Kapitel 9
Autor: Fu-Dragon

 

Langsam kam Kermit zu sich. Er atmete ein paar Mal tief ein und aus, um dem Gefühl der Übelkeit Herr zu werden.

Was war geschehen?

Als er sich der Umgebung bewusst wurde, in der er sich befand, fluchte er laut. Diese seltsam, bizarre Umgebung und die drückende Atmosphäre machte ihm schnell klar, dass er sich nicht mehr in Sloanville befand. Unwillkürlich glitt seine Hand zu seinem Holster. Gott sei Dank, der Eagle war noch da. Wenigstens eine beruhigende Entdeckung in dieser unheimlichen Welt.

Kermit erhob sich ächzend. *Toll, ich habe mir schon immer mal gewünscht, in eine andere Dimension zu reisen*, dachte er sarkastisch. Bei dieser Erkenntnis zog sich alle in ihm zusammen. Warum musste so was ausgerechnet ihm passieren? Ihm, der nur an das glaubte, was er mit eigenen Augen sah.

Caines und Peters Fähigkeiten waren ihm schon immer mehr als suspekt vorgekommen. Wenn möglich, dann hielt er sich mit Freuden von diesen irrationalen Dingen fern. Doch diesmal blieb ihm keine andere Wahl. Die fremde Welt tat sich vor ihm auf und sie war real, viel zu real. Es gab schlichtweg keine einzige rationale Erklärung dafür, warum er sich plötzlich in dieser seltsamen Welt wieder fand. Das Letzte, an das er sich erinnern konnte, war Cara, die ohnmächtig auf dem Boden gelegen hatte.

Cara! Der Gedanke traf ihn wie einen Schlag in die Magengrube. Kermit straffte sich grimmig. Egal wo er hier war und wie er hierher gekommen war, oberste Priorität hatte für ihn jetzt Cara zu finden. Es stand für ihn außer Frage, dass sie sich hier irgendwo befinden musste.

Das abgestorbene Gras raschelte leise unter seinen Füßen, als er sich langsam um die eigene Achse drehte, um einen Hinweis darauf zu bekommen, in welche Richtung er sich wenden sollte. Sein Blick fiel auf eine halb verfallene Hütte, die ziemlich weit entfernt war. Falls Cara diese Hütte auch entdeckt hatte, was er stark annahm, dann gab es eigentlich nur eine Richtung in die sie auf ihrer Suche nach Peter und Caine gehen würde.

Leise seufzend machte er sich auf den Weg zu dieser Hütte, fest entschlossen ihr eine Standpauke zu halten, sollte er sie dort vorfinden.

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Zum wiederholten Male stolperte Cara über einen Stein. Der plötzliche Ruck ließ sie erschreckt die Augen aufreißen, die ihr immer wieder zufielen. Eine unerklärliche bleierne Müdigkeit hatte sie überkommen und sie nahm an, dass es an der erdrückenden Atmosphäre um sie herum lag.

Dickköpfig wie sie war, war sie einfach nur gelaufen und gelaufen, hatte automatisch einen Fuß vor den anderen gesetzt. Mittlerweile hatte sie sämtliches Zeitgefühl verloren. Ihre Uhr war schon bei einem ihrer ersten Stürze kaputt gegangen und angesichts des seit ihrer Ankunft herrschenden Dämmerlichts, fiel es ihr schwer, die Zeit einzuschätzen.

Mit einem resignierten Seufzer ließ sie sich auf den Stein sinken, über den sie gestolpert war und stützte den Kopf auf die Arme. Tränen drängten an die Oberfläche, Selbstzweifel machten sich breit.

Wie sollte sie hier jemals Peter und Caine finden, hier, wo alles so anders war? Sie war sich sicher, zumindest einige Kilometer hinter sich gebracht zu haben, doch immer noch erschien ihr die Umgebung unverändert zu sein.

Ein schrecklicher Verdacht keimte in ihr auf, der sie ruckartig den Kopf heben ließ. Was, wenn sie die ganze Zeit gelaufen war, ohne tatsächlich vorwärts zu kommen, wie man es manchmal in den Träumen erlebte? Was, wenn diese fremden Mächte, die hier ohne Zweifel am Werk waren, sie nicht zu Caine und Peter vorstoßen lassen wollten?

Panik machte sich in ihr breit bei dem Gedanken, womöglich für alle Zeiten in dieser feindlichen Gegend gefangen zu sein.

*Ich muss raus hier*, hallten die Worte wie ein Mantra in ihrem Gedächtnis nach.

