Kapitel 1
Autor: Fu-Dragon

 

Kermit und Jody prosteten sich mit ihren Kaffeetassen zu.

"Ich sehe noch immer Richards dummes Gesicht vor mir, als du den Haftbefehl aus der Tasche gezogen hast, Kermit", lachte Jody ausgelassen.

"Der Kerl kann froh sein, dass er sein Gesicht noch hat", brummte Kermit, während er sich gemütlich gegen die Sitzbank lehnte.

Die Verhaftung Dave Richards war schnell und ohne Probleme über die Bühne gegangen. Er war von ihrem plötzlichen Auftauchen so überrascht gewesen, dass er nicht einmal Gegenwehr geleistet hatte. Endlich konnte diese Akte geschlossen werden. Ein Dealer weniger auf der Strasse, der seinen Stoff verkaufte.

Um den kleinen Sieg zu feiern, hatten Kermit und Jody sich dazu entschlossen, einen schnellen Abstecher in die Kaffeebar zu machen, bevor sie zum Revier fuhren, um den ungeliebten Papierkram zu erledigen.

Jody schaute auf die Uhr. "Oh, ich fürchte, wir sollten uns langsam auf den Weg machen, Kermit. Ich möchte nicht dem Captain erklären müssen, warum wir nach vollbrachter Tat so lange zum Revier gebraucht haben", meinte sie und erhob sich aus ihrer Nische.

Kermit nickte zustimmend, stellte seinen leeren Kaffeebecher auf den Tisch und tat es Jody gleich. Nachdem er bezahlt hatte, folgte er seiner Partnerin ins Freie. Kurz darauf fädelte sich Kermit in den dichten Feierabendverkehr von Sloanville ein.

"Wenn du das Blaulicht anmachen würdest, kämen wir schneller voran als nur Stop and Go", beschwerte sich Jody.

Kermit schüttelte missbilligend den Kopf und entgegnete in einem tadelnden Tonfall: "Jody, Jody, Jody, du weißt doch, dass die Sirene nur in einem Notfall angemacht werden darf."

"Na komm schon, Kermit. Du willst mir doch nun nicht weis machen, dass du dich immer an die Vorschriften hältst. Gib schon zu, dieser Verkehr geht dir ebenso auf die Nerven wie mir."

Kermit warf Jody einen undefinierbaren Seitenblick zu. "Übertreibe es nicht, sonst endest du noch als Kühlerfigur auf meinem Wagen und kannst von dort aus den Verkehr regeln", warf er in einem leichten Ton ein.

Jody zuckte nur die Achseln. Selbst Kermits flapsige Bemerkungen konnten ihr ihre Laune nicht verderben.

"Okay, du hast gewonnen, ich bin ja schon ruhig", erwiderte sie mit einem breiten Grinsen.

Kermit konnte sich ein, 'Braves Mädchen' nicht verkneifen, was Jody erneut zum Lachen reizte.

Innerlich verdrehte Kermit die Augen. Er hatte wirklich nichts gegen Jodys gute Laune einzuwenden, immerhin war er heute ausnahmsweise auch guter Stimmung nach dem Coup, den sie da gelandet hatten. Doch, dass sie sich nun dermaßen albern benahm, das ging ihm schon wieder auf die Nerven.

*Frauen*, dachte er, *die soll mal einer verstehen.*

Die nächsten Minuten verbrachten die beiden in kameradschaftlichem Schweigen. Mittlerweile war der Verkehr noch wesentlich dichter geworden, so dass sie kaum noch voran kamen. Jody schaute gelangweilt aus dem Fenster in der Hoffnung, den Grund für den nun wirklich mehr als zäh fließenden Verkehr zu entdecken, während Kermit sich auf die Strasse konzentrierte. Sie befanden sich kurz vor der nächsten Kreuzung, als Jody plötzlich von ihrem Sitz auffuhr und den Hals lang machte.

"Hey Kermit, ich denke, ich habe den Grund für den Stau. Da drüben", sie deutete mit dem Finger in die Richtung, "scheint es einen Unfall gegeben zu haben. Ich kann noch keine Rettungsfahrzeuge ausmachen, scheint gerade eben erst passiert zu sein."

Jody stutzte einen Moment während sie sich halb aus ihrem Sitz lehnte, um besser sehen zu können.

"Uh...ich, ich denke, eines der beteiligten Fahrzeuge ist Caras Wagen."

