Caine saß in einer vollen Lotusposition neben Peters Bett auf dem Boden und meditierte. Das war seine Art wieder die Energie zu sammeln, die er brauchte, um seinem Sohn zu helfen. Noch während der Nacht hatte er, so oft er es sich selbst gegenüber verantworten konnte, Peters Chi gestärkt. Nun konnte er es sich erlauben, beruhigt in diesen Tag zu schauen, da er sicher sein konnte, dass Peter alles gut überstehen würde. Noch ein paar Stunden, dann würde sein Sohn von alleine das Bewusstsein wieder erlangen. Caine ließ sich tiefer in die Meditation hinab gleiten. Er genoss das Gefühl von absoluter Ruhe und Frieden, das ihn immer weiter in eine Welt trug, die nur wenige Auserwählte gänzlich verstehen konnten. Sogar für ihn, den Shambhala Meister, waren manche Bereiche dieser Welt, die ein Teil seines Selbst darstellte, noch teilweise verborgen. Doch er war bereit zu lernen und sich führen zu lassen auf dem Pfad der Erleuchtung. Plötzlich spürte er, wie sich in dieser friedvollen Welt etwas veränderte. Es war nur ein Hauch, ein leises Wispern, aber es gehörte definitiv nicht hierher. Im nächsten Moment wurde diese Dimension vollkommen aus ihre Angeln gehoben. Eine riesige, tiefschwarze Welle fegte über ihn hinweg. Ein grausamer Schmerz, nicht zu ertragen, malträtierte seinen Körper. So stark, dass er einen gequälten Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Sein Körper kippte zur Seite, die Atmung nahm rapide ab, jedes Stückchen Haut überzog sich innerhalb kürzester Zeit mit einer dünnen Schweißschicht. Caine bekam keine Luft mehr. Etwas riesiges, dunkles, bedrohliches ergriff ihn und zog ihn immer tiefer in einen pechschwarzen Strudel hinein. Er war vollkommen hilflos, konnte nicht einmal den kleinsten Muskel bewegen. Er konnte nur sehen, fühlen und spüren. Diesen unendlichen, grausamen Schmerz von tausenden von gefolterten Seelen, die verzweifelt nach Erlösung aus diesem Martyrium suchten. Den Bruchteil einer Sekunde später war alles wieder vorbei. Als hätte man einen Schalter umgelegt, war nichts mehr von diesem "Ding" zu erkennen, das ihn noch vor wenigen Sekunden im Griff gehalten hatte. Die ruhige, friedvolle Welt war vollkommen wieder hergestellt, nicht ein Stein lag anders. Caine tauchte aus seiner Meditation auf. Er riss die Augen auf und schnappte nach Luft, um den Gefühlen Herr zu werden, die noch in ihm wiederhallten. Es dauerte einige Sekunden, bis er vollkommen überrascht bemerkte, dass er weder zur Seite gesunken noch mit Schweiß bedeckt war, so wie es sein Verstand ihm vorgegaukelt hatte. Er saß noch genauso da in seiner Lotusposition wie zu dem Zeitpunkt, als er sich in die Meditation begeben hatte. Das Einzige, das sich geändert hatte, war eine bleierne Müdigkeit, die ihn überkam. Caine schüttelte den Kopf und kämpfte sich auf die Beine. Die ersten Meter zu dem kleinen Waschbecken in der Ecke legte er taumelnd zurück. Nach Halt suchend, stützte er sich an der kalten Keramik ab. Selten war er sich so schwach und verletzlich vorgekommen, wie in diesem Moment. Nicht einmal das Stärken von Peters Chi hatte ihm soviel Kraft abverlangt, wie diese wenigen Sekunden in dieser alles verschlingenden Dunkelheit. Caine drehte den Wasserhahn auf und ließ kaltes Wasser in das winzige Becken laufen. Mit vor Müdigkeit brennenden Augen beobachtete er, wie sich das Waschbecken langsam füllte. Wasser, der