unterschwelligkeit zwischen den Männern, die ihr entging.

"Du gibst keine Ruhe, was?"

"Nein", entgegnete Peter bestimmt und beobachtete Paul, der ertappt den Kopf senkte und zunächst noch einen Schluck Kaffee trank.

"Er ist verletzt, ok? Sie haben ihn ziemlich heftig bearbeitet, aber er lebt", sagte Paul jetzt grimmig, er wollte es einfach nicht erzählen, auch ihm tat es weh, dass er Kermit in dieser Verfassung zurücklassen musste.

Peter und Cat starrten ihn jetzt mit großen Augen an, aber der Blick des Shaolins verriet, dass er sich den Informationen noch immer nicht ergeben würde. Paul wechselte den Blick zwischen den beiden und sah dann seinen Sohn wieder eindringlich an. Er wollte ganz besonders seiner Schwiegertochter die Details nicht antun. Auch Peter schien das jetzt zu verstehen. Und Cat bemerkte den Blickwechsel.

"Ich glaube mir reicht das schon. Wenn ihr da noch näher drauf eingehend wollte, bitte. Ich zieh mich zurück", sagte sie langsam.

Von Gewalt und Folter hatte sie schon genug, da brauchte sie keine näheren Beschreibungen. Hauptsache war, dass Kermit lebte, mehr wollte sie gar nicht wissen und sich vorstellen müssen. Die zwei Männer sahen ihr nach, bis sie den Raum verlassen hatte, dann wandte sich Pete wieder seinem Ziehvater zu.

"OK, also was haben sie mit ihm gemacht?", fragte er ernst.

"Peter…"

"Verdammt Paul, sag es mir einfach! Ich will es wissen!", unterbrach er hitzig.

"Sie haben ihn gefoltert! Sie haben auf ihn eingeschlagen und ihm Nadeln unter die Fingernägel gerammt! Und er hat eine Schusswunde in der Brust! Bist du jetzt zufrieden?", antwortete Paul im selben, harten Tonfall.

Peter riss geschockt die Lider auf. "Ach du Scheiße", entwich es ihm, ohne dass er drüber nachgedacht hatte. Besonders die Stelle mit den Nadeln hatte ihm Gänsehaut bereitet.

"So, jetzt weißt du's!", setzte Paul noch obendrauf.

Peters Blick war für einen Moment noch wie erstarrt, dann aber verfinsterte er sich wieder. "Und dann lässt du ihn da? Wenn es ihn so heftig erwischt hat?" sagte er entgeistert.

Paul verdrehte die Augen. "Was hast du daran nicht verstanden: Er wollte nicht mit! Ich konnte ihn ja schlecht zwingen!", entgegnete er aufgebracht.

Peter aber schlug nur mit der flachen Hand auf den Tisch. "Verdammt, du konntest ihn doch nicht dort lassen!"

Ein Hauch Verzweiflung schwang jetzt auch in der Stimme des Shaolins mit, Paul erwiderte seinen Blick diesmal verständnisvoll.

"Es ist hier leider nicht wie beim A-Team, wo ich ihm eins überbrate und ihn dann ins Flugzeug zerre, wenn er nicht fliegen will. Er war nun mal nicht zu überzeugen. Meinst du nicht, dass ich mir nicht auch Sorgen mache? Ich hätte ihn gerne gepackt und ins Flugzeug geschleppt, aber du kennst ihn doch. Wenn er nicht will...! Es war keine Überreaktion, ok? Ich hab es in seinen Augen gesehen. Es war nichts zu machen." Sein Tonfall war jetzt versöhnlich.

Peter nickte ergeben, aber die Beschreibungen von Paul, was sie Kermit angetan hatten, ließen ihn innerlich erschaudern. Er wusste selbst genau, wie es war, gefoltert zu werden, wie höllisch die Schmerzen im Fleisch brannten, wie es den Geist vernebelte, wie man sich irgendwann wünschte, sterben zu dürfen. Er atmete tief durch und vertrieb die Wut aus seinem Geist, tief drin wusste er, dass Paul Recht hatte. Wenn Kermit nicht mit wollte, was er sich durchaus vorstellen konnte, dann hätte ihn keiner dazu bewegen können.