Kermit, der die Corvair schon in die von Jody beschriebene Richtung gelenkt hatte, schaltete sofort das Blaulicht ein. Dennoch dauerte es eine gute Weile, bis die Autos vor ihnen in der vollgestopften Straße so weit Platz gemacht hatten, dass sie sich durchquetschen konnten.

Je näher sie der Unfallstelle kamen, desto mehr zog sich Kermits Magen zusammen. Ohne Zweifel war es Caras Wagen, der in einen Unfall mit einem schwarzen Rover involviert war.

Bei dem Rover war die gesamte Vorderfront eingedrückt, er musste Frontal auf Caras Wagen geprallt sein, der sich auch in einem verheerendem Zustand befand. Ebenso wie bei dem Rover, war an ihrem Wagen die gesamte Motorfront eingedrückt und auch die Beifahrerseite schien sehr gelitten zu haben. Mehr konnte er im Moment nicht erkennen.

Eine Menschentraube hatte sich um die beiden Fahrzeuge gebildet, so dass der angespannte Detective nicht ausmachen konnte, wo sich Cara und der andere Fahrer befanden. Der Verkehr auf dieser Straße war zum Stillstand gekommen. Zum einen wegen dem Rover, der noch immer halb auf der Kreuzung stand, als auch wegen der Schaulustigen.

Kermit spürte, wie ihm eiskalt bei dem Gedanken wurde, was er hier vorfinden würde. Kaum hatte er den Wagen mit quietschenden Reifen zum Halten gebracht, sprang er heraus. Jody kam so schnell nicht hinterher.

In der Ferne war das Heulen der Sirenen der Ambulanz, der Polizei und auch der Feuerwehr zu vernehmen, doch das kümmerte Kermit wenig. Er zückte seinen Ausweis und bahnte sich fast brutal einen Weg durch die Menschenmenge.

"Machen sie Platz, Polizei!", raunzte er die Schaulustigen an, die einfach nicht von der Stelle weichen wollten. Jody, die inzwischen zu Kermit aufgeschlossen hatte folgte ihm dichtauf.

Endlich hatten sich die beiden bis zum Geschehen vorgekämpft. Im ersten Moment blieben sie wie erstarrt stehen, mussten erst einmal verdauen, was sie hier sahen. Auf der gesamten Kreuzung lagen Wrackteile und Glassplitter verteilt. Es sah aus, wie auf einem Schlachtfeld.

Jody schlug entsetzt die Hand vor den Mund und flüsterte: "Oh mein Gott."

Beide erkannten mit einem Blick, dass dem Mann in dem Rover nicht mehr zu helfen war, den zwei Passanten auf die Straße gezogen hatten. Eine große Blutlache hatte sich um seinen Kopf gebildet. Er musste mit der Stirn gegen die Windschutzscheibe geknallt sein, an der halb angetrocknetes Blut klebte wie Kermit mit einem schnellen Blick erkannte. Die Augen blickten starr und vollkommen leblos in dem zerschlagenen Gesicht des Fahrers, sofern man es noch als solches erkennen konnte.

Gewaltsam riss Kermit den Blick von der leblosen Gestalt los. Er erholte sich schneller als Jody und bellte seine Anweisungen: "Du kümmerst dich darum, dass die Hilfsfahrzeuge hier durchkommen können. Ich sehe nach Cara. Und ihr", er wandte sich an die umstehenden Passanten, die alle in absurder Faszination das Ganze beobachteten, "macht ganz schnell, dass ihr hier weg kommt, bevor ich jeden einzelnen von euch ins Gefängnis werfe."

Seiner Autorität hatten die Passanten nichts entgegen zu setzen, widerwillig und langsam entfernten sie sich von dem Schauplatz des Geschehens.

Kermit beeilte sich an die Stelle zu gelangen, an der Caras Wagen, zumindest das, was noch davon übrig war, stand. Das ganze Geschehen hatte nur wenig Sekunden gedauert, doch Kermit kam es wie eine Ewigkeit vor, bis er das Autowrack erreichte.

Zwei Männer waren damit beschäftigt, sich um eine zierliche Gestalt zu kümmern, die zwischen ihnen stand, und sich gegen die beiden Männer zu wehren schien. Er erkannte, dass es sich bei der Frau tatsächlich um Cara handelte.

Mit zwei schnellen Schritten war er bei ihr, die Aufmerksamkeit vollkommen auf sie gelenkt. Die beiden Männer schob er einfach zur Seite. Wenigstens stand sie von alleine, da konnte es sie nicht so schlimm erwischt haben.

