Epilog Eine Woche später. "Bin ich eingeladen?" Caine trat an die Seite seines Sohnes, der auf der Parkbank im Krankenhauseigenen Park saß und nachdenklich in die Ferne starrte. Peter zuckte zusammen. Sein Blick glitt zu seinem Vater, der immer noch abwartend neben ihm stand. "Oh hallo, Paps. Ich habe dich gar nicht kommen gehört. Nimm Platz." Caine setzte sich und sah seinen Sohn aufmerksam an. "Du bist durcheinander", stellte er fest. Peter seufzte leise. "Nicht direkt, ich habe nur nachgedacht." Caine zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. Peter machte ein weitausholende Geste mit der Hand. "Nichts spezielles Paps, ich habe einfach nur meine Gedanken schweifen lassen. Jody, war übrigens gerade hier." "Ich weiß, ich habe sie auf dem Weg zu dir angetroffen." "Hat sie dir gesagt, dass sie sich um mich kümmern wird, wenn ich in ein paar Tagen entlassen werde? Der Doktor meinte, es würde noch eine Weile dauern, bis die Steifheit in meinem Oberkörper nachlässt und ich in der Lage bin, mich wieder eigenständig zu versorgen. Ich bin sehr froh, dass Jody diesen Vorschlag gemacht hat. Somit musst du dir keine Gedanken machen und kannst den Neffen von Lo Si auf seiner Reise begleiten. Die paar Tage werden wir ja hoffentlich mal Ruhe vor den Sing Wah, Dim Mak, Chi Ru und wie sie alle heißen haben. Was meinst du, Paps, sollen wir vielleicht ein Schild vor unsere Tür hängen und Betriebsferien anmelden? Vielleicht geben die bösen Buben so eine Weile ruhe. Ich will wirklich nicht schon wieder in solch ein Abenteuer verstrickt werden. Oh, und hast du schon von Skalany gehört, dass ... " Caine hob die Hand, um das hyperaktive Geplapper seines Sohnes zu unterbrechen. "Was bedrückt dich mein Sohn?" Peter schloss mit einem leisen Seufzen die Augen und lehnte seinen Kopf zurück, um sich von den warmen Strahlen der Sonne liebkosen zu lassen. Ein tiefer Atemzug hob seine Brust, bevor er den Kopf wieder anhob und zu seinem Vater herüber blickte. "Weißt du wie sehr ich die Sonne vermisst habe, das Licht und die Wärme?" Seine Gesichtszüge verdüsterten sich. Fahrig strich er sich durch die Haare. "Paps, diesmal hatte ich wirklich Angst. Ich dachte, ich würde einen friedlichen Tag wie diesen hier nie wieder erleben dürfen. Es war zu knapp, viel zu knapp diesmal. Und am meisten hat es mir angst gemacht, dass wir beide, trotz all der Dinge zu denen wir in der Lage sind, dem ganzen völlig machtlos gegenübergestanden sind. Jedes Mal wenn ich die Augen schließe, frage ich mich, wo ich dann wieder aufwachen werde. Was, wenn die Sing Wah erneut zuschlagen und das nächste Mal keine Cara oder kein Kermit zur Stelle sind? Was, wenn wieder Unschuldige sterben müssen und das nur, weil wir so viele Feinde haben? Wann kommt der nächste Angriff? Wer wird der nächste Gegner sein? Warum können wir nicht einfach ein normales Leben führen, wie jeder andere auch?" Die Worte brachen in einem einzigen Schwall aus ihm heraus. Es tat gut sich die Sorgen, die sich in den vielen rastlosen Stunden im Krankenbett angestaut hatten, von der Seele reden zu können. "Es ist unser Schicksal, unser Pfad, den wir erfüllen müssen", gab Caine nach einer Weile des Nachdenkens zurück. Peter schnaubte durch die Nase. "Na toll, ist das alles, was du dazu zu sagen hast? Ich entblöße meine Seele vor dir und du kommst mit einer nichtssagenden Phrase daher." Caine blickte seinen Sohn missbilligend an. "Peter, wir können unser Schicksal nicht ändern. Wir können uns nur unseren Ängsten stellen und sie dadurch besiegen. Du musst lernen loszulassen, mein Sohn." Peter wollte gerade den Mund öffnen um dem heftigst zu widersprechen, als Caine zu seiner Überraschung mit seiner Rede fortfuhr. "Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn du tatsächlich ein anderes, wie du dich ausdrückst, normales Leben führen würdest? Hast du darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn du niemals Kermit, Paul, Annie oder Cara kennen gelernt hättest? Hast du darüber nachgedacht, welch schöne Dinge du alle nicht erlebt hättest, wäre dein Leben anders verlaufen? Hast du darüber nachgedacht wie viele Menschen gestorben wären, wärst du nicht da gewesen und hättest sie gerettet? Woher nimmst du die Garantie, dass es in einem anderen Leben, bei einem anderen Lebensstil, alles besser verlaufen würde? Denke über all das nach, mein Sohn und wäge ab. Entscheide, was überwiegt, die Freude, die du in deinem jetzigen Leben hast, oder die Furcht." Peter starrte seinen Vater mit großen Augen an. So eine lange Rede hatte er noch nie von ihm gehört. Der Shambhala Meister erwiderte seine Blick ruhig und in sich gekehrt, er wartete darauf, dass Peter seine Entscheidung traf. Peter wandte den Blick ab und verfiel in dumpfes Brüten. Sein Vater hatte mal wieder recht. Er hatte Stunden in seinem Bett verbracht über die Ängste und all die negativen Dinge nachzudenken, aber an die positiven Dinge wie Annies Mutterliebe, oder die Freundschaft zu Cara oder Kermit, oder gar die Liebe seines Vater hatte er keinen einzigen Gedanken verschwendet. Seine Gedanken wirbelten wird durcheinander. In schneller Reihenfolge sah er Stationen seines Lebens vor seinem inneren Auge vorüber ziehen. Negative, als auch positive. Noch einmal erlebte er den Brand im Tempel, die schrecklichen Jahre im Waisenhaus, doch dann waren da auch Annie und Paul, die ihm so liebevoll ein Zuhause gegeben hatten. Immer mehr positive Dinge fielen ihm ein. Das berauschende Gefühl, das er empfunden hatte, als er zum ersten Mal ein Leben gerettet hatte. Die unwahrscheinliche Freude Carolins Baby in den Hände zu halten und Onkel zu sein. Der Dankbare Blick von Misses Sung, die dank seines Tees wieder schmerzfrei war. Die leuchtenden Kinderaugen, die ihn voller Hingabe und offener Zuneigung anschauten wenn er ihnen Unterricht in Kung Fu gab. Das warme Gefühl der schmalen Kinderärmchen um seinen Hals, wenn sie sich vertrauensvoll um seinen Nacken schlangen. In aller Deutlichkeit wurde ihm bewusst, dass er all die Sachen auf keinen Fall missen wollte. Verglichen zu all den überschwänglichen Gefühlen, die die Erinnerungen in ihm auslösten, verpuffte der Horror der vergangenen Wochen, oder all die bösen Dinge, die er sonst noch erlebt hatte zu nicht mehr als einem lauen Lüftchen. Es war schlichtweg sein Leben. Sein Schicksal, so wie sein Vater es ihm gesagt hatte. Was machte es schon, wenn immer wieder dubiose Gestalten auftauchten, die ihm oder seinem Vater nach dem Leben trachteten? Mit all den Freunden, die so fest zu ihm standen, konnte doch nichts schief gehen, oder? Schließlich kehrte er aus seiner Gedankenwelt zurück. Ein breites Lächeln hatte sich auf seine Lippen gestohlen. "Danke Paps, dass du die Dimensionen wieder gerade gerückt hast", meinte er schlicht. Caine neigte den Kopf. "Keine schlimmen Gedanken mehr aufgrund des Erlebten?" "Um ehrlich zu sein, werde ich sicher noch eine Weile brauchen, um darüber hinweg zu kommen, doch das geht uns allen so. Ich weiß mit der Zeit wird mir das eh alles vorkommen wie ein schlechter Traum. Aber ich denke auch es lohnt sich auf jeden Fall mehr nach vorne zu schauen und weniger in die Vergangenheit. Wer weiß, was das Schicksal noch für uns bereit hält." Caine konnte ein erleichtertes Lächeln nicht zurück halten. Langsam aber sicher kam der alte Peter wieder zum Vorschein, derjenige, der es nicht erwarten konnte, sich in das nächste Abenteuer zu stürzen. Der Shambhala Meister hob die Hand und versetzte seinem Sohn einen sanften Schlag auf die Wange. "Nur um die Lektion zu verinnerlichen." Peter blickte seinem Vater mit einem gespielt bösen Blick an, im nächsten Augenblick lächelte er wieder breit. "Hey, habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass Cara und Kermit nachher noch kommen wollen? Vielleicht können wir gemeinsam etwas unternehmen, einen Spaziergang durch den Park machen, oder wir können auch einfach nur hier sitzen und uns unterhalten. Oder wir können Pläne schmieden wie wir es dieser Schwester Clarissa heimzahlen, die mich immer mit diversen Nadeln malträtiert. Was hältst du davon?" Caine konnte über die ungestüme Art seines Sohnes nur den Kopf schütteln. Innerlich spürte er eine große Welle der Erleichterung über ihn waschen. Ja, das Leben hatte Peter Caine definitiv wieder. ************************ "Prinzessin, bist du nun endlich soweit? Wir wollen doch Peter nicht zu lange warten lassen", rief Kermit von der Treppe hoch. "Ich komme ja schon", rief Cara zurück während sie auf einen Fuß herum hüpfte, um die Sandalette anzuziehen. Wenige Sekunden später stürmte sie mit glänzenden Augen die Treppe hinunter und drückte Kermit einen Begrüßungskuss auf die Lippen. "Siehst du, ich bin ja schon da." "Das wurde aber auch Zeit, Prinzessin", meinte Kermit und ergriff ihre Hand, um sie zur Türe zu führen. Cara blickte Kermit von unten herauf an. Ein schelmisches Lächeln lag auf ihren Lippen. "Sag mal, warum nennst du mich eigentlich seit neuestem ständig Prinzessin? Weil ich einen Frosch geküsst habe?" Kermit lachte bei der Frage laut heraus. "Nur schade, dass sich der Frosch nicht in einen Prinzen verwandelt hat, was?" Cara betrachtete ihn von oben bis unten. "Nun ja, ein paar Kleinigkeiten fehlen tatsächlich zum Prinzen, aber ich bin mit dem, was ich da habe sehr zufrieden. Doch meine Frage hast du damit nicht beantwortet." Kermit wurde plötzlich ernst und blieb stehen. Er zog seine Brille von der Nase und verstaute sie in seiner Jackentasche. Dann hob er die Hände, legte sie sanft um ihr Gesicht und sah ihr tief in die Augen. Rohe, unverblümte Emotionen leuchteten ihr entgegen. "Du willst wissen, warum ich dich Prinzessin nenne? Ganz einfach, weil du für mich etwas ganz besonderes und kostbares bist, das ich nicht mehr missen will. Als kleiner Junge habe ich immer davon geträumt, mit der Prinzessin meiner Träume in den Sonnenuntergang zu reiten. Je älter ich wurde, desto klarer wurde mir, dass ich so eine Frau wohl niemals finden würde. Besonders nicht mit meinem Beruf. Doch ich habe mich geirrt, denn ich habe sie gefunden. Und diese Frau, das bist du. Du bist meine Prinzessin." Cara konnte Kermit nur mit offenen Mund anstarren. Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit solch einer romantischen Rede. Es kam selten vor, aber diesmal war sie wirklich sprachlos, ihr fiel kein einziges Wort ein, das sie darauf erwidern konnte. Kermit hauchte ihr noch einen sanften Kuss auf die Lippen, bevor er sie los ließ und sich die Brille auf die Nase setzte. Einen Moment später hatte er seine übliche undurchdringliche Miene aufgesetzt. Sein typisches Haifischgrinsen zeigte sich in seinem Gesicht. "Was ist nun, willst du hier länger wie eine Götzenstatue herum stehen, oder besuchen wir nun Peter?" "Peter", konnte sie nur stammeln. So schnell wie Kermit von einer Stimmung in die nächste wechseln konnte, da kam sie einfach nicht mit. Ihr gesamtes Sein war erfüllt von einer tiefen Wärme und Zuneigung und ihr wurde wieder einmal mehr klar, dass sie diesen großen starken Mann an ihrer Seite über alles liebte. Ja, das Leben war gut. ENDE Nächste Story: The Trip
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