Sie atmete tief durch, um sowohl ihren Körper, als auch ihre Gedanken wieder in den Griff zu bekommen. Ihre Augen blieben an der Böschung hängen. Langsam konnte sie wieder einen klaren Gedanken fassen. Der logischste und einfachste Weg zu sehen, ob sie sich getäuscht hatte oder nicht, war die vermeintliche Sicherheit des Flussbetts zu verlassen.

Bevor sie den Gedanken auch nur zu Ende gedacht hatte, hatte sich ihr Körper schon in Bewegung gesetzt. Wenige Minuten später hatte sie die Böschung erklommen und stand nun auf er Ebene.

Grenzenlose Erleichterung durchflutete Cara, als die entdeckte, dass sie nicht im Kreis gelaufen war. Mehrere Dinge fielen ihr auf. Der Wind hatte aufgehört, ja es fühlte sich sogar so an, als hätte sich die Luft um einige Grad erwärmt, sie fror nicht mehr. Das Flussbett zu ihrer Linken breitete sich aus und endete an einem Abgrund, der steil nach unten abfiel. Früher musste da wohl ein Wasserfall gewesen sein, denn die Felsen wirkten an dieser Stelle wie blankpoliert. Insgeheim dankte sie ihrem Schutzengel, dass sie in ihrem Tran nicht weiter im Flussbett gelaufen war, sie war sich nicht sicher, ob sie diesen Abgrund rechtzeitig erkannte hätte.

Doch das, was sie am meisten erfreute und sie all ihre Müdigkeit vergessen lies war die Hütte, die wenige Meter von ihr entfernt am Waldrand stand. Nur am Rande registrierte sie, dass dieser Wald nicht verbrannt war, auch wenn er dennoch keinen einladenden Eindruck machte, denn auch hier waren die Bäume verdorrt und grau-braun verfärbt.

Ein Schauer der Vorfreude und Erwartung erfasste sie. Dieses Gefühl in ihrem Inneren sagte ihr, dass sie genau hier Caine und Peter finden würde. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht überbrückte sie die restlichen hundert Meter zu der baufälligen Steinhütte.

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"Darling, gibst du mir bitte das Salz?"

Laura lächelte ihren Ehemann verliebt an. Caine erwiderte das Lächeln und reichte Laura das Gewünschte. Ihre Fingerspitzen berührten sich, Laura nutzte die Gelegenheit, Caine sanft über den Handrücken zu streichen, bevor sie den Salzstreuer entgegen nahm.

Peter beobachtete die beiden zufrieden. Es war so schön, seine Mutter und seinen Vater zu beobachten. Wann immer die beiden zusammen waren, konnte er die Liebe und das Vertrauen spüren, das von den beiden ausging.

Das beschauliche Abendessen wurde unterbrochen, als die Türe der Hütte aufgerissen wurde. Eine junge, erschöpft wirkende Frau stand im Türrahmen.

"Wie schön, ich habe euch endlich gefunden!", rief sie überschwänglich aus.

Die drei Personen in der Hütte sprangen von ihren Stühlen auf und starrten der Frau überrascht entgegen, nicht sicher was sie zu erwarten hatten. Noch nie war ein anderer Mensch in die Einsamkeit ihrer Hütte eingedrungen.

Cara blieb mitten in der Vorwärtsbewegung stehen. Das Fehlen jeglichen Wiedererkennens seitens Caine und Peter kam ihr nicht geheuer vor. Und wer war die fremde Frau bei ihnen?

"Peter, Caine?" fragte sie und trat zögernd einen Schritt näher, das Lächeln war ihr längst aus dem Gesicht gewichen.

Der Klang ihrer Stimme brachte sowohl in Caine als auch Peter eine Seite zum klingen. Beide hatten den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl, sie müssten die Frau kennen, doch dieses Gefühl verschwand so schnell wie es gekommen war. Äußerst misstrauisch und gar nicht freundlich sahen sie ihr entgegen.

Peter war es, der die Frage stellte, die Cara bis in die Grundfeste erschütterte.

"Wer sind sie?"

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Zur gleichen Zeit im City Hospital:

Jody konnte einen erschöpften Seufzer nicht mehr länger unterdrücken. Das stundenlange untätige und bange Herumsitzen an Caines und Peters Bett war äußerst ermüdend. Schon längst war die Sonne untergegangen. Jody hatte es nicht für nötig gehalten das Licht anzumachen. Annie konnte eh nichts sehen und sie selbst war froh, wenn sie die Gesichter der beiden still daliegenden Personen nicht mehr so genau erkennen konnte.