"Cara, Mädchen. Alles in Ordnung mit dir?", erkundigte sich Kermit besorgt.

Cara ließ die Hand sinken, die sie noch eben abwehrend erhoben hatte und hob den Kopf. Weit aufgerissene, trübe Augen voller Entsetzen und Horror schauten zu ihm auf.

"K.. Kermit?", stotterte sie.

Der Detective betrachtete Cara eingehend, die unwillkürlich einen Schritt auf ihn zugetat. Außer ein paar leichten Schnittwunden am Hals und an den Armen konnte er keine, zumindest äußerliche, Verletzung bei ihr fest stellen. Erleichterung durchflutete ihn. Er legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter.

"Ja, ich bin es Cara. Es ist alles in Ordnung, du hast nur einen Schock. Hast du Schmerzen, tut dir etwas weh, siehst du verschwommen?", erkundigte er sich.

Cara ging gar nicht darauf ein, sie konnte ihn nur weiterhin mit großen, schreckgeweiteten Augen anstarren.

"K...Kermit. S...sie w...wollen mich nicht zu P...Peter lassen", wisperte sie.

"Peter?"

Eisiger Schreck durchzuckte den ehemaligen Söldner. Er hatte den Männern, die an der Beifahrerseite des Wagens standen, keinerlei Aufmerksamkeit gezollt. Cara wurde fürs Erste zur Nebensache degradiert. Kermit drehte sich auf dem Absatz herum und hechtete zum Wagen.

"Jody, komm sofort hierher!", schrie er, um die lauter werdenden Sirenen der Einsatzfahrzeuge zu übertönen. Im Moment hatte er keine Zeit, sich um Cara zu kümmern, das sollte Jody für ihn übernehmen. Peter war jetzt viel wichtiger.

Die Männer, einer davon mit einem Brecheisen gewaffnet, traten respektvoll zurück aufgrund Kermits Körperhaltung. Der Detective spürte Übelkeit in sich aufsteigen, als er die total verkeilte, von den erfolglosen Versuchen sie aufzuhebeln, verkratzte und deformierte Beifahrertüre erreichte und durch die zersplitterte Scheibe in den Innenraum schaute.

Im gesamten Innenraum des Wagens lagen die Glassplitter verteilt. Ein relativ großes Glasstück steckte in Peters Schulter, so dass die Wunde nicht einmal blutete, dafür aber all die anderen kleineren Schnitte. Der massige Motorblock hatte sich fast ganz bis in den Fahrerraum geschoben. Ein ungefähr 50 cm langes Metallstück hatte sich aus dem Motorblock gelöst und sich tief in Peters Linke Seite gebohrt. Blut quoll in dicken Strömen aus der Wunde. Peter Kopfs war weit nach hinten gesackt, die Augen waren fest geschlossen. Nur schwach konnte Kermit das Heben und Senken seiner Brust ausmachen. Zumindest lebte er, es war nur die Frage wie lange noch. Man musste kein Arzt sein, um zu erkennen, in welch Lebensgefährlicher Situation sich der junge Mann befand.

In einem aussichtslosen Unterfangen, seinem Freund zu helfen rüttelte Kermit an der Türe, die keinen Millimeter nachgab. Sein Blick irrte zum gegenüberliegenden Fenster, durch das man Cara gezogen haben musste, denn die Türe war auch dort verkeilt. Keine Chance für einen erwachsenen Mann durch das Fenster einzusteigen. Die Öffnung war gerade groß genug, dass die Helfer die zierliche Cara dort heraus holen hatten können.

Ein erstickter Laut zu seiner Linken ließ ihn herum fahren. Es war ihm nicht bewusst gewesen, dass Cara ihm gefolgt war. Nun stand sie vollkommen entsetzt neben ihm, am ganzen Körper zitternd und blass wie ein Leintuch.

"P…Peter", war alles, was sie heraus brachte, die Augen hatte sie starr auf die leblose Gestalt im Inneren des Wagens gerichtet. Sie stand eindeutig unter Schock, schien jeden Moment zusammen zu brechen.

Kermit fluchte verhalten und handelte rein instinktiv. Er packte Cara nicht gerade sanft an den Schultern und drehte sie gewaltsam von dem grausigen Anblick weg.

"Verdammt, Powell, wo bleibst du denn!", schrie er Jody an, die in diesem Moment die beiden erreicht hatte.

