Eine Hand an seiner Schulter und eine sanfte Stimme rissen Peter aus seiner selbstgewählten Isolation. Er hatte keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war, seitdem Carmen in seinen Armen den letzten Atemzug getan hatte. "Na, Peter. Geht es dir nun wieder ein wenig besser?" "Sicher." Er versuchte zu lächeln, was aber kläglich misslang. Cara kniete sich vor ihn und nahm seine Hände in die ihren. Erst jetzt fiel ihm auf, dass ihre Augen geschwollen und rotumrandet waren. Carmens Tod war auch an ihr nicht spurlos vorüber gegangen. "Peter, so leid es mir tut, dich aus deiner Trauer zu reißen, aber wir haben dafür nun wirklich keine Zeit. Leider sind wir hier immer noch gefangen und wir müssen hier so schnell als möglich heraus." Ihre Worte brachten ihn schnell zu den Tatsachen zurück. Cara hatte zweifelsohne recht. Trauern konnte er später noch. Wer wusste schon wie viel Zeit sie noch hatten, um hier heraus zu kommen. Er sah sich um. Doch außer ihnen und Carmens Körper, befand sich niemand mehr im Raum. "Wo sind die anderen Mitglieder der Sing Wah?" "So wie es ausschaut, wurden sie aus dieser Dimension gerissen, als der Kristall explodiert ist. Nur wir sind noch da." Peter spürte wie seinen Lebensgeister wieder erwachten und erhob sich. In einer für ihn typischen Geste fuhr er sich durch die Haare. "Na toll, die bösen Buben durften gehen und die Guten sind noch im Gefängnis. Das hier stinkt zum Himmel." Sein Blick irrte zu Carmen, die so friedlich aussah, als würde sie nur schlafen. Seine Gesichtszüge änderten sich, tiefe Traurigkeit spiegelte sich in ihnen wieder. Cara drückte Peters Hand. "Es tut mir so leid, Peter." Peter schlang beide Arme um die zierliche Frau und zog sie eng an sich. Sie erwiderte seine Umarmung liebvoll. Peter vergrub das Gesicht in ihren Haaren und atmete ein paar Mal tief durch. Nur allzu bekannte Feuchtigkeit sammelte sich in seinen Augen, doch diesmal widerstand er dem Drang, den Tränen freien Lauf zu lassen. Es war wirklich höchste Zeit, um sich um die Lebenden zu kümmern. Einen Augenblick später löste er sich von Cara und legte ihr den Arm um die schmalen Schultern. "Komm, lass uns zu den anderen gehen. Ich will endlich nach Hause." Cara konnte ihm da nur aus tiefstem Herzen zustimmen. ********************** Peter fuhr sich zum wiederholten Male durch die Haare, die mittlerweile in alle Himmelsrichtungen standen. Es kam ihm vor, als würden sie nun schon seit Stunden herum diskutieren und waren noch immer zu keinem Ergebnis gekommen. "Wenn das so weitergeht, dann sitzen wir hier noch bis in alle Ewigkeiten herum", ließ sich Cara frustriert vernehmen. "Wenn du weißt, wie wir hier heraus kommen, dann rück heraus damit", erwiderte Kermit, der mit verschränkten Armen gegenüber saß. "Wenn ich das wüsste, dann wären wir schon längst weg von hier", schoss Cara zurück. Caine hob beschwichtigend die Hand. "Es bringt nichts, wenn ihr anfangt zu streiten. Nur aus der Ruhe kann ein klarer Gedanke entstehen." "Meine Ruhe habe ich verloren, als ich in dieses verdammte Abenteuer geschlittert bin", murmelte Kermit so leise, dass es keiner verstehen konnte. Laut meinte er. "Hast du irgend eine Idee?" Caine schaute zum wiederholten Mal zu dem Obelisken auf. Ein nachdenklicher Ausdruck lag auf seinem Gesicht. "Ich bin mir nicht sicher. Es ist möglich, dass..." Weiter kam er nicht, denn plötzlich stöhnte Peter laut und krümmte sich nach vorne. Mit einem großen Schritt sprang Caine neben ihm und schaute besorgt auf seinen Sohn hinunter. "Peter, was ist los?" Er wollte seinem Sohn die Hand auf die Schulter legen, doch zu seinem Entsetzen glitten seine Finger glatt durch Peters Schulter