"Danke, dass du ihm das Leben gerettet hast", flüsterte Peter und starrte in seine halbvolle Kaffeetasse, jetzt hatte er ein schlechtes Gewissen seinem Pflegevater gegenüber und konnte ihm nicht in die Augen sehen. Mal wieder war sein Temperament mit ihm durchgegangen, bevor sich die ganze Geschichte angehört hatte.

"Ich würde es jederzeit wieder tun", sagte Paul und legte seine Hand auf die des jungen Mannes, den er großgezogen hatte.

Endlich sah Peter auf und blickte ihm in die Augen, die absolutes Verständnis für seine Reaktion zeigten. Dann erhob sich der Ex-Captain wieder.

"Entschuldige mich, aber ich bin hundemüde. Ich will jetzt erstmal nur schlafen, vielleicht sieht die Welt ja morgen früh ein bisschen besser aus."

"Mach das. Grüß Mom von uns, ja? Und danke, dass du vorbei gekommen bist", sagte Peter zum Abschied und erhob sich ebenfalls.

Er hatte keine große Hoffnung, dass Pauls Wunsch sich erfüllte und die Welt sich erhellen würde, schließlich würde sein bester Freund, der sich schwerverletzt irgendwo durch den Dschungel kämpfte, morgen seinen Job verlieren.

Der Shaolin trat an das große Fenster und starrte hinaus, irgendwo in den Himmel, als seine Frau von hinten auf ihn zu trat und die Arme um seinen Bauch legte, den Kopf zwischen seine Schulterblätter angelehnt.

"Ich will gar nicht wissen, was genau ihm passiert ist, oder?", fragte sie vorsichtig.

Peter schüttelte den Kopf, ohne den Blick vom Horizont abzuwenden. "Nein, ich glaube nicht", sagte er nur knapp, was Cat absolut reichte.

Das Letzte, was sie jetzt brauchte, waren Bilder davon in ihrer Vorstellung, was man alles mit Kermit gemacht hatte. Allein die Aussage, dass man ihn gefoltert hatte, war schon schlimm genug gewesen; es machte ihr Angst und tat weh, und ihre Sorge stieg ins Unermessliche.

* * *

Es war halb zehn Mittwochmorgen. Die Cops des 101. Reviers in Chinatown hatten sich alle eingefunden und warteten auf ihren neuen Captain Bruce Monahan. Vielmehr aber warteten sie auf das Wunder, dass ihr Kollege Kermit Griffin doch noch rechtzeitig in der Tür erschien.

Chief Strenlich stand an der Diensttafel und beobachtete die unsicheren Gesichter. Er hatte an diesem Morgen schon mit Paul Blaisdell telefoniert, der ihm mitgeteilt hatte, dass Kermit nicht kommen würde. Aber diese Information hatte er nicht an die Detectives weitergegeben, und er würde sie auch nicht dem neuen Captain geben. Vielleicht, weil er selbst noch Hoffnung auf ein Wunder hatte, vielleicht weil er die Hoffnungen der anderen nicht zerstören wollte. Er wusste es selbst nicht so genau.

Aber er wusste, dass auch er einen Teil der Schuld daran trug, wenn Kermit jetzt seinen Job verlieren sollte. Schließlich hatte er ihm den unbestimmten Urlaub eingeräumt, hatte er den Unmut im Department verursacht. Hätte er seinem Detective einige Wochen eingetragen, irgendeine fiktive Zahl, hätte er ihm mehr Zeit geben können, um sich zu sammeln und zurück zu kommen. Aber dafür war es jetzt zu spät, seine Vorgesetzten hatten Wind davon bekommen und er konnte nichts mehr daran ändern. Leider.

Die Gespräche, Vermutungen und Ängste dem neuen Captain gegenüber, wurden überwiegend im Flüsterton geführt, die Arbeit ruhte aktuell. Normalerweise wäre es sein Job gewesen, sie jetzt zurecht zu weisen und ihnen zu sagen, dass sie gefälligst weiterarbeiten sollten, Captain hin oder her, aber diese Situation war nicht normal. Sie bekamen keinen neuen Vorgesetzten, weil der alte in Rente gegangen war, so wie Paul, sondern weil ihr Captain erschossen worden war; von einem Ex-Cop ihres Reviers.