"Oh guter Gott", hauchte Jody, als sie Peter erkannte. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen und ihr Gesicht verlor jegliche Farbe.

Kermit warf Jody einen scharfen Blick zu, während er ihr die widerstrebende Cara in die Arme drückte. Er hasste es, so grob zu werden, doch er hatte keine andere Wahl, wollte er nicht, dass die Situation vollkommen aus dem Ruder lief.

"Detective Powell reißen sie sich gefälligst zusammen!", befahl er barsch.

Der harsche Tonfall riss zumindest Jody aus ihrem schockähnlichen Zustand. Sie warf Kermit einen entsetzen Blick zu, aber zog dann Cara doch vom Unfallwagen weg.

Kermit wandte seine Aufmerksamkeit wieder voll und ganz Peter zu. Seine Gedanken überschlugen sich. Verzweifelt suchte er einen Weg, seinem Freund zu helfen. Doch egal was er versuchte, er kam keinen Schritt weiter.

Wenige Sekunden später wurde es plötzlich ruhig. Die Sirenen der Einsatzfahrzeuge waren verstummt. Sie hatten den Einsatzort erreicht.

Aus dem Augenwinkel sah Kermit, wie einer der Sanitäter auf Cara zueilte und der Notarzt zu ihm kam.

"Oh, Shit", hörte er den Notarzt murmeln, als sich dieser ihm näherte.

Kermit trat einen Schritt zurück, um dem Mann Platz zum Arbeiten zu geben. Ihm folgten zwei Feuerwehrmänner und ein Polizist.

Der Polizist kam auf ihn zu. "Was ist hier passiert?", erkundigte er sich.

"Ein Unfall, oder sehen sie schlecht? Kümmern sie sich gefälligst darum, dass der Weg frei gemacht wird und verschonen sie mich mit ihren dummen Fragen!", blaffte Kermit den vollkommen überraschten Mann an, während er seinen Ausweis zückte.

Ohne den Mann weiter zu beachten, wandte er sich an der Arzt, der schon fieberhaft arbeitete.

"Wie sieht es aus Doc?"

Die Antwort des Arztes klang erstickt, da er gerade halb mit dem Oberkörper im Fahrerraum hing, um Peter zu untersuchen, soweit es die Verhältnisse erlaubten.

"Schlecht fürchte ich. Wir müssen sehen, dass wir ihn so schnell wie möglich hier heraus bekommen."

Kermit verdrehte die Augen. Er hatte sich schon ein wenig mehr erhofft. Doch wie konnte der Arzt schon nach so kurzer Zeit sagen, wie es tatsächlich um Peter stand? Auch er war nur ein Mensch und kein Gott.

"Kann ich helfen?", erkundigte er sich, bemüht ruhig zu bleiben.

"Ja, indem sie zurück treten und mich machen lassen", lautete die Antwort des Arztes.

Wortlos tat Kermit das, was der Mediziner verlangte. Er registrierte nur am Rande, wie Cara in einen der Krankenwagen geführt wurde, der sich nun langsam einen Weg durch die verstopfte Straße bahnte.

Jody gesellte sich zu ihm. "Wie siehst es aus?", wiederholte sie mit zittriger Stimme die Worte, die Kermit kurz zuvor dem Arzt gestellt hatte.

"Nicht gut", gab er knapp zurück.

Mehr wurde nicht gesprochen. Beide konnten nur hilflos mit ansehen, wie sich die Feuerwehrmänner nach Leibeskräften bemühten, Peter aus dem Wrack zu schneiden. Mit einer hydraulischen Schere und unter lautem Getöse wurde das Dach Stück für Stück vom restlichen Wagen abgetrennt.

Der Arzt war, kaum, dass sie ein kleines Loch hineingeschnitten hatten, in den Innenraum geklettert. Er intubierte Peter, legte eine Infusion an, fixierte seinen Hals mit einer Manschette und schob ihm vorsichtig, mit Hilfe eines weiteren Sanitäters, der von Außen mithalf, ein Rückenbrett unter. Die Eisenstange als auch die Scherbe in Peters Schulter wurden mit einem festen Verband fixiert, damit sie nicht aus versehen heraus gezogen werden konnten.

Nachdem das Dach nach einer halben Stunde harter Arbeit letztendlich vollkommen entfernt war, kam das größte Problem. Man musste nun Peter aus dem Autowrack bekommen, ohne ihm noch mehr Verletzungen zuzufügen, oder ihn unnötig zu bewegen. Kermit als auch Jody halfen bei dem Unterfangen kräftig mit.