Jody fühlte sich vollkommen leer und ausgebrannt. Sie wusste nicht mehr wie viele Stoßgebete sie in den letzten Stunden gen Himmel geschickt hatte. Leider hatte es nichts gebracht. Zwischendurch waren Schwestern herein gekommen, um die Vitalfunktionen von Caine und Peter zu überprüfen, das war aber auch schon alles, was sie hier an Abwechslung gehabt hatten.

Der Zustand der Caines hatte sich nicht gebessert, aber auch nicht verschlechtert, was Jody als gutes Zeichen ansah. Tief in ihrem Innersten war das der Rettungsanker, der sie noch aufrecht stehen ließ. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, wie das Leben ohne Peter sein würde. Nein, noch lebten sie und solange sie lebten, gab es auch noch Hoffnung.

Die Nachtschwester öffnete die Zimmertüre und streckte den Kopf herein. Weder Jody noch Annie reagierten auf ihren Eintritt. Das Hin und Her der Schwestern, hatten sie schon viel zu oft an diesem Tage miterlebt.

"Mrs. Blaisdell, Detective Powell, ich soll sie im Auftrag von Dr. Sabourin nach Hause schicken. Sie meinte, sie sollen sich ein paar Stunden Schlaf gönnen und können morgen früh wieder kommen."

Jody zuckte fast zusammen, als sie nach all diesen Minuten und Stunden der Stille die Stimme der Schwester hörte. Schließlich sah sie ein, dass die Schwester recht hatte, sie konnte kaum noch die Augen offen halten.

"Annie, was hältst du davon? Ich denke Dr. Sabourin hat recht", meinte Jody.

Annie reagierte nicht auf ihre Worte.

Jody, die an Caines Bett gegessen hatte, erhob sich besorgt. Es war nicht normal, dass ausgerechnet Annie, mit dem scharfen Gehör, sie nicht gehört hatte.

"Annie?"

Die Schwester, die noch immer am Türrahmen stand, bemerkte nun auch, dass etwas nicht zu stimmen schien. Sie betätigte den Lichtschalter und trat nun ebenfalls in den Raum.

Der Grelle Licht der Deckenlampe tat Jody im ersten Moment in den Augen weh. Die letzten beiden Schritte zu Annie legte sie quasi blind zurück. Annie schien total in einer anderen Welt zu sein, es kam Jody so vor, als würde sie starr auf die Hand von Peter blicken, die sie fest umklammert hatte.

Besorgt legte Jody ihr die Hand auf die Schulter und rüttelte sie leicht.

"Annie, Annie, was ist los?"

Die leichte Berührung erlöste Annie aus ihrer Erstarrung.

"Peter, er hat gerade die Finger bewegt", flüsterte sie.

"Was?"

Jody war so überrascht von Annies Worten, dass sie unwillkürlich einen Schritt zurück trat und dabei fast die Schwester zu Boden stieß. Ihr Blick war nun starr auf Peters Hand gerichtet.

"Da, schon wieder", wisperte Annie ungläubig und gleichzeitig voller Hoffnung.

Diesmal hatte auch Jody das leichte Zucken von Peters Fingern gesehen. Ohne die Augen von ihm zu lassen befahl sie der Schwester: "Holen sie sofort Dr. Sabourin, ich...ich glaube, Peter wacht auf."

Kaum hatte sie den Satz ausgesprochen, bäumten sich nahezu Zeitgleich die Körper von Vater und Sohn auf. Während die Drei noch fassungslos auf die von Zuckungen geplagten Patienten starrten, löste sich auch der Alarm der unterschiedlichsten Apparaturen.

"Ein Krampfanfall, wir müssen sie ruhig stellen", rief die Schwester aus und drückte Geistesgegenwärtig den Notfallknopf.

Jody stürzte sich auf Caine und versuchte ihn ruhig zu halten, während sich die Schwester und Annie um Peter bemühten.

Es war fast nicht möglich die beiden in ihren Betten zu halten. Die beiden Körper krampften immer wieder wie besessen. Die Muskeln waren bis zum Bersten angespannt, zuckten wirr und ihr Atem ging ruckartig. Weißer Schaum hatte sich auf ihren Lippen gebildet, ihre Gesichter hatten eine bläuliche Färbung angenommen und sie stießen gutturale, kehlige Laute aus.

Es kam Jody wie eine Ewigkeit vor bis das Notfallteam in das Zimmer stürmte. Dr. Sabourin erfasste die Situation mit einem Blick.

"Diazepam, schnell!", wies sie einen der Pfleger an, der nicht damit beschäftigt war, Caine und Peter in ihren Betten zu halten.

Mit vereinten Kräften gelang es den Helfern schließlich, die beiden so still zu halten, dass Dr. Sabourin ihnen das Mittel spritzen konnte.

