Kapitel 6
Autor: Fu-Dragon

 

Kermit saß nachdenklich auf der Couch. Mittlerweile zeigte die Wanduhr kurz nach Mitternacht an und er überlegte noch immer, wie er Cara erklären sollte, warum sie einen ganzen Tag verloren hatte. Natürlich hatte er, nachdem er T.J. verabschiedet und erfahren hatte, dass sie noch immer schlief, von einer erneuten Dosis seines selbstkreierten Schlafmittels abgesehen. Immerhin ging es Peter wieder besser und somit würde ihr ein Besuch im Krankenhaus sicherlich gut tun.

Ein leiser Laut riss ihn aus den Gedanken. Zuerst nahm er an, dass Clumsy mal wieder etwas auf den Boden geschmissen hatte, doch als sich der Laut wiederholte, diesmal etwas kräftiger, lauschte er aufmerksam. Ein drittes Mal ertönte das Geräusch und es schien eindeutig aus Caras Schlafzimmer zu kommen.

Kermit sprang auf die Beine und eilte die Treppen zu ihrem Schlafzimmer hoch. Cara lag ganz am Rande des Bettes und wimmerte leise, so als würde sie starke Schmerzen haben. Eine Schweißschicht bedeckte ihr Gesicht und ihre Arme, die Decke lag um ihre Beine zusammengeknüllt und ihr Schlafshirt war fast bis zu ihren Hüften hoch gerutscht.

Ein leises, fast nicht zu verstehendes, geflehtes. "Nein", brachte Kermit zum Handeln. Im Stillen fluchte er in sich hinein und ärgerte sich, ihr nicht noch eine Dosis der Medikation verabreicht zu haben. Zumindest hätte sie das vor Alpträumen bewahrt.

Er beugte sich über Cara und rüttelte sie sanft an der Schulter. Im ersten Moment tat sich gar nichts. Erst als Kermit sie ein zweites Mal, nun nachdrücklicher, an der Schulter rüttelte kam sie mit einem markerschütternden Schrei zu sich. Die abrupte Aufwärtsbewegung, die mit ihrem Schrei einher ging, ließ sie fast aus dem Bett fallen, was Kermit in letzter Sekunde verhindern konnte.

Im nächsten Moment zog er sie beschützend in die Arme und strich ihr tröstend über den Rücken.

"Scht, es ist alles gut, du hattest nur einen schlechten Traum", hauchte er ihr ins Ohr.

Cara konnte die ersten Minuten überhaupt nichts tun. Ihr Körper bebte so stark, dass sich das Zittern sogar auf das Bett übertrug und ihr Atem flog.

Kermit beschränkte sich darauf, ihr im beständigen Rhythmus über den Rücken zu streichen und ihr beruhigende Worte ins Ohr zu flüstern. Dabei musste er hart schlucken, denn durch den engen Körperkontakt konnte er die hervorstehenden Knochen noch viel deutlicher fühlen, was ihm wiederum bestätigte, dass sie so gut wie kein Gramm Fett mehr am Körper hatte. Höchste Zeit etwas dagegen zu tun, entschloss er für sich.

Es dauerte volle zehn Minuten, bis ihr Zittern endlich nachließ und sich auch ihre Atmung beruhigte. Kermit, dem natürlich auffiel, dass sie seine Umarmung nicht erwiderte, löste sich ein wenig von ihr und blickte ihr forschend in die Augen.

"Willst du darüber reden?", erkundigte er sich leise.

Cara schüttelte den Kopf. "N...nein will ich nicht. Ich bin ja selbst schuld daran", fing sie erneut mit ihren Selbstvorwürfen an.

Kermit musste kein Hellseher sein, um erraten zu können, worauf sich ihre Worte bezogen. Fester als er es beabsichtige, umfasste er ihre Schultern und brachte sie so dazu, dass sie ihn erstaunt anschaute.

"So, nun höre mir mal gut zu, Prinzessin. Was geschehen ist, kann niemand mehr ungeschehen machen und du hast absolut keine, ich wiederhole, keine Schuld daran. Höre endlich auf, dich nieder zu machen, du wirst deine Kraft noch brauchen. Nicht nur für dich, sondern auch für Peter."

Bei der Erwähnung von Peters Namen trübte sich ihr Blick.

"Was soll das denn noch nützen? Ich träume ständig, dass Peter sterben wird und ich kann an nichts anderes mehr glauben", erwiderte sie völlig hoffnungslos.

Kermit schüttelte sie erneut an der Schulter.