Es dauerte noch weitere, quälende Minuten, bis man es mit vereinten Kräften schaffte Peter aus dem Wrack zu hieven, und in den Krankenwagen zu verfrachten. Sofort nahmen die Sanitäter fieberhaft ihre Arbeit wieder auf. Peters Hemd wurde aufgeschnitten und dann wurde er an mehrere piepsende Apparate angeschlossen. Kermit und Jody konnten nur wie erstarrt daneben stehen und alles mit besorgten Gesichtern verfolgen.

Endlich hob der Arzt den Kopf und gab das Kommando zur Abfahrt.

Kermit trat einen Schritt nach vorne. "Wird er es schaffen Doc?", erkundigte er sich.

Der Arzt warf ihm einen halb mitleidigen, halb genervten Blick zu, bevor er seufzend erwiderte: "Ich weiß es nicht. Er hat einen Rippenserienbruch und innere Verletzungen soweit ich es feststellen konnte, als auch Probleme mit dem Atmen. Mehr kann ich ihnen im Moment nicht sagen. Es sieht gar nicht gut aus. Er muss auf jeden Fall auf dem schnellsten Weg ins Krankenhaus. Ich weiß nicht wie lange ich ihn stabil halten kann."

"Kann ich mit ihnen fahren?", erkundigte sich Jody mit dünner Stimme.

Der Arzt schüttelte vehement den Kopf. "Auf keinen Fall, wir brauchen Platz zum Arbeiten. Folgen sie uns einfach nach, wir bringen ihn ins City Hospital."

Das waren die letzen Worte, die Kermit und Jody hörten, bevor sich die Türen der Ambulanz vor ihren Nasen schlossen.

Jody konnte nicht verhindern, dass sie bei diesem leisen Geräusch zusammen zuckte. Dieser Klang hatte irgendwie etwas endgültiges an sich. Sie hoffte von ganzem Herzen, dass dies kein Vorbote des Kommenden war. Obwohl es sehr warm war, fröstelte sie.

*****************************

Nur wenige Minuten nach der Ankunft der Ambulanz stürmten Kermit und Jody in das Krankenhaus. Sie kamen gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Peter eilig in Richtung des Operationssaales geschoben wurde.

Jody hatte Mühe die Tränen zurück zu halten, die unwillkürlich in ihr aufstiegen. Sie machte sich furchtbare Sorgen um Peter.

Auch Kermit musste hart schlucken. Wie schon so oft war er froh, dass er diese grüne Sonnenbrille trug, die seine wahren Gefühle so gut verbergen konnte.

Mit einer Stimme, die nicht ganz so sicher klang, wie er es gerne gehabt hätte, wandte er sich an Jody.

"Gib du auf dem Revier Bescheid was passiert ist, damit jemand Annie benachrichtigen kann und sie sollen verdammt noch mal heraus finden, wo Caine steckt. Peter braucht ihn jetzt mehr denn je. Ich werde mich nach Cara erkundigen."

Jody nickte nur, sie fürchtete durch den dicken Kloß, der in ihrer Kehle steckte, eh keinen Ton heraus bringen zu können. Bevor sie sich den Anrufen zuwandte, flüchtete sie sich erst einmal auf die Damentoilette, um sich in den Griff zu bekommen. Dort konnte wenigstens niemand sehen, wie ihr die Tränen übers Gesicht liefen.

Kermit wandte sich an die Schwester, die am Informationspult saß. "Können sie mir sagen wie es Cara Thompson geht? Sie ist gerade eingeliefert worden, hatte einen Verkehrsunfall", erkundigte er sich so freundlich wie es ihm derzeit möglich war.

Dennoch zuckte die Schwester bei seiner Erscheinung zusammen. Zu spät wurde Kermit bewusst, dass sein schwarzer Anzug als auch das ehemals weiße Hemd, diverse Blutspuren aufwies, die von Peters Rettungsaktion stammten.

Die Krankenschwester fasste sich schnell wieder und blätterte in ihren Akten.

"Ah ja, da haben wir sie." Sie schaute zu ihm auf. "Warten sie einen Moment, ich werde den zuständigen Arzt holen", meinte sie, bevor sie sich erhob und weg ging.

Kermit schaute der Schwester einen Augenblick hinterher, dann begann er unruhig hin und her zu laufen. Warten war noch nie seine besondere Stärke gewesen, und schon gar nicht in so einer Situation.