hindurch. Alle sahen, wie sich der junge Shaolin einen Moment lang vor ihren Augen auflöste und sich dann wieder materialisierte. "Schon wieder vorbei, ich hatte nur einen kleinen Krampf", keuchte Peter. Einen Moment später fasste er sich wieder und starrte leicht verwundert in die besorgten, blassen Gesichter seiner Freunde um ihn herum. "Was ist, habt ihr gerade einen Geist gesehen, oder was?", erkundigte er sich leichthin. Kermit erwiderte in ebenso leichtem Tonfall: "Nein, nein. Du hast uns nur überrascht mit deiner kleinen Einlage hier, das ist alles." Keiner hatte das Herz ihm mitzuteilen, was gerade geschehen war. Cara musste sich von Peter wegdrehen, um die Träne zu verheimlichen, die ihr über die Wange lief. Ihr war ebenso klar, wie all den anderen, was das bedeutete. Peters irdischer Körper lag im Sterben. Die Zeit lief aus. Dankbar sah sie zu Kermit auf, der neben sie trat und die Hand auf ihre Schulter legte. Seine Augen teilten ihr stumm mit, was er, aus Rücksicht auf Peter, nicht laut mitteilen konnte. "Um auf deine Idee zurück zu kommen, Caine. Woran hast du gedacht?", kehrte Kermit schließlich zum Thema zurück. "Schwingung", lautete Caines knappe Antwort. Ein verstehender Blick wechselte zwischen dem Ex-Söldner und dem Priester. Kermit nickte zustimmend. "Ein Versuch ist es alle mal wert. Tu es." Daraufhin erhob sich der Shambhala Meister und ließ sich knapp einen Meter neben dem Obelisken in eine Lotusposition sinken. Er schloss die Augen, verbannte all die Gedanken um Peter und dessen Wohlergehen aus seinen Gedanken und ließ sich in eine tiefe Trance fallen. Im Geiste wurde er eins mit seiner Umgebung. Es dauerte nicht lange und sein Oberkörper begann sich in stetigem Rhythmus hin und her zu bewegen. Die Bewegung blieb immer gleich. "Kann mir mal einer erklären, was das nun plötzlich soll? So kommen wir doch auch nicht weiter", meldete sich Peter frustriert zu Wort. Kermit wandte den Blick nicht von Caine ab, ein leichtes Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. "Vielleicht doch", erwiderte er. "Und wie? Ich sehe hier nur einen hin- und herschwankender Caine. Damit bringt er diesen doofen Stein auch nicht zum brechen", mischte nun auch Cara mit. Kermit schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. "Ich sehe, von Physik verstehst ihr nicht allzu viel. Was ihr seht ist Caine, der die Schwingung des Obelisken aufgenommen hat." "Ich verstehe trotzdem nichts", warf Peter ein. Kermit verdrehte die Augen. "Gut, dann versuche ich es mal dir zu erklären. Vielleicht hast du schon einmal die Geschichte gehört in der Soldaten über eine Brücke liefen und sie dadurch zum Einstürzen brachten. Sie hatten das Pech mit ihrem Gleichschritt die Gegenschwingung zu der Brücke zu schaffen und das hat sie zum Einsturz gebracht. Hier ist es dasselbe Prinzip." Langsam dämmerte es Peter worauf Kermit hinaus wollte. "Ah wir sollen praktisch die Gegenschwingung erzeugen." "Nun hast du es kapiert." Kermit erhob sich und bedeutete den beiden anderen es ihm gleich zu tun. Dann wies er Cara und Peter an, sich hintereinander mit gegrätschten Beinen parallel zu Caine aufzustellen. Er selbst stellte sich an die Spitze des Dreigespanns. "Tut nun genau das, was ich auch tue und sprecht nicht mehr. Jede andere Schwingung kann die Gegenschwingung wieder zerstören. Es ist keine große Chance, aber das Beste, was wir anzubieten haben." Peter und Cara nickten zustimmend. Atemlos standen sie da und warten was Kermit nun tun würde. Dieser beobachtete noch einen Augenblick Caine, bevor er seinen rechten Fuß anhob und mit ihm, als Caine mit dem Oberkörper zurück schwang, auf den Boden stampfte. Cara und