Quell des Lebens. Hier lief es so harmlos in dieses Becken und doch konnte es vollkommen zerstörerisch sein, sich in einen reißenden Strom verwandeln, der alles ohne Gnade mit sich riss. Ganz genauso wie diese allumfassende Dunkelheit, in die er vor wenigen Sekunden noch eingetaucht war. Seine Hände zitterten, als er sie in das kalte Nass tauchte, um sein Gesicht und den Hals damit zu benetzen. Er schloss die Augen, genoss das kühle Prickeln auf seiner brennenden Haut. Langsam kehrte auch seine Lebendigkeit zurück, die Muskeln reagierten wieder auf seine Befehle. Er öffnete die Augen und straffte sich etwas, wobei sein Blick auf den in Augenhöhe angebrachten Spiegel fiel. In dem Versuch eine Veränderung an sich und der Umwelt zu erkennen, betrachtete er aufmerksam sein Spiegelbild, aber ihm blickte nur sein eigenes, zwar ein wenig angeschlagenes, aber dennoch unverändertes Antlitz entgegen. Erneut schüttelte Caine den Kopf. Nein, es hatte sich weder hier, noch in dieser anderen Dimension etwas verändert. Alles war vollkommen Normal, so wie es sein sollte. Aber was war das gewesen? Woher war diese plötzliche, alles zerstörende Dunkelheit gekommen? Er hatte es doch gespürt, oder hatte ihm sein Verstand aus Sorge um seinen Sohn solch einen Vorfall vorgegaukelt? Irgendwie konnte er nicht so ganz daran glauben. Der Gedanke beschäftigte ihn noch, als er zu seinem Sohn ans Bett zurück kehrte. Doch mit jedem Schritt dem er dem Bett von Peter näher kam, fiel, vollkommen unbemerkt von ihm, ein Stück der Erinnerung an dieses seltsame Erlebnis von ihm ab. Als er am Bett seines Sohnes anlangte, war auch seine Erinnerung an das Ereignis verschwunden. Caine strich seinem Sohn liebevoll über die Stirn, bevor er sich leise seufzend in seine angestammte Position auf dem Boden zurück gleiten ließ und mit seiner Meditation fort fuhr, als wäre nichts geschehen. *************************** Schwester Carmen betrat leise das Krankenzimmer. Ihr Blick wanderte von ihrem gutaussehenden Patienten zu Caine, der vollkommen unbeweglich auf dem Boden saß. Ein Schauer lief der Schwester über den Rücken. Ihr war dieser Mann einfach nur unheimlich. So oft sie in ihrer 24 Stunden Schicht bei ihrem Patienten hinein geschaut hatte, schien sich dieser fremdartige Mann nicht vom Fleck gerührt zu haben. Natürlich hatte sie sich bei den anderen Schwestern nach Caine erkundigt, jedes Detail konnte wichtig sein, und was sie von ihnen gehört hatte, bestätigte ihre Meinung über ihn nur noch. Man hatte ihr z.B. erzählt, dass er am Weihnachtsabend nur durch Handauflegen eine kaputte Puppe wiederhergestellt hatte und noch viele andere für sie unvorstellbare Dinge. Es war ihr unbegreiflich, wie ein einzelner Mensch die Fähigkeit haben konnte, solche Dinge zu bewerkstelligen. Nicht einmal diese schnelle Genesung von Peter, die so gar nicht in den Plan passte, konnte ihre Skepsis gegenüber diesem Mann verschwinden lassen. Sie hatte auch gute Gründe, warum sie ihm misstraute. Caines Erscheinen war nicht eingeplant gewesen und verkomplizierte das ganze Vorhaben noch. Ein kalter Schauer lief über ihren Rücken als ihr klar wurde, mit welch mächtigem Gegner sie es nun zu tun hatte. Mit viel Willenskraft schüttelte sie die düsteren Gedanken ab und konzentrierte sich auf ihre Arbeit. Nachdem sie bei Peter Fieber gemessen, den Blutdruck überprüft, die Infusion erneuert und alles in die Liste eingetragen hatte, verließ sie das Zimmer genauso leise, wie sie gekommen war. Noch war die Zeit nicht gekommen. ************************ Annie betrat, begleitet von Jody, Peters Krankenzimmer. "Caine", rief Jody überrascht aus, als sie den Shambhala Meister neben Peters Bett entdeckte. "Jody, Annie." Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob sich Caine aus seiner sitzenden Position und trat den beiden Frauen entgegen. Er ergriff die ausgestreckten Hände von Annie und drückte sie. "Caine, ich bin so froh, dass sie hier sind. Wie geht es Peter?", wurde er von der blinden Frau begrüßt. Caine führte Annie zu einem Stuhl neben Peters Bett und half ihr sich zu setzen, bevor er ihr eine Antwort gab. "Es geht ihm gut, Annie. Unser Sohn wird bald wieder bei uns sein." "Oh Gott sei dank. Ich habe mich schon gewundert, dass Peter in ein normales Krankenzimmer verlegt worden ist, aber nun weiß ich warum. Ich kann ihnen gar nicht genug danken, Caine", bekannte sie dankbar. Caine zuckte, unangenehm berührt die Schultern und legte Annie eine Hand auf den Rücken. "Ich...ah...habe das getan, was jeder andere auch getan hätte." "Wohl kaum. Ich kenne nur eine Person, die diese heilerischen Fähigkeiten hat und der sind sie, Caine", erwiderte Annie, seine Hand mit der ihren bedeckend. "Für unseren Sohn, würde ich alles tun", lautete Caines Erwiderung, der Annie nichts mehr entgegen zu setzen hatte. Sie ließ zu, dass Caine ihre Hände ergriff und sie zu Peters Kopf führte. Ein warmes Gefühl der Freude und Erleichterung durchflutete sie, als sie ihre Finger über die nun kühle Stirn gleiten ließ und sein Gesicht auf ihre Art erforschte. Kein Detail entging ihr. Weder die nun völlig entspannten Gesichtszüge seitens Peter, noch die feine Narbe dicht neben seinem Ohr, die er sich als Kind einmal zugezogen hatte. Auch wenn Peter nicht ihr leiblicher Sohn war, so liebte sie ihn doch genauso wie ihre Töchter Kelly und Caroline. Sie war unendlich dankbar dafür, dass Caine wieder in Peters Leben getreten war, auch wenn sie am Anfang ziemliche Angst gehabt hatte, Peter könne sich von ihr und ihrem Mann abwenden, was aber nicht geschehen war. Jody, die an Peters andere Seite getreten war, um die beiden nicht zu stören spürte wie heiße Tränen der Freude in ihre Augen schossen. Im Stillen dankte sie allen guten Mächten, die ihr im Moment einfielen, obwohl in diesem speziellen Fall wohl eher Caine seine Magie hatte spielen lassen. Doch das war ihr vollkommen egal, Hautsache Peter wurde wieder ganz gesund. Mit den Fingerspitzen strich sie leicht über Peters Hand, konnte dem innern Drang ihn zu berühren nicht wiederstehen. Sie musste sich einfach vergewissern, dass Peter noch bei ihnen war, und wenn dies auch nur durch diesen geringen körperlichen Kontakt geschah. Er sah auch schon wesentlich besser aus als gestern. Die Blässe seiner Haut hatte sich ein wenig gegeben und auch die tiefen Ringe unter seinen Augen waren verschwunden. Doch das schönste war für sie, dass er nun wieder von alleine atmete, ohne diese schreckliche Maschine, und dass diese Atemzüge wieder kräftig und gleichmäßig waren. Tief in ihrem Inneren war ihr bewusst, dass Peter wohl niemals die Gefühle erwidern würde, die sie ihm entgegen brachte. Für sie war Peter schon immer mehr gewesen als nur ein Freund und egal was noch