Nach dieser Tat wandte sie sich an Jody und Annie.

"Verlassen sie bitte das Zimmer, wir brauchen Platz zum Arbeiten."

Ein erneutes Aufbäumen von Caine und Peter und die ruhigen Anordnungen von Dr. Sabourin war alles, was sie noch sahen und hörten, bevor sich die Türe vor ihrer Nase schloss.

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Cara trat einen Schritt näher zu Peter und Caine. So hatte sie sich das Wiedersehen wahrlich nicht vorstellt.

"Peter, erkennst du mich denn nicht? Ich bin es, Cara."

Instinktiv streckte sie die Hand nach ihm aus, doch Peter wich mit einem fast angewiderten Gesichtsausdruck vor ihr zurück.

"Nein, ich kenne sie nicht", gab er zurück.

Unglauben spiegelte sich in Caras Gesichtszügen wieder. Was ging hier nur vor?

"A...aber du musst mich doch kennen, wir sind wie Bruder und Schwester füreinander", flüsterte sie hilflos.

Peter schüttelte energisch den Kopf.

"Ich habe sie noch nie in meinem Leben gesehen. Was soll das sein? Eine Falle um mich und meinen Vater zu trennen? Damit kommen sie nicht durch", stieß er hasserfüllt hervor.

Caras Blick irrte von Caine zu Peter, hin zu der fremden Frau, die die Augen geschlossen hatte, und wieder zurück zu Peter. Angestrengt forschte sie in seinem Gesicht nach einem Anzeichen von Wiedererkennen, doch da war nichts. Alles was sie in seinem Augen lesen konnte war Hass, eine bodenlose Leere und tiefes Misstrauen.

"Peter, erinnere dich doch. Du kennst mich. Man hat euch in diese Welt entführt und ich bin hier, um euch wieder zurück zu bringen", machte sie einen hilflosen Versuch, ihm das Gedächtnis zurück zu bringen.

Peter lachte rau. "So ein Unsinn. Wir leben hier schon seit Jahren, genauer gesagt seitdem der Tempel zerstört wurde. Wirklich ein mehr als mieser Versuch. Machen sie, dass sie hier verschwinden, bevor wir sie hinaus werfen und richten sie ihren Komplizen aus, dass wir so leicht nicht zu bekommen sind."

Caras nächste Aktion wurde durch ihre pure Verzweifelung hervorgerufen. Spontan überbrückte sie die restliche Entfernung zu Peter, packte ihn an den Aufschlängen seines Hemdes und rüttelte ihn.

"Bitte, Peter, tu mir das nicht an. Erinnere dich, ich bin es doch!", rief sie voller Schmerz aus.

"Nehmen sie gefälligst ihre Finger von mir!", empörte sich Peter und versuchte, sie von sich zu schieben.

Der Ausdruck von tiefstem Ekel, als sie ihn berührte, bohrte sich wie ein glühendes Messer in Caras Herz.

Im selben Moment fühlte sich Cara hart im Nacken gepackt und wurde unsanft von Peter zurück gezogen.

"Das reicht! Verschwinden sie aus meinem Heim!", tönte Caines Stimme dicht an ihrem Ohr.

Er war es, der sie so unsanft gepackt hatte und sie nun, trotz ihrer Gegenwehr, ohne große Kraftanstrengung zur Türe zog, die Laura ihm schon geöffnet hatte. Mit einem harten Stoß schubste er Cara aus der kleinen Hütte, so dass sie auf Händen und Knien auf dem felsigen Boden landete.

"Wagen sie es nie wieder, auch nur in die Nähe unseres Heims zu kommen", hörte sie Caines donnernde Worte.

Dann wurde die Türe der kleinen Hütte mit Wucht zugeschlagen, dass das Dach zitterte.

Kaum war die Türe ins Schloss gefallen, wandte sich Peter an seinen Vater.

"Wer war das?", wollte er wissen.

Caine zuckte die Schultern. "Ich weiß es nicht, mein Sohn."

"Meinst du, das war eine Falle von unseren Feinden? Wenn, dann war sie aber mehr als offensichtlich."

"Auch das kann ich dir nicht sagen, Peter."

Laura, die verhindern wollte, dass noch mehr über dieses Thema gesprochen wurde, entschloss sich zu handeln. Nach außen hin ziemlich durcheinander wirkend, trat sie auf ihren Mann zu, die Augen hatte sie wie in Furcht aufgerissen.

"Ich hatte Angst vor ihr", mischte sich Laura mit zitternder Stimme in das Gespräch ein.

Caine nahm seine Frau fest in die Arme und warf seinem Sohn einen bedeutungsvollen Blick zu.