"Oh Mann, Mädchen, nun komm endlich zu dir. Peter ist auf dem Wege der Besserung, er wird nicht sterben. Heute Mittag ist er sogar kurz aufgewacht, also höre nun endlich auf mit deinem Selbstmitleid. Zugegeben, es wird noch eine Weile dauern, bis er wieder völlig auf den Beinen ist, aber genau dazu braucht er dann auch dich und deine Hilfe."

Kermit konnte förmlich sehen, wie der Glanz in ihre Augen zurück kehrte. Er hatte vollkommen vergessen, dass sie noch gar nicht Bescheid wissen konnte.

"Peter ist aufgewacht?", flüsterte sie.

Eine einzelne Träne lief ihr bei diesen Worten über die Wange, die Kermit ihr zärtlich mit dem Daumen wegwischte.

"Ja, das ist er, Prinzessin. Und morgen früh fahren wir als erstes ins Krankenhaus und besuchen ihn. Aber nur, wenn du dich jetzt wieder hinlegst und dich nicht länger mit Selbstvorwürfen zerfleischst."

Kermit konnte ein Grinsen nur schwer unterdrücken, als er sah wie eifrig Cara nickte.

"Keine Selbstvorwürfe mehr, versprochen?", hakte er nach.

"Versprochen", bekräftigte Cara nun fast wieder glücklich, auch wenn sie durch den Alptraum noch immer ziemlich mitgenommen schien.

Kermit ließ Cara los, erhob sich und klopfte mit der Hand auf ihr Kopfkissen.

"Also, dann leg dich hin. Ich decke dich zu."

Cara kam seinem unterschwelligen Befehl sofort nach und legte sich zurück in die Kissen. Kermit griff zum Bettende, zog die Decke bis zu ihrem Kinn hoch und stopfte sie gewissenhaft um ihren Körper herum fest.

Cara, die schon erschöpft halb in den Schlaf abgedriftet war, murmelte: "Das hat meine Mama auch immer gemacht, als ich noch klein war."

"Na toll, nun werde ich heute schon zum zweiten Mal mit einer Frau verwechselt, ich sollte wohl tatsächlich mal über eine Geschlechtsumwandlung nachdenken", lautete sein trockener Kommentar hierzu.

"Lieber nicht, ich mag dich viel lieber als Mann", hörte er Cara noch erwidern, bevor sie endgültig der Schlaf übermannte.

Ein breites Grinsen stahl sich auf Kermits Lippen. Spontan beugte er sich über sie und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn und es fühlte sich für ihn völlig natürlich an.

*********************

"Paps?"

Caine erhob sich von seiner sitzenden Position am Boden und trat an Peters Bett. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen.

"Ah...ich sehe, du bist wieder erwacht. Wie fühlst du dich, mein Sohn?"

Peter horchte einen Moment in sich hinein. Durch die Sedativa war sein Schmerzempfinden nahezu vollkommen ausgeschaltet und der Schlaf hatte sein übriges dazu getan, dass er sich um einiges besser und kräftiger fühlte, als die letzten beiden Male, die er während der Nacht aufgewacht war. Außerdem hatte er zu seiner Erleichterung festgestellt, dass sein Erinnerungsvermögen wieder zurück gekehrt war. Sogar an den Unfall konnte er sich wieder wage erinnern. Dies war überwiegend den Kräutern seines Vaters zu verdanken, die auch dafür sorgten, dass die benebelnden Nebenwirkungen der Medikamente ausblieben. Somit war Peter bei klarem Verstand, sooft er aus seinem heilsamen Schlaf aufwachte.

"Gut, ich wünschte nur ich könnte endlich wieder aufstehen", erwiderte er.

Caine zog missbilligend die Augenbraue in die Höhe und legte vorsichtshalber eine Hand auf Peters unverletzte Schulter.

"Das...mein Sohn, ist dir noch nicht gestattet."

Peter verzog missbilligend die Lippen, sein Kinn schob sich schmollend vor.

"Nun komm schon, Paps, was kann es schon schaden? Ein paar Schritte durch den Raum und ich bin zufrieden", versuchte er seinen Vater zu überreden.

"Peter!", versetzte Caine in eindeutig anklagenden Tonfall. "Du sollst deine Gesundheit nicht auf die leichte Schulter nehmen und auf das hören, was die Ärzte gesagt haben."

"Ja klar, du bist ja immer auf der Seite der anderen", kam es mufflig von Peter.

Caine konnte über Peters typische nach vorne stürmende Art nur den Kopf schütteln. Da war er knapp dem Tode entsprungen und schon wollte er wieder durch die Welt wirbeln als sei nichts geschehen. Manchmal konnte er seinen Sohn einfach nicht verstehen.