Zum Glück ließ der Arzt nicht lange auf sich warten. "Doktor Walters", stellte er sich vor und reichte Kermit die Hand. "Und sie sind?"

"Detective Kermit Griffin, 101. Revier", stellte sich Kermit vor und erwiderte den Handschlag. "Wie geht es Miss Thompson?"

"Sind sie verwandt mit Miss Thompson?", erkundigte sich der Arzt.

Kermit spürte, wie es langsam in ihm zu kochen anfing. Nur mit Mühe konnte er seinen freundlichen Ton beibehalten, auch wenn sein Gesichtsausdruck etwas gänzlich anderes ausdrückte.

"Miss Thompson hat keine Verwandten mehr, Doc. Ich bin ein Freund von ihr und ich wäre ihnen sehr verbunden, wenn sie endlich damit heraus rücken würden, was mit ihr los ist."

Mittlerweile wirkte Kermits gesamte Körperhaltung auf den Arzt so einschüchternd, dass dieser unwillkürlich einen Schritt zurück wich. Kermit überbrückte den Abstand zwischen ihn sofort wieder. Der Arzt fummelte unbehaglich an seiner Krawatte herum. Man sah ihm an, dass Kermit ihm nicht geheuer war. Er beeilte sich, Kermits Auforderung nachzukommen.

"Miss Thompson geht es den Umständen entsprechend gut. Sie hat einen Schock, eine leichte Gehirnerschütterung, diverse leichte Schnittverletzungen und Prellungen am gesamten Körper, besonders im Rippen- und Oberköperbereich, die vom Sicherheitsgurt stammen. Ansonsten konnte ich nichts weiter fest stellen."

"Kann ich zu ihr?"

"Natürlich, Detective. Vielleicht können sie die junge Dame dazu überreden, meinen Anordnungen zu folgen. Ich würde sie gerne zur Beobachtung hier behalten, aber sie weigert sich stur zu bleiben. Außerdem wollte sie das Beruhigungsmittel nicht annehmen, das ich ihr spritzen wollte. Dabei hat sie es bitter nötig."

Kermit lächelte grimmig. "Eher können sie einen Eisberg dazu überreden, die Sahara zu durchqueren.", erwiderte er. "Ich werde sehen, was ich tun kann. Im Notfall werde ich sie eben zu dem zwingen, was gut für sie ist."

Der Arzt wirkte irgendwie erleichtert nach dieser Aussage. Kermit konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass Cara diesem Mann eine harte Zeit bereitet hatte. Er kannte ihren Dickkopf nur zu gut.

Kermit folgte dem Arzt in das nächst gelegene Behandlungszimmer. Cara saß mit hängendem Kopf auf der Untersuchungsliege. Sie schaute nicht einmal auf, als sie herein traten im Gegensatz zu der Schwester, die ebenfalls einen ziemlich genervten Gesichtsausdruck zur Schau trug.

Diverse Pflaster und Verbände deckten Caras Schnittwunden ab. Man hatte sie in ein geblümtes Krankenhaushemd gesteckt, das in krassem Kontrast zu ihren blassen Gesichtszügen stand. Das verfilzte Haar hing ihr in wirren Strähnen ins Gesicht, stellenweise noch mit getrocknetem Blut verschmiert, das wohl eher von Peter als von ihr stammte.

Kermit schnitt es tief ins Herz bei diesem Anblick. Sie wirkte so klein und vollkommen verloren in dem steril anmutenden Raum. Der Wunsch sie zu beschützen und alles negative von ihr fern zu halten, wurde fast übermächtig in ihm. Leider war es dafür viel zu spät. Das Unglück war geschehen und er konnte weder ihr noch Peter das Leid ersparen.

Auf das auffordernde Nicken des Arztes hin, trat er näher an Cara heran. "Hey Kleines", sagte er leise, unbewusst Peters Kosewort für sie benutzend.

Cara zuckte bei dem Gebrauch dieses Wortes wie unter einem Peitschenschlag zusammen. Das Zittern, das aufgehört hatte, begann erneut. Kermit hätte sich sonst wohin treten können, weil er bei seiner Wortwahl nicht besser aufgepasst hatte.

"P...Peter", brachte sie stotternd hervor.

"Er lebt und wird gerade operiert", erwiderte Kermit in beruhigendem Tonfall.

"W…will zu ihm", verlangte Cara.