kommen würde, sie würde immer für ihn da sein. So wie ein Freund eben für den anderen da war, auch wenn sie sich wünschte, es wäre alles ein wenig anders zwischen ihnen gelaufen. "Jody...Jody!", riss sie Annies Stimme aus ihren Gedanken. Mit einem Ruck kehrte sie in die Realität zurück. "Äh, ja, was hast du bitte gesagt?", erkundigte sie sich nicht gerade intelligent. "Ich habe dich gerade gefragt, ob du für Caine etwas zu Essen besorgen könntest. Er ist schon den ganzen Tag hier und hat noch nichts gegessen." "Das ist nicht nötig", erwiderte Caine. "Papperlapapp", schnitt Annie ihm rigoros das Wort ab. "Sie müssen auch bei Kräften bleiben. Er bringt Niemandem etwas, wenn Peter wieder gesund wird und sie womöglich krank werden, weil sie sich überfordern. Holst du uns etwas, Jody?" "Oh ja, natürlich, ich bin gleich zurück." Jody schüttelte den Rest ihrer Benommenheit ab und eilte zur Türe, schwer darauf bedacht, dem wissenden Blick Caines nicht zu begegnen. Kaum hatte Jody das Zimmer verlassen murmelte Annie: "Das arme Ding, die ganze Sache nimmt sie sehr mit." "Sie ist eine mitfühlende Person. Die Gefühle, die wir in uns tragen, leiten unser Tun", erwiderte Caine. Annie musste einen Moment über das nachdenken, was Caine von sich gegeben hatte, um den Sinn der Worte zu verstehen. Sie konnte Peter gut verstehen, wenn er sich immer mal wieder über die kryptische Ausdrucksweise seines Vaters beschwerte. Schließlich erwiderte sie: "Sie wollen wohl damit ausdrücken, dass Jody hin- und her gerissen ist, ihm ihre wahren Gefühle zu gestehen, oder die Freundschaft so zu erhalten wie sie ist." "Das ist korrekt", bestätigte Caine. Annie seufzte leise. "Ich wünschte, unser Sohn würde endlich einmal erkennen was gut für ihn ist. Er trifft eine falsche Frau nach der anderen. Aber dass die Frau, die ihn aufrichtig liebt und perfekt zu ihm passen würde, sich direkt vor seiner Nase befindet, erkennt er natürlich nicht. Manchmal würde ich ihm am liebsten mit dem Nudelholz hinterher gehen was das anbelangt." Caine zuckte wie üblich die Schultern und entgegnete in seiner unnachahmlichen Manier: "Die Zeit wird zeigen, was noch im Verborgenen auf uns wartet." Bevor Annie etwas erwidern konnte, wurde die Türe zum Krankenzimmer geöffnet. Sie errötete leicht, weil sie sich ertappt fühlte. "Jody, du bist aber schnell zurück." "Ich wüsste nicht, dass ich inzwischen zu einer Frau mutiert bin", ertönte eine tiefe Stimme von der Türe her. "Oh Kermit, hast du Cara auch mitgebracht?", erkundigte sich Annie, bemüht ihren Faux Pas zu überspielen. Normalerweise passierte ihr so etwas nicht, doch sie war einfach zu abgelenkt gewesen. "Nein, sie schläft noch", erwiderte Kermit leichthin und trat in den Raum. Caine begrüßte er mit einem kurzen Kopfnicken, was von Caine mit einer leichten Verbeugung in seine Richtung quittiert wurde. Zwischen den beiden Männern mussten nicht viele Worte gewechselt werden, es war auch so offensichtlich, dass Kermit froh war, Caine hier zu sehen. "Du lässt sie allein? Was ist wenn sie aufwacht und du bist nicht da? Ich denke nicht, dass es ihr schon wieder so gut geht, als dass man sie alleine lassen könnte", meinte Annie. Aus Kermits Stimme war ein Hauch Ungeduld zu entnehmen. Es war nicht schwer zu erkennen, dass ihm diese Frage nicht behagte. "Erstens ist sie nicht alleine, T.J. ist bei ihr und zweitens wird sie nicht aufwachen." "Nun sage mir bitte, dass du dem nicht nachgeholfen hast!" Kermit blieb ihr die Antwort schuldig. "Oh Kermit, wie konntest du nur!", versetzte Annie anklagend. "Ich bin nicht hierher gekommen, um eine Diskussion zu führen über Recht und Unrecht", versetzte Kermit barsch. Annie zuckte unter seinen rauen Tonfall zusammen, ihre Finger, die auf Peters Hand ruhten, ballten sich zusammen. "Ich hoffe für dich, Kermit, dass du weißt, was du Cara damit antust", erwiderte sie leise. "Ich tue ihr gar nichts an. Im Gegenteil, ich bewahre sie vor viel Leid. Vertrau mir, Annie, wenn ich dir sage, dass es im Moment das Beste für sie ist", entgegnete Kermit schon ein wenig sanfter, da ihm auffiel, dass er Annie mit seinen Worten verletzt hatte. Annie schüttelte daraufhin nur ihren Kopf. Wenn Kermit sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte man genauso gut gegen eine Wand reden. Caines Augenbraue zog sich nach oben. Missbilligend schaute er Kermit an. Cara lag ihm mittlerweile genauso sehr am Herzen wie Peter und er konnte nicht umhin, die Situation zu kommentieren. "Guter Wille rechtfertigt kein Unrecht", meinte er an Kermit gewandt. Dieser beschloss überhaupt nicht mehr auf diesen Einwand zu reagieren, für ihn war die Sache erledigt. Um vom Thema abzulenken, fragte er. "Und, wie geht es Peter?" "Es geht ihm wesentlich besser als gestern. Caine meinte, er wird bald aufwachen", übernahm Annie die Antwort, sich in ihr Schicksal fügend. *Der Himmel bewahre mich vor noch mehr sturen Männern in meinem Leben*, dachte sie. Kermit lächelte leicht bei diesen Worten. "Das freut mich sehr zu hören. Gestern sah es noch nicht so gut aus, aber da war auch noch kein Shambhala Meister hier." Kermit trat nun ganz an das Bett heran. Ja, Peter sah definitiv um einiges besser aus wie gestern, als er noch an diese vielen Maschinen angeschlossen gewesen war. Eine halb angenehme, halb unangenehme Stille trat zwischen den drei Personen ein, die erst durch Jodys Rückkehr mit dem Essen unterbrochen wurde. Annie bestand vehement darauf, dass Caine etwas aß, bis dieser schließlich nachgab und die Plastikschale mit Salat von Jody akzeptierte. Die nächste halbe Stunde verging ohne weitere Unterbrechungen. Die beiden Frauen unterhielten sich leise an Peters Bett und Caine und Kermit schwiegen sich aus. Caine hatte es sich wie üblich auf dem Boden gemütlich gemacht und Kermit lehnte mit verschränkten Armen an der Wand, wo er seinen eigenen Gedanken nachhing und halb auch der Unterhaltung der beiden Frauen lauschte. Plötzlich zuckte Annie, deren Finger nach wie vor auf Peters Hand lagen, zusammen und unterbrach sich mitten im Satz. "Was ist?" erkundigte sich Jody. "Peter", flüsterte Annie, "Er...er hat gerade seine Finger bewegt." Innerhalb eines Wimpernschlags versammelten sich alle vier Personen um Peters Bett und schauten atemlos zu ihm herab. Peters Wimpern flatterten leicht, seine Finger zuckten. Dann, ganz, ganz langsam hoben sich seine Augenlider in die Höhe. Mit Tränen in den Augen spürte Annie, wie sich seine Finger um ihre Hand schlossen. Die weißen Flecken und Umrisse um Peter herum verschwanden langsam, formten sich zu einen Bild. Er erkannte die Personen, die auf ihn herab blickten und ihn besorgt anschauten. Der Raum selber sagte ihm nichts. Er hatte keine Ahnung, wie er hierher gekommen war. Sein Gehirn war eine einzige öde Fläche, die sich nur zähflüssig mit weiteren Informationen füllte. "Mum, Dad", krächzte er. Uh, war das tatsächlich seine Stimme? Sie hörte sich seltsam fremd in seinen Ohren an. So schwach und leise und rau. "Peter, Gott sei dank", flüsterte Annie. Eine Träne der Erleichterung rollte über ihre Wange. "Wie, was?", erkundigte sich Peter, noch immer leicht verwirrt. Seine Kehle fühlte sich an wie ein Reibeisen. Er versuchte sich aufzurichten, musste aber seltsamer Weise feststellen, dass das nicht ging. Annie legte ihm einen Finger auf die Lippen. "Pscht, nicht reden, Liebling. Es ist alles in Ordnung. Du hattest einen Autounfall und befindest dich im Krankenhaus." Peter brauchte einen Moment, um alles zu verdauen, was Annie ihm mitteilte. Einen Autounfall? Wirklich? Er konnte sich nicht erinnern. Irgendwie funktionierte nicht alles so wie es sollte. Seine Augen wanderten im Raum umher und blieben auf jedem einzelnen Gesicht hängen. In jedem erkannte er deutliche Erleichterung und auch die Zuneigung, die sie ihm entgegen brachten. "Durst", krächzte er. Caine nahm das Glas mit Wasser vom Nachttisch und beugte sich über seinen Sohn. Mit einer Hand, die er unter seinen Hinterkopf schob, hob er vorsichtig seinen Kopf an, damit Peter an den Strohhalm kommen konnte, um ein paar Schlucke zu trinken. Peter spürte, wie eine sanfte Welle der Ruhe und Geborgenheit ihn durchströmte, ausgehend von der Hand seines Vaters. Für wenige Sekunden fühlte er sich wieder zurückversetzt in seine Kindheit, als sein Vater ihn Nachts gehalten hatte, wenn er, wie so oft, einen Alptraum gehabt hatte. Immer, wenn das so gewesen war, hatte er gewusst, dass Nichts und Niemand ihm etwas antun konnte und genauso fühlte es sich auch in diesem Moment an. Als Caine, nachdem er getrunken hatte, die Hand wieder weg nahm, versetzte es ihm einen kleinen Stich. Obwohl vier Personen, die er sehr mochte im Raum anwesend waren, fühlte er sich eine Sekunde lang vollkommen verlassen. Bleierne Müdigkeit zwang ihn, die Augen kurz zu schließen. Bis jetzt hatte er nicht gewusst, wie anstrengend eine kleine Tätigkeit wie trinken sein konnte. Er spürte, wie Annies Finger sanft über seine Wange strichen. Eine Berührung, die unheimlich gut tat und ein leichtes Lächeln auf seine Lippen zauberte. "Schlaf jetzt, Liebling, ruh dich aus, damit du wieder zu Kräften kommst", hörte er die Stimme seiner Mutter dicht an seinem Ohr. "`kay Mom", murmelte er, bevor die Müdigkeit endgültig ihren Tribut forderte und Peter in das Land der Träume zog. Diesmal jedoch war es ein Schlaf der Heilung und nicht der Ohnmacht. Jody war es, die als erste die nachfolgende Stille unterbrach. Sie musste sich räuspern bevor sie sprechen konnte. "Dann werde ich mal der Schwester Bescheid geben, dass Peter zumindest einen kurzen Moment wieder aufgewacht ist." Kermit fiel mit ein. "Und ich werde auf dem Revier anrufen, dort Bescheid geben und mache mich dann auch wieder auf den Weg. Morgen komme ich wieder." Er warf Annie einen kurzen Seitenblick zu. "Mit Cara." "Tut das", stimmte Annie zu. "Caine und ich werden noch ein wenig hier bleiben." Caine nickte zustimmend und nahm seinen Platz am Boden wieder ein. Die Versammlung löste sich auf, in dem guten Gefühl, dass sich endlich wieder alles zum Besseren gewandt hatte.
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