Sie hörten alle die schwere Schwingtür, starrten zum Eingang und hofften, Kermit zu sehen, wurden aber enttäuscht. Ein grauhaariger Mann erschien dort, er trug einen schwarzen Anzug und eine Sonnenbrille, die er aber in diesem Moment abnahm und in seiner Hemdtasche verstaute.

Sie musterten ihn, während er sich seinen Weg durch die Schreibtische bahnte und dann bei Strenlich vor der Tür seines zukünftigen Büros stehen blieb. Die beiden Männer gaben sich die Hand und unterhielten sich kurz leise, ehe der Chief seinem neuen Boss ein Klemmbrett überreichte und dieser sich damit den Cops zuwandte.

"Officers und Detectives, ich bin Captain Monahan und wurde vom Department als ihr neuer Vorgesetzter eingesetzt. Aber zunächst möchte ich ihnen mein Beileid für den Tod von Captain Simms aussprechen."

Die Cops nickten, dann wechselten sie wieder Blicke, der Captain schien gar nicht so verkehrt zu sein, wenn man von dieser Geste ausgehen konnte. Aber trotzdem war es ihnen allen sauer aufgestoßen, dass er Kermit feuern würde, wenn er nicht in den nächsten Minuten auftauchte.

Skalany drehte sich kurz zur Tür, konnte aber niemanden entdecken. Jody hatte dieselbe Bewegung gemacht, mit demselben traurigen Ergebnis; ihr Kollege und Freund war nicht da.

"Ich werde zunächst die Anwesenheit der Officers überprüfen, dann die der Detectives. Wer aufgerufen wird, meldet sich mit einem deutlichen 'Hier'. Im Urlaub befindliche und kranke Beamte lasse ich aus", sagte Monahan und blickte auf das Klemmbrett.

Er las nacheinander die Namen aller uniformierten Cops des Reviers vor, die sich jeweils laut meldeten. Immer schaute der Captain kurz hoch, sah den Cop an und versuchte, sich das Gesicht zu merken, ehe er zum nächsten kam.

Die Kopfdrehungen und Blicke zur Tür passierten nun in immer kürzeren Abständen, Kermits Zeit lief allmählich ab. Monahan rollte das erste Blatt über das Brett und kam dann zu der Liste der Detectives.

"Blake", begann er, und konnte nur den männlichen Detective mir diesem Namen meinen, da Kelly aktuell Urlaub hatte.

"Hier", erwiderte der und drehte sich auch wieder zur Tür. Sie alle wechselten verzweifelte Augenaufschläge, denn der nächste auf der alphabetischen Liste war Kermit; und er war nicht da.

"Griffin", las der Captain vor und seine Augen wanderten nun wesentlich aufmerksamer über die Mannschaft, denn auch er wusste, dass es sich dabei um den Cop handelte, der mit dem früheren Captain ein Verhältnis hatte und seit ihrem Tod unauffindbar war.

Stille überkam das Revier, sie alle hatten gehofft und gebangt, dass er wiederkam, dass er es rechtzeitig schaffte, dass er weiter einer von ihnen bleiben würde. Aber jetzt war es zu spät, er hatte die Deadline nicht geschafft.

Ihre Hoffnungen hatten sich nicht erfüllt.
Es war vorbei.

***

Peter Caine stand auf dem Balkon und starrte über die Stadt. Er war sich der Uhrzeit bewusst, und er wusste was in diesem Moment mit höchster Wahrscheinlichkeit grade auf seiner ehemaligen Arbeitsstätte passierte: Sein bester Freund verlor seinen Job und damit einen Grund, wieder nach Hause zu kommen.

Ein leichter Wind kam auf, und er hörte das zarte Flötenspiel seines Vaters darin, das ihn beruhigen wollte, da war er sich sicher. Aber diesmal funktionierte es nicht, es gab ihm nicht die Ruhe, die er in diesem Augenblick gerne fühlen wollte. Diesmal waren die Anstrengungen des Shambala-Meisters, seinem Sohn aus der Ferne zu helfen, leider vergeblich.

Traurig und aufgewühlt lauschte er in den Wind, unfähig sich selbst zur Ordnung zu rufen, sich sein Gleichgewicht zurückzuholen. Er stand hier und war völlig hilflos, denn er hatte es nicht geschafft, Karen und Kermit zu helfen. Karen hatte dadurch den Tod gefunden, und Kermit war nur knapp daran vorbeigeschrammt. Dieses Mal.

 

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