Peter machten es ihm nach. Bald hatten sie einen monotonen Rhythmus gefunden, so dass das Aufstampfen fast von alleine ging. *Das klappt doch Niemals*, dachte Peter als sich nach einer, wie es ihm vorkam, halben Ewigkeit rein gar nichts tat. Der monotone Rhythmus ermüdete ihn und außerdem fing sein Fuß an zu schmerzen, gar nicht zu reden von anderen Körperteilen, die noch von dem vergangen Kampf in Mitleidenschaft gezogen waren. Den anderen erging es auch nicht viel besser, doch sie hielten eisern durch. Besonders Kermit und Cara war nur allzu sehr bewusst, dass dies Peters einzige Chance war, lebend hier heraus zu kommen. Dieses seltsame Auflösen konnte jeden Moment wieder geschehen und niemand wusste, ob er sich dann auch wieder Materialisieren würde. In Gedanken konnten sie nur hoffen, dass es Dr. Sabourin gelang, Peter lange genug am Leben zu erhalten, um ihn hier heraus zu schaffen, so seltsam sich das im Moment auch anhörte. Peter war kurz vor dem Aufgeben, als er plötzlich ein leises Knacken hörte. Er blickte nach oben und entdeckte einen ersten kleinen Riss, der sich am oberen Ende des Obelisken zeigte. Im letzten Moment konnte er sich verkneifen die anderen beiden darüber zu informieren. Er wandte den Blick von dem Riss ab und schaute zu den beiden vor ihm stehenden. Erleichterung flutete ihn, als er sah, dass sie ebenfalls nach Oben schauten. Sie hatten es also auch entdeckt. Der kleine Riss breitete sich langsam immer mehr aus, wurde zu einem Spalt. Ein immer lauter werdendes Knirschen erklang. Der Obelisk fing an so stark zu schwanken, dass man die Schwingung nun mit bloßem Auge erkennen konnte. Die Erde unter ihren Füßen fing an zu Beben. Es war schwer das Gleichgewicht zu halten und dennoch weiterhin mit den Fuß aufzustampfen, aber irgendwie schafften sie es. Ein Grollen, das tief aus der Erde zu kommen schien, zerriss nun die Luft. Auch es nahm an Intensität zu. Die ersten kleineren Brocken lösten sich aus dem Obelisken und schlugen wenige Meter von ihnen entfernt auf dem Boden auf. Das milchig-graue Flimmern, das den Obelisk umgab, begann zu wabern. Peter kamen die ersten Zweifel, ob es gut war, sich so dicht vor dem Stein aufzuhalten, wenn der sich jeden Moment in seine Einzelteile auflösen konnte. Was nützte es ihnen, wenn es ihnen gelänge den Obelisken zu zerstören, sie aber dadurch von den herumfliegenden Steintrümmern erschlagen werden würden? Mit einem Male war wieder diese hohe Surren zu vernehmen, das sie auch vernommen hatten, als der Kristall Shin Taos zerstört worden war. Das Flimmern des Steines verwandelte sich in stinkenden, schwarzen Rauch, der in den Augen brannte. Auch das Grollen in der Erde nahm zu. Das Beben entwickelte sich zu einem ausgewachsenen Erdbeben, so dass sie nicht länger das Gleichgewicht halten konnten und zu Boden stürzten. Unter einem grässlichen Knarren und Knirschen gab der Obelisk nun endgültig nach. Immer größere Brocken lösten sich aus dem schwarzen Gestein und hagelten rings um sie herum zu Boden. Es kam einem Wunder gleich, dass sie bis jetzt noch nicht getroffen worden waren. Sie versuchten auf die Beine zu kommen, um irgendwo Deckung zu suchen, doch sie hatten keine Chance gegen das heftige Beben. Jeder Versuch aufzustehen, wurde schon im Ansatz vereitelt. Plötzlich brach der Boden unter ihnen auf. Das ging so schnell, dass sich niemand von ihnen auf die Seite rollen konnte. Sie fielen in eine bodenlose Schwärze. Nur Sekunden später wurden sie vollkommen von der Dunkelheit verschluckt. Caras angstvolle Schreie verhallten ungehört, denn noch mitten im Fallen, begannen sich die Körper aufzulösen.
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