Zu seiner Erleichterung wurde in diesem Moment die Türe geöffnet und ein Pfleger mit einem Essenstablett betrat den Raum. Peters Gesicht leuchtete bei der Aussicht auf, endlich wieder etwas handfestes in den Magen zu bekommen, so dass er vollkommen abgelenkt war und nicht weiter darauf bestand, aufstehen zu dürfen.

Trotz Peters heftigen Einwänden hatte es sich Caine nicht nehmen lassen, seinen Sohn wie ein kleines Kind zu füttern, denn Dr. Sabourin hatte eindringlich zu geraten, dass sich Peter noch so wenig als möglich bewegen sollte, bis sie die endgültigen Resultate wegen der Wirbelverletzung vorliegen hatten.

Nachdem Peter gegessen hatte, verlor er kein Wort mehr darüber aufstehen zu wollen. Der kleine Akt der "Fütterung", wie Peter es respektlos nannte, hatte ihm mehr abverlangt als vermutet. Er unterhielt sich noch ein wenig mit seinem Vater und driftete dann wieder ab in den Schlaf.

Annie war die erste Besucherin, die gegen 10 Uhr, begleitet von Jody, das Krankenzimmer betrat. Durch die Stimmen der drei erwachte Peter wieder.

"Mom, Jody, wie geht es euch?", wurden die beiden von einem noch leicht verschlafenen Peter begrüßt.

Annie nahm an Peters Bett Platz, tastete nach seiner Hand, ergriff sie und lachte leise.

"Ich denke, die Frage sollten wohl eher wir dir stellen, Liebling. Wie geht es dir?"

Peter erwiderte Annies Lächeln und drückte ihre Hand.

"Mir geht es soweit gut. Ich bin dermaßen vollgepumpt mit Medikamenten und Paps Kräutern, dass ich so gut wie gar nichts spüre", versetzte Peter in einem leicht anklagenden Tonfall.

"Sei bloß froh, dass du diese Schmerzmittel bekommst, Peter, sonst würde es dir nun sicher nicht so gut gehen", mischte sich Jody ein. Sie beugte sich über ihn und tupfte ihm einen Begrüßungskuss auf die Wange.

Peter, der einsah, dass er gegen drei Personen nicht ankam, entschloss sich dazu, keine weitere Bemerkung abzugeben.

Ein lockeres Gespräch entwickelte sich zwischen dem Vierergrüppchen. Caine beschränkte sich zwar wie üblich mehr aufs Zuhören, aber daran hatten sich die anderen schon längst gewöhnt.

Eine Weile später wurde die Türe erneut geöffnet und Kermit und Cara betraten den Raum.

"Peter!"

"Kleines!"

Kermit hatte noch nicht einmal die Türe hinter sich geschlossen, da befand sich Cara schon an Peters Bett. Im ersten Moment blieb sie unschlüssig davor stehen, betrachtete fast ein wenig ängstlich die vielen Apparaturen, die um Peter herum standen und die Infusionsnadel an seinen Arm. Peter, dem klar war, weshalb sie zögerte, ergriff sie mit seinem gesunden Arm, zog sie zu sich herunter und umarmte sie liebevoll.

Das Eis brach. Die beiden klammerten sich wie Ertrinkende aneinander, jeder wollte sich persönlich davon überzeugen, dass es dem anderen gut ging. Sie redeten wild durcheinander, schienen sich aber seltsamerweise dennoch zu verstehen. Die Blicke, die die beiden während dieser stürmischen Begrüßung austauschten lösten verschiedene Empfindungen bei den Beobachtern aus.

Annie und Caine lächelten breit und verstehend. Sie sahen die beiden genau als das an, was die beiden in ihrem Herzen auch füreinander empfanden: Als Geschwister, wenn auch nicht Blutsverwandt.

Jody und Kermit dagegen versetzte der Anblick der Beiden einen regelrechten Stich. Jody kämpfte mit Tränen der Enttäuschung. Für sie war klar, dass sie keine Chance hatte, für Peter jemals mehr als eine Freundin zu sein. Es war offensichtlich, dass Cara die neue Frau an seiner Seite war.

*Wenn du mich nur ein einziges Mal so voller Liebe ansehen würdest, wie du Cara ansiehst, ich würde alles für dich tun*, dachte sie deprimiert.

Kermit hingegen spürte wilde Eifersucht durch seinen Körper rasen. Er hatte die Hände hinter seinem Rücken zu Fäusten geballt, um die beiden nicht gewaltsam zu trennen. Die Erinnerung an einen gewissen Morgen, als er die beiden in einer ähnlichen Position ertappt hatte, kehrte zurück. Zwar hatten ihm damals beide versichert, es wäre nichts zwischen ihnen geschehen, doch geglaubt hatte er das eigentlich nicht.

Ausgerechnet in diesem Augenblick wurde ihm zum ersten Mal vollkommen klar, dass er wesentlich mehr als nur freundschaftliche Gefühle gegenüber Cara hegte. Kein Wunder hatte er sich ständig um Cara gekümmert und verspürte ihr gegenüber so einen starken Beschützerdrang. Sein Herz hatte schon lange gewusst was Sache war, nur sein Verstand nicht.

Doch nun lag sie hier erneut in den Armen seines besten Kumpels und auf ihn machte es absolut den Anschein, als wären die beiden mehr als gute Freunde. Vor allem, als Cara im Überschwang der Gefühle einen dicken Kuss mitten auf Peters Lippen drückte. So sehr er es versuchte, er konnte sich einfach nicht darüber freuen, dass die beiden augenscheinlich ein Paar waren.

Es dauerte noch eine ganze Weile bis die beiden wieder ansprechbar und die Personen um sich herum wahr nahmen. Cara erhob sich schnell, umarmte pflichtschuldigst Caine und Annie und schmiegte sich dann wieder eng an Peter, der beschützend seinen gesunden Arm um sie geschlungen hatte. Auf beider Wangen hatte sich eine tiefe Röte eingeschlichen.

"Kinder", seufzte Annie leise und doch so laut, dass jeder es verstand. "Sie können sich einfach nicht beherrschen."

Caine nickte zustimmend, während Jody und Kermit sich in ihren vorherigen Vermutungen bestätigt sahen.

"Ich bin so froh, dass es dir wieder gut geht, Peter. Wie du da in dem Wagen gelegen hast war schrecklich", fing Cara ein normales Gespräch an und warf einen dankbaren Blick in Richtung Caine.

"Vergiss es einfach, Kleines. Nicht mehr lange und ich bin hier wieder draußen", beschwichtige Peter sie.

Cara ergriff spontan Annies Hand und sah sie an. "Vor allem bei dir und bei Caine", sie warf einen Blick in seine Richtung, "muss ich mich entschuldigen. Wäre ich nicht gewesen, dann würde Peter auch nicht hier liegen. Ich...ich habe ihn quasi dazu gezwungen, mit mir zu fahren", machte sie ihrem Gewissen Luft, die Augen zu Boden gesenkt in Erwartung einer Strafpredigt.

"So ein Blödsinn aber auch", brachte Annie ihre Gedanken zum Ausdruck. "Niemand konnte ahnen was passieren würde und es ist nicht deine Schuld. Du hast keinerlei Grund, dich bei irgend Jemanden zu entschuldigen. Niemand macht dir auch nur den geringsten Vorwurf, Cara."

"Oh doch Annie, ich..."

"Cara!" diesmal war es Kermit, der ihr scharf ins Wort fiel. "Erinnere dich daran, was du mir letzte Nacht versprochen hast."

"Ja schon, aber ich..."

Auch diesmal kam sie nicht weiter. Peter legte ihr einfach seine Hand auf den Mund und hinderte sie so effektvoll daran, weiter zu sprechen.

"Nun ist endgültig Schluß damit. Hör auch einmal auf das, was andere dir sagen. Das Thema ist hiermit erledigt und nun reden wir von was anderem, verstanden?"

Cara konnte nur nicken und sich in die Situation fügen. Sie sah ein, dass sie dieses Mal ihren Dickkopf nicht durchsetzen konnte.

Peter grinste breit und zog sie ein wenig näher zu sich, so dass er ihr einen Kuss auf die Stirn hauchen konnte.

"Das ist mein Mädchen", lobte er.

Jody entschloss sich dazu, nun endgültig das Thema zu wechseln.

"Ich soll dir viele Grüße und gute Besserung von allen Kollegen des Reviers ausrichten. Blake und Strenlich kommen heute Abend noch zu einem Besuch vorbei."

Peter grinste Jody jungenhaft an. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er sich das letzte Mal so gut gefühlt hatte. All die Leute, die ihm so sehr am Herzen lagen, waren hier um ihn herum versammelt.

"Na dann sage ihn mal vielen Dank zurück und ich freue mich natürlich auch mal wieder, meine Ex-Kollegen zu sehen, obwohl ich mir einen netteren Rahmen dafür vorstellen könnte."

Jody lachte leise. "Na ich denke, das können wir wohl alle und dabei dachten wir, nun nachdem du Priester geworden bist, hat er sich erledigt mit den Krankenhausaufenthalