"Vielen Dank. Stimmt so." Cara drückte dem Taxifahrer einen Geldschein in die Hand, stieg aus dem Taxi und schaute mit gemischten Gefühlen zu dem dreistöckigen Backsteingebäude empor. Die erste Etappe ihrer Reise war gelungen. Knapp zwei Minuten später erreichte sie keuchend ihr vorläufiges Ziel, nämlich Caines Appartement. *Nur gut, dass er nie abschließt*, dachte sie und trat ein. Suchend schaute sich Cara in Caines Wohnung um. "Komm schon", spornte sie sich selbst an. "Erinnere dich, wo Peter es hingetan hat. Er hat dir den Platz doch gezeigt." Ihr Blick fiel auf die kleine Kommode neben dem Eingang zur Apotheke. Ein leichtes Lächeln erschien auf ihren Lippen. Ja, da musste es drin sein. Caras Finger zitterten leicht, als sie die Kommode aufzog und einige Papiere zur Seite schob. Da war es, das beige Buch mit dem Sonnenzeichen darauf. Sie zog es hervor und drückte es an ihre Brust, als wäre es ein Rettungsanker. Tausend Schmetterlinge tanzten in ihrem Bauch, als sie daran dachte, was sie vorhatte. Mit dem Buch in der Hand ging sie in den Meditationsraum. Sie legte es in die Mitte des Zimmers und überlegte einen Moment. Dann zündete sie sowohl ein paar der Räucherstäbchen an, die neben dem Goldenen Buddha in einem Glas auf dem Altar standen, als auch die beiden dicken Kerzen, die den Buddha links und rechts einrahmten. Noch einmal dachte sie angestrengt nach. Ja, das war alles gewesen, was Caine immer getan hatte, wenn er meditieren wollte. In ihren Augen waren die Vorbereitungen hiermit abgeschlossen. Cara kehrte zum Buch zurück und setzte sich im Schneidersitz davor. Ihre Finger zitterten, als sie das Sonnenzeichen von Shambhala aus ihrer Hosentasche zog. "So, und nun wollen wir mal sehen, ob ich euch nicht erreichen kann", murmelte sie, während sie das Sonnenzeichen in die dafür vorgesehene Mulde legte. Im Krankenhaus hatte sie sich an ein Gespräch mit Caine erinnert, der sie damals dazu überreden wollte als rechtmäßiger Besitzer des Buches von Shambhala dieses auch an sich zu nehmen. Er hatte ihr erzählt, dass man mit Hilfe des Buches in viele fremde Dimensionen reisen konnte und das war auch der auslösende Gedanke gewesen, weshalb sie hierher gekommen war. Für sie stand einwandfrei fest, dass es sich bei Caines und Peters Koma um kein normales Koma handelte. Sie mussten sich in einer fremden Dimension befinden und genau dahin wollte sie sich nun begeben. Wie hypnotisiert starrte Cara auf das Buch. Eigentlich musste es sich nun öffnen, schließlich war es damals, als sie mit Peter zusammen in die Hände der Sing Wah geraten war, auch so gewesen. Es tat sich nichts. "Na nun komm schon, geh endlich auf du verdammtes Ding", rief sie aus. Das Buch reagierte nicht. Nicht einmal ein schwaches Glimmen wurde sichtbar. Ungeduldig seufzte Cara auf. Um sich Mut zu machen redete sie weiterhin laut. "Sag bloß es gibt ein Wort damit du dich öffnest, habe ich das damals einfach überhört? Also gut, probieren wir es mal mit Sesam öffne dich." Nichts geschah. "Abrakadabra." Nichts. Cara probierte alle Worte aus, die ihr in den Sinn kamen, um das Buch zur Mitarbeit zu bewegen, doch es verweigerte schlichtweg die Kooperation. Heiße Tränen stiegen Cara in die Augen. Die ganze Anspannung und die Sorge um die zwei Personen die ihr mehr als alles andere am Herzen lagen entlud sich in einem heftigen Weinkrampf. In ihrer Hilflosigkeit und der tiefen Qual, die sie empfand schlug sie mit ihren Fäusten auf das Buch ein. "Ich bin dein Besitzer, du hast mir zu gehorchen, nur mir!", schrie sie. Dann brach sie schluchzend über dem Buch zusammen. Einige Minuten verstrichen bis Caras Weinen verebbte. Das einzige Resultat, das sie davon hatte, waren pochende Kopfschmerzen und aufgeschürfte Knöchel, die langsam anfingen zu brennen. "Warum reagierst du nicht du dummes Ding. Es geht um Leben und Tod, kannst du das nicht erkennen?", redete sie auf das Buch ein als wäre es ein Mensch. Irgendwann konnte sich Cara nicht mehr länger gegen den Gedanken wehren, dass nun hiermit auch ihre allerletzte Hoffnung zerstört wurde. Das Schicksal von Caine und Peter schien durch ihre Niederlage besiegelt. Die alten Selbstvorwürfe keimten erneut auf. Durch ihre Unlust alleine zu fahren, hatte sie nicht nur Peter, sondern nun auch noch Caine auf dem Gewissen. Plötzlich stieg eine unbändige Wut in ihr auf. Cara ergriff das Buch und schmiss es mit aller Kraft gegen die Mauer. Es gab einen lauten Schlag, als das Buch gegen die Wand krachte, was Cara fast befriedigt registrierte. Erst auf dem zweiten Blick erkannte sie, dass sich das Buch geöffnet hatte und sanft in einem reinen weißen Licht zu glühen anfing. "Was ist denn nun los?", brachte sie hervor. Schwankend kam sie auf die Beine und ließ sich vor dem Buch nieder, dessen Glühen immer stärker wurde. Sie streckte die Hand aus, als müsse sie sich davon überzeugen, dass sie nicht träumte. In dem Moment, als ihre Finger das Blatt berührten, erfüllte ein gleißender Lichtblitz das Zimmer. Wie vom Blitz getroffen fiel ihr Körper zur Seite. Kurz noch zuckten die Finger ihrer linken Hand, die Kontakt zu dem Buch hatten, dann lag sie absolut reglos und still da. Gleichzeitig verblasste auch das Glühen des Buches ************************************* Annie saß an Peters Bett, seine Hand hielt sie nach wie vor fest umklammert. Das Laken unter ihr war feucht von ihren Tränen, die sie nicht mehr länger hatte zurück halten können, nachdem Kermit und Jody aus dem Zimmer gestürmt waren, um Cara zu suchen. In Momenten wie dem jetzigen, fragte sie sich, wie lange sie das alles noch ertragen konnte. Zuerst hatte Paul sie verlassen, um seine Dämonen zu bekämpfen wie er sich ausgedrückt hatte. Die sporadischen Nachrichten, die sie ab und an von ihm erhielt, trugen nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei. Sie vermisste Paul ungemein, besonders in Zeiten wie diesen und in den langen einsamen Nächten Zuhause in ihrem großen Doppelbett. Nun lagen Peter und Caine hier im Sterben. Mit jeder Minute, die verging, wurde klarer, dass nur noch ein Wunder die Beiden retten konnte. Und nun war zu allem Überfluss auch noch Cara verschwunden. Sie hob Peters schlaffe Hand hoch und drückte ihm einen Kuss auf den Handrücken. "Oh Peter, bitte komm zu dir. Ich könnte es nicht ertragen, dich auch noch zu verlieren. Lass uns nicht alleine", flüsterte sie. Eine leises Geräusch vor der Türe ließ Annie zusammen zucken. Obwohl es sehr leise war, hatte ihren scharfen Ohren es vernommen. Annie straffte sich, fuhr sich schnell mit den Händen über das Gesicht, um die Tränenspuren wegzuwischen und wartete bis die Türe geöffnet wurde. Kermit und Jody traten ein. Schon an den schleppenden Schritten konnte sie erkennen, dass sie keinen Erfolg gehabt hatten. Dennoch erkundigte sie sich: "Habt ihr sie gefunden?" Jody schüttelte den Kopf. "Nein, leider nicht. Cara scheint vom Erdboden verschwunden zu sein. Niemand hat sie gesehen, niemand hat etwas gehört." "Jeden Stein haben wie hier umgedreht, nichts. Ich habe eine Vermisstenmeldung heraus gegeben", fügte Kermit noch hinzu, während er seinen Platz an der Wand wieder einnahm. Jody trat an Peters Bett. "Gab es hier irgendeine Veränderung?", erkundigte sie sich. Annie konnte nur stumm den Kopf schütteln, sie traute ihrer Stimme nicht. Jody streckte die Hand aus und strich Peter eine Haarsträhne aus der Stirn, ein tieftrauriger Ausdruck lag in ihren Augen. *Ich hoffe nur, es war nicht das letzte Mal, dass ich das machen kann*, dachte sie. ********************************** Cara stöhnte leise und hielt sich mit beiden Händen ihren Kopf fest, der fast zu zerspringen drohte. "Oh Mann, eine Migräne kann ich jetzt aber absolut nicht gebrauchen", murmelte sie. Mit einem weiteren Ächzen kam sie in eine kniende Position und schaffte es nach mehreren Versuchen auch, ihre Augen zu öffnen, die so stark tränten, dass sie im ersten Moment nichts erkennen konnte. "Heiliges Kanonenrohr, wo bin ich denn hier gelandet?", rief sie aus, nachdem sich ihre Augen sich an das diffuse Dämmerlicht gewöhnt hatten, das sie umgab. Die bohrenden Kopfschmerzen waren aufgrund der bizarren Landschaft, die sich vor ihr auftat, total vergessen. Soweit sie schauen konnte sah sie nur verdorrtes grau-braun verfärbtes Gras, schwarze Felsen und die kläglichen, verkohlten Reste dessen, was einmal ein Wald gewesen sein musste. Der Himmel hatte eine ungesunde graue Färbung. Er war bedeckt mit rabenschwarzen Wolken, die fast bis zur Erde zu hängen schienen. Eine eiskalte Windböe fegte durch die seltsame Landschaft und ließ Cara erschauern. Beschützend schlang sie die Arme um ihren Körper, in der Hoffnung, sich so ein wenig zu wärmen. *Wenn ich gewusst hätte, wo ich hier lande, hätte ich mir einen dicken Pullover angezogen*, dachte sie sarkastisch. Ein weiterer Windstoß brachte sie dazu, einen kleinen Schrei auszustoßen. Sie konnte sich nicht helfen, doch die düstere, trübe und auch eindeutig gefährliche Stimmung, die hier überall in der Luft lag, trug nicht unbedingt zu ihrer Beruhigung bei. Im Gegenteil. Sie spürte immer mehr, wie ihre eigene Angst ihre Glieder zu lähmen begann. "Nein!" Cara schrie das Wort mit aller Kraft. Den Klang ihrer eigenen Stimme zu hören, machte ihr wieder ein wenig Mut. "Okay, nun reiß dich mal zusammen. Du bist hier, weil du eine Aufgabe zu erledigen hast, also schau gefälligst auch, wie du das bewerkstelligen kannst", sprach sie weiter. "Irgendwo hier sind Peter und Caine. Du musst sie nur finden." *Na toll, und wie?* stellte sie sich in Gedanken die Frage. Noch einmal schaute sie sich suchend um. Ihr Blick blieb an einer Art Gesteinshaufen hängen, den sie zuerst nicht bemerkt hatte. Mit viel Fantasie konnte das vielleicht eine zusammengefallene Hütte darstellen. Die Entfernung konnte sie nicht schätzen, es konnten 2 oder auch 20km sein. Alles sah in dieser Gegend merkwürdig verzerrt aus, selbst die Felsen. Irgendein Gefühl, das sie nicht näher bestimmen konnte sagte ihr, dass sie in diese Richtung laufen sollte. Sie zuckte die Schulter. *Die Richtung ist genauso gut wie jede andere auch. Dann mal ran.* Erneut fuhr ihr der Wind durch alle Glieder. Suchend schaute sie sich nach einer Möglichkeit um, dem kalten Wind ein wenig zu entgehen. Zum Waldrand wollte sie nicht gehen, der war ihr zu unheimlich. Zu ihrer Rechten entdeckte sie den sanften Abfall der Landschaft, das war ihr beim ersten Mal gar nicht aufgefallen. Sie trat näher an den Rand und entdeckte, dass es sich um ein ausgetrocknetes Flussbett handeln musste. Ohne lange zu überlegen, kletterte sie die Böschung hinab und beschloss, ihren Weg in diesem Flussbett fortzusetzen. Es führte in die richtige Richtung und der Wind toste dort unten deutlich weniger um sie heurm, weil er vom Rand der Böschung abgeschwächt wurde. *********************************** Kermit lief wie ein Tiger hin und her und zermarterte sich das Gehirn, was mit Cara geschehen sein konnte. Jody, die das nicht mehr mit ansehen konnte warf ein: "Kermit, beruhige dich um Himmels willen wieder. Das hier ist immer noch ein Krankenzimmer. Wir wissen nicht einmal, ob Peter und Caine in ihrem Zustand etwas mitbekommen oder nicht. Aber falls das der Fall ist, meinst du nicht, dass das sie beiden aufregen würde?" Kermit stoppte mitten in der Bewegung. In einer fahrigen Geste strich er sich durch die Haare. Jody hatte eindeutig Recht. Es half niemandem, wenn er hier so herum tigerte. Wenn er so weiter machte, machte er noch Peter Konkurrenz, dem die zappelige Art mehr eigen war als ihm. *Sogar das würde ich ertragen, wenn du nur wieder zu dir kommst*, dachte er. Er zögerte einen Moment und rang sich dann zu einer Entscheidung durch, hier konnte er eh nichts tun. "Jody, du bleibst hier bei Annie. Ich mache mich noch einmal auf die Suche nach Cara", meinte er entschlossen. Jody nickte zustimmend, sichtlich erleichtert, Kermit nicht länger in dieser Stimmung ertragen zu müssen. "Melde dich, wenn du etwas weißt", sagte sie einfach. "Das werde ich." Er ging zu Annie hinüber, um ihr einen Abschiedskuss auf die Wange zu geben, drückte Jody im Vorbeigehen kurz aufmunternd die Schulter und verließ das Zimmer. Auf dem Krankenhausflur kam ihm eine Schwester entgegen. "Detective Griffin, sie suchen Miss Thompson, richtig?", erkundigte sie sich. Kermit nickte bekräftigend. "Oh, yeah." "Schwester Katherine erzählte mir gerade eben, dass Miss Thompson vor ungefähr zwei Stunden das Krankenhaus verlassen hat und in ein Taxi stieg." "Verdammt, und warum erfahre ich das erst jetzt?", explodierte Kermit und starrte die Schwester düster durch seine Gläser an. Die Schwester zuckte zurück. "Sch…Schwester Katherine musste bis jetzt bei einem Notfall aushelfen. Sie hat erst gerade eben erfahren, dass Miss Thompson gesucht wird, ich... " Weiter kam die Schwester nicht, denn der Detective eilte schon mit großen Schritten auf den Ausgang zu. Kermits Gedanken wirbelten wild durcheinander. Für ihn stand felsenfest, dass Cara etwas vor hatte, was er ganz sicher nicht gutheißen würde. Wo steckte sie nur? Je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass sie sich eigentlich nur an drei Orten aufhalten konnte. Zuhause, in Caines oder in Peters Appartement. Nachdem Kermit die Corvair erreicht hatte, schloss er auf, setzte sich hinter das Lenkrad und schoss mit quietschenden Reifen aus dem Parkplatz. Sein erster Halt fand vor Caras Haus statt. Er stieg aus und betrat ihre Wohnung. Von ihr war weit und breit nichts zu sehen, nur einige offene Schubladen, die aussahen, als wären sie in fliegender Hast durchwühlt worden, teilten ihm mit, dass sie da gewesen sein musste. Ein dumpfes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. Sie führte eindeutig etwas im Schilde, nun musste er nur noch herausfinden, was es war und hoffen, dass er nicht zu spät kam. Diesmal benutzte er das Blaulicht, um auf schnellstem Wege zu Caines und Peters Appartement zu gelangen. Irgendwie hatte er das Gefühl, er würde sie dort eher finden. Leicht außer Atem erreichte Kermit Caines Wohnung, zum wiederholten Male diese vermaledeite Feuerleiter verfluchend. Kaum hatte er Caines Appartement betreten, da stellten sich die Härchen in seinem Nacken auf. Ein sicheres Zeichen, dass etwas nicht stimmte. Innerhalb einer Sekunde schaltete Kermit in den Söldnermode, der Eagle flog wie von selbst in seine Hand. Vorsichtig und sich nach allen Seiten umsehend, startete er die Durchsuchung von Caines Loft. Alles war ruhig, nichts schien nicht an seinem angestammten Platz zu sein. Auch seine geschärften Sinne teilen ihm mit, dass keine unmittelbare Gefahr drohte, doch dieses mulmige Gefühl in seinem Magen wollte nicht weichen. Als er in den letzten Raum, das Meditationszimmer, ging wusste er auch warum. Kermit stieß einen langgezogenen Fluch aus und überbrückte mit zwei schnellen Schritten die kurze Entfernung zu Cara, die regungslos auf dem Boden lag. "Oh Mann, Mädchen, was hast du bloß wieder angestellt?", murmelte er. Er kniete sichneben sie nieder und drehte sie vorsichtig zur Seite, um ihren Puls und ihre Atmung zu überprüfen. Zu seiner Erleichterung war alles kräftig und regelmäßig. Um sicher zu gehen, dass sie nichts gebrochen hatte, tastete er auf die Schnelle ihren Körper ab. Erleichtert atmete er auf, als er auch hier nichts finden konnte, dann fiel sein Blick auf das Buch. "Oh nein, Cara, du hast doch nicht..." wisperte er. "Doch du hast", gab er sich selbst die Antwort, denn dieses Buch kannte er nur allzu gut. Bilder von Caine und Peter, wie sie reglos in ihren Betten lagen blitzten in seinem Gedächtnis auf. Er spürte wie nagende Angst ihn überkam. Was, wenn mit Cara dasselbe geschehen war wie mit den Beiden? Tief zog er den Atem in seine Lungen ein, um sich zu beruhigen. Es nützte niemandem, wenn er jetzt die Nerven verlor. Nur einen kurzen Moment lang überlegte er 911 anzurufen, dann schob er den Gedanken zur Seite und entschloss sich dazu, Cara selbst ins Krankenhaus zu bringen. Das würde entschieden schneller gehen. Vorsichtig schob er seinen Arm unter ihren Oberkörper und den anderen Arm unter ihre Beine, um sie vom Boden hoch zu heben. Es gelang ihm nur wenige Zentimeter Cara anzuheben, weiter ging es nicht. "Na komm schon, so schwer kannst du in den letzten Stunden gar nicht geworden sein als dass ich dich nicht mehr hoch heben könnte, Prinzessin", redete er auf Cara ein. Ein weiterer Versuch brachte dasselbe Ergebnis. Kermit schüttelte verwundert den Kopf. Das
konnte doch nun wirklich nicht wahr sein. "Das gibt es doch nicht!", rief Kermit erneut aus, dem immer mulmiger zumute war. Mehrere Male versuchte er mit allen möglichen Tricks, Caras Hand von dem Buch zu lösen. Er hatte keinen Erfolg. Weder Caras Hand noch das Buch ließ sich von der Stelle bewegen. Schließlich musste Kermit einsehen, dass er so nicht weiter kam. Emotional und auch körperlich erschöpft, ließ er sich gegen die Wand sinken. Mehrere Sekunden verharrte er in dieser Position, bevor er nach seinem Handy tastete, um Hilfe zu rufen. Seine Finger griffen ins Leere. Kermit fluchte laut, als ihm einfiel, dass er das Handy im Krankenhaus hatte liegen lassen, als er mit dem Revier telefoniert hatte. Es musste noch immer auf Caines Nachttisch liegen, wo er es abgelegt hatte, um Annie zu helfen. Auf den Knien rutschte er ein wenig näher an Cara heran, hob ihren Oberkörper leicht hoch, so dass er ihren Kopf in seinen Schoß legen konnte. Zärtlich strich er Cara über die Stirn. In dieser Geste lagen all seine Gefühle, die er für sie empfand. Zwei Seelen stritten in seiner Brust. Er war hin und her gerissen Hilfe zu holen, wollte aber gleichzeitig Cara nicht allein lassen. Einen letzten Versuch, sie vielleicht doch noch aufwecken zu können, wollte er auf jeden Fall noch unternehmen. Er klopfte ihr sanft auf die Wangen. "Komm schon Prinzessin, mach die Augen auf, dein Frosch ist hier", redete er in einer für ihn ziemlich unübliche Weise auf sie ein. Sie reagierte nicht. Kermit spürte, wie seine Hoffnung langsam dahin schwand. Noch einmal versetzte er ihr ein paar leichte Schläge auf die Wange. "Prinzessin, du kannst mich doch nicht einfach alleine lassen, ich habe dich doch erst gerade gefunden", gab er seinen Gefühlen Ausdruck. Angst griff mit kalter Hand nach seinem Herzen. Etwas musste hier geschehen und das so schnell als möglich. Es geschah auch etwas, aber aus einer gänzlich unterwarteten Richtung. Inzwischen war Kermit klar geworden, dass er sie verlassen musste, um Hilfe zu holen, ob er wollte oder nicht. Er war so vollkommen auf Cara fixiert, dass er nicht bemerkte, wie das Buch neben ihm zart zu glühen anfing. "Okay Prinzessin, wenn du nicht zu mir kommen willst, dann muss ich eben zu dir kommen. Keine Angst, ich werde dich niemals alleine lassen, aber ich muss dennoch ein paar Minuten weg. Ich bin gleich wieder zurück", flüsterte er. Falls sie ihn doch hörte, dann wusste sie nun immerhin, dass sie in ihrem Kampf oder was immer sie gerade erlebte nicht alleine war. Kermit schloss die Augen und beugte sich über
sie, um ihr einen Kuss auf die Stirn zu drücken. Seine linke Hand,
hatte er auf die Stelle gelegt, an der sich ihr Herz befand. Die Heftigkeit
seiner Gefühle, die er für Cara empfand, drohte ihn fast zu
überwältigen. Von ganzem Herzen hoffte er, dass sie wenigstens
das spüren konnte. ******************************** Dr. Sabourin betrat leise das Krankenzimmer. Jody blickte auf. Als sie den müden und düsteren Ausdruck auf Dr. Sabourins Gesicht sah, legte sie instinktiv eine Hand auf Annies Schulter, die ihren Kopf ebenfalls in Richtung der Ärztin drehte. Dr. Sabourin schluckte trocken in der Hoffnung, so den dicken Kloß, der sich in ihrer Kehle gebildet hatte, Herr zu werden. "Wir haben inzwischen die endgültigen Testauswertungen bekommen", fing sie an. Eine Pause entstand, Dr. Sabourin wusste nicht, wie sie das, was sie ihnen mitzuteilen hatte, formulieren sollte. "Und?", fragte Jody, die das warten auf Antwort nicht länger aushielt. Nur den Bruchteil einer Sekunde tauchte ein Hoffnungsschimmer auf, doch dann begegnete sie den Augen der Ärztin und sie wusste, es gab keine Hoffnung. Die Stimme der Ärztin zitterte leicht. "Nun, die weiteren Tests haben ebenfalls nichts brauchbares ergeben. Bis auf dieses EEG ist alles vollkommen Normal. Selbst Dr. Saunders, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Neurologie, dem wir das EEG zusandten konnte keinen Grund finden. Er meinte, er habe so etwas noch nie gesehen. Es... es tut mir leid, aber wir sind mit unserem Latein vollkommen am Ende." Totenstille herrschte in dem Zimmer. Man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören. Nur langsam sank das eben gehörte in Jody und Annie und machte der bitteren Wahrheit Platz. "D...d... das heißt, Peter und Caine haben höchsten noch drei Tage zu leben", flüsterte Annie, die ihre Hände so fest um Peters Hand geschlungen hatte, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Dr. Sabourin verspürte erneut heftige Gewissensbisse wegen ihrer hirnlos dahin gesagten Worte. Spontan trat sie zu Annie und legte ihr die Hand auf die Schulter. "Das ist doch noch lange nicht gesagt Annie. Sie werden sehen, es wird schon", versuchte sie zu trösten. "Worte, nichts als Worte", versetzte Annie bitter. "Woher wollen sie denn wissen, ob die beiden weiter leben, wenn sie nicht einmal die Ursache kennen?" Dem konnte Dr. Sabourin nicht wiedersprechen. Mit einem letzen aufmunternden Druck um Annies Schultern und einem geflüsterten, "Es tut mir leid", verließ sie niedergeschlagen das Zimmer.
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