"Das geht nicht, Cara. Ich sagte doch gerade, er wird operiert. Wir können nicht mehr tun als warten. Warum legst du dich nicht hin und lässt den Doktor hier seine Arbeit verrichten? Es bringt nichts, wenn du uns auch noch zusammen klappst", versuchte Kermit auf sie einzureden.

Cara schüttelte stur den Kopf. "N...nein. W...will zu Peter", versetzte sie vehement.

"Na nun komm schon, du kannst doch im Moment auch nichts ausrichten", versuchte es Kermit erneut und streckte die Hand nach ihr aus.

Mit einer Schnelligkeit, die jeden im Raum überraschte, sprang Cara von der Liege und drängte sich mit weit aufgerissenen Augen in eine Ecke des Zimmers. Kermit warf dem Arzt einen Blick zu, der mit dem Lippen lautlos das Wort "Schock" formte. Der Ex-Söldner nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte und signalisierte dem Arzt und der anwesenden Schwester, sich ein wenig zurück zu ziehen, was sie auch taten.

Vorsichtig trat er einen Schritt auf Cara zu. Sie streckte sofort abwehrend ihr Hände aus und ihr Blick irrte wirr durch den Raum.

"Scht, schon gut Cara. Niemand tut dir hier etwas", sprach er auf sie ein.

"W...will nicht hier bleiben. W...will zu Peter", stammelte sie erneut.

Kermit nahm langsam seine Brille ab und trat noch einen Schritt auf sie zu, so dass er nun direkt vor ihr stand.

"Schau mich an, Cara", verlangte er.

Sie reagierte nicht auf die Worte.

"Du sollst mich ansehen", wiederholte Kermit seine Worte, nun mit einem deutlich schärferen Unterton in der Stimme.

Diesmal reagierte Cara auf den Unterschwelligen Befehl. In Zeitlupe hob sie den Kopf, bis sich ihre Blicke trafen. Kermit schluckte hart. Es gehörte mit zu den schwersten Dingen, die er jemals getan hatte, diesem gejagten und gepeinigten Blick stand zu halten.

"Ich mache dir einen Vorschlag. Du schläfst jetzt eine Weile und wenn du wieder wach bist, dann kannst du zu Peter, einverstanden?"

Cara schien einen Moment zu überlegen. Sie suchte in seinem Blick nach der Wahrheit. Kermit fiel es immer schwerer diesem Starren stand zu halten.

"V...Versprochen?", wisperte sie im Tonfall eines kleinen Kindes.

"Versprochen", bestätigte Kermit, mit aller Macht darauf hoffend, dass er dieses Versprechen auch wirklich halten konnte. "Gib mir deine Hand."

Kermit streckte seine Hand aus, die Cara nach langem Zögern ergriff.

"Ja, so ist es gut", lobte Kermit und führte sie auf die Liege zurück.

Er half ihr, sich zu setzen und gab dem Arzt mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass er ihr nun die Spritze geben konnte.

Cara, die die Bewegung in ihrem Rücken gespürt hatte, wollte den Kopf drehen, um zu schauen was los war. Kermit reagierte schnell und umfasste mit beiden Händen ihren Kopf.

"Nein, Cara. Schau mich an."

"P...Peter", wisperte sie erneut.

"Ja, du kannst zu ihm, wenn er wieder aufwacht", bestätigte Kermit die unausgesprochene Frage.

Die fremde Hand an ihrem Arm und der kleine Pieks ließen Cara zusammen zucken.

"N...nein", stotterte sie, als ihr klar wurde, was gerade geschehen war.

"Doch. Glaube mir, es ist nur zu deinem Besten", gab Kermit zurück, dem nichts besseres einfiel.

Sekunden später setze die Wirkung des Sedativums ein und Cara fielen die Augen zu. Kermit lies sie sanft auf die Liege zurück sinken. Mit einem tiefen Atemzug straffte er sich und setzte sich in einer fließenden Bewegung die Brille wieder auf die Nase.

"Wie lange wird sie schlafen?", erkundigte sich Kermit.

"Ein paar Stunden, oder auch länger, das kommt auf den Grad ihrer Erschöpfung an. Ich habe ihr nur ein leichtes Sedativum verabreicht", erwiderte der Arzt.

"Gut. Sie rufen mich sofort, wenn sie wieder aufwacht. Ich bin im Wartezimmer bei meiner Kollegin", antwortete Kermit.

Der Arzt nickte zustimmend, sichtlich erleichtert, die schwere Aufgabe bewältigt zu haben.

"Das werde ich ganz bestimmt tun, Detective."

Kermit antwortete ebenfalls mit einem leichten Nicken und wandte sich zum Gehen. Er legte gerade die Hand auf den Türgriff, als der Arzt ihn mit einer weiteren Frage zurück hielt.

"Einen kleinen Moment noch Detective. Sie hatten vorhin erwähnt, dass Miss Thompson keine Verwandten hat. In ihrem Zustand kann man sie kaum alleine lassen, auch wenn ihr körperlich nicht viel fehlt. Hat sie jemand, der sich um sie kümmern kann, wenn sie morgen entlassen wird, oder muss ich sie noch ein paar Tage länger hier behalten?"

Kermit spürte wie sich bei dieser Frage alles in ihm zusammen zog. Oh ja, Cara hatte schon jemand, der sich um sie kümmerte, sogar sehr. Doch dieser Jemand lag wenige Meter entfernt auf dem Operationstisch und kämpfte um sein Leben.

Er brauchte einen Moment, um sich zu sammeln, bevor er mit nicht ganz fester Stimme erwiderte: "Oh ja, sie hat jemanden..." Eine kurze Pause entstand, dann sprach er wesentlich entschlossener weiter. "Ich werde mich um sie kümmern."

Ohne die nächsten Worte des Arztes abzuwarten, stürmte Kermit daraufhin regelrecht aus dem Zimmer, total überrascht davon, wie leicht ihm die letzten Worte gefallen waren und wie natürlich sie sich anhörten.

Im Wartezimmer kam ihm schon Jody entgegen. Er brauchte nicht viel, um zu erkennen, dass sie geweint hatte. Innerlich stählte sich Kermit gegen die Worte, die er meinte, von ihrem Gesicht ablesen zu können.

"Wie geht es Cara?"

"Was ist mit Peter?", erkundigten sich die beiden gleichzeitig.

Kermit stieß erleichtert den Atem aus. Doch nicht das, was er vermutet hatte.

"Ich habe noch nichts von ihm gehört", gab Jody bereitwillig Auskunft.

"Sie schläft. Der Schock ist wohl das Heftigste an der ganzen Sache, ansonsten hat sie nur ein paar Schnittwunden und Prellungen und eine leichte Gehirnerschütterung", erwiderte Kermit.

"Gott sei dank. Einer weniger, um dem man sich Sorgen machen muss", erwiderte sie inbrünstig.

Kermit legte Jody die Hand auf die Schulter und führte sie zu den Wartestühlen zurück. Irgendwie spürte er, dass sie im Moment eine menschliche Berührung brauchte. Peters Unfall schien ihr sehr zu schaffen zu machen.

"Hast du das Revier erreicht?", erkundigte er sich.

"Ja. Sie waren alle sehr betroffen, als sie die Nachricht hörten. Strenlich hat Skalany los geschickt, damit sie Annie benachrichtigen kann. Er wollte nicht, dass sie es über das Telefon mitgeteilt bekommt. Ich schätze sie werden in der nächsten Stunde hier eintreffen", erwiderte Jody mit nicht ganz fester Stimme. Die Hände hatte sie fest in ihrem Schoß verkrallt, so dass die Knöchel ihrer Hand schon weiß hervor traten.

"Und was ist mit Caine?", wollte Kermit wissen.

Jody zog die Schultern nach oben. "Nichts. Er scheint mal wieder wie vom Erboden verschwunden zu sein. Anscheinend hat er vor drei Tagen Chinatown verlassen und ist seitdem nicht mehr auffindbar. Und...und die einzige Person, die uns mitteilen könnte, wo er ist liegt hier und..."

Jody unterbrach sich mitten im Satz, sie konnte nicht mehr weitersprechen, ohne in Tränen auszubrechen, die erneut an die Oberfläche drängten.

Kermit konnte nicht länger nur herum sitzen, obwohl er eben erst Platz genommen hatte. Ihm fiel auch keine passende Entgegnung ein auf Jodys Satz, so dass er beschloss lieber nichts zu antworten. Er erhob sich, nachdem er noch einmal aufmunternd ihre Schulter gedrückt hatte und nahm erneut seine Wanderung auf, gesprochen wurde nicht mehr. Im Moment gab es einfach nichts mehr zu bereden, zu viele Gedanken schossen ihnen durch den Kopf. Alles was sie tun konnten, war zu warten und zu hoffen, dass Peter den Kampf auch dieses Mal überstehen würde.

 

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