"Keine Angst, mein Liebling, ich werde dafür Sorgen, dass weder dir noch Peter jemals etwas geschehen wird", versetzte Caine zu allem entschlossen.

Laura schmiegte sich eng an ihn und drückte ihr Gesicht an seine Brust. Keiner von beiden entdeckte das zufriedene Lächeln auf ihren Lippen.

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"Dr. Sabourin kommt gerade", flüsterte Jody in Annies Ohr, die Mühe hatte, ihre Fassung zu bewahren.

Beide Frauen erhoben sich von ihren Stühlen, Annie die Finger um Jodys Hand verkrampft.

Jody konnte ein entsetztes Stöhnen nicht unterdrücken, als sich ihr Blick mit dem von Dr. Sabourin traf. Es war klar: Sie hatte keine guten Nachrichten.

"Wie geht es meinem Sohn und seinem Vater?", brachte Annie heraus. Ein Satz den sie schon viel zu oft in den letzten Stunden, oder waren es Tage? ausgesprochen hatte.

Dr. Sabourin ergriff Annies freie Hand und führte sie zurück zu ihrem Stuhl.

"Bitte setzten sie sich, Annie."

"Oh Gott, sie sind doch nicht...." Annies Gesicht verlor jegliche Farbe, sie konnte den Satz nicht vollenden.

Dr. Sabourin schüttelte den Kopf. Dann erinnerte sie sich daran, dass Annie blind war und meinte laut: "Nein, sie sind beide noch am Leben."

Die Betonung des Wörtchen 'noch' entging Jody nicht. Tränen sprangen in ihre Augen.

"Was ist passiert?", flüsterte sie.

Dr. Sabourin legte eine kurze Pause ein, um sich zu sammeln, dann meinte sie: "Die beiden hatten einen sogenannten Grand Mal Anfall, das ist ein generalisierter Krampfanfall."

"Oh Gott!" Annie schlug die Hand vor den Mund, um ihr Schluchzen zu unterdrücken.

"Aber was hat ihn ausgelöst?", erkundigte sich Jody mit dünner Stimme.

Dr. Sabourin zuckte die Schultern. "Wir wissen es nicht. Obwohl wir sofort ein EEG machten, blieb es ergebnislos. Es gibt keinen Hinweis auf das Herdgeschehen, also in welchem Teil des Gehirns sich dieser Krampfanfall abgespielt hat, noch irgendeine andere Ursache."

"Es muss doch etwas geben, irgendeinen Hinweis. So einen Anfall bekommt man doch nicht von einer Sekunde zur anderen!", rief Annie voller Schmerz aus.

"Leider doch, Annie. Das kann jedem Menschen passieren, allerdings ist es höchst merkwürdig wenn zwei Menschen gleichzeitig denselben Anfall erleiden", gab sie zurück.

Jody, die Dr. Sabourin ansah, dass sie mit ihren schlechten Nachrichten noch nicht am Ende war, warf ein. "Was haben sie uns noch zu sagen. Da ist doch noch etwas."

Dr. Sabourin seufzte leise, es fiel ihr schwer den beiden alles mitzuteilen.

"Ja, sie haben recht Jody. Annie, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll."

Annies gesamter Körper verkrampfte sich. Die Hände, die sie mittlerweile zu Fäusten geballt hatte, zuckten vor Anspannung.

"Heraus damit, Dr. Sabourin."

"Als wir das zweite EEG bei den beiden machten, haben wir noch etwas anderes festgestellt...." erneut zögerte sie einen Moment, um einen tiefen Atemzug zu nehmen. "Die Pausen zwischen den einzelnen Gehirnströmen haben sich deutlich verlängert und kommen immer öfter vor. Mittlerweile haben wir auch die endgültigen Testergebnisse erhalten und…und...es tut mir so leid, Annie, aber ich muss ihnen sagen, dass wir nichts mehr für sie tun können."

"Das ist nicht Wahr! Sie dürfen meinen Sohn und seinen Vater nicht einfach sterben lassen!" Annie schrie die Worte regelrecht hervor.

Die ansonsten immer so starke und beherrschte Frau verlor vollkommen ihre Fassung. All die Anspannung der letzten Stunden brach wie eine Flutwelle aus ihr hervor. Schluchzend brach sie in den Armen von Dr. Sabourin zusammen.

Jody nahm Annies Ausbruch mit versteinerter Miene zur Kenntnis. Sie fühlte sich so hilflos und geschockt, dass sie nicht einmal weinte. Sie konnte nur noch an eines denken: Sie Sterben! Peter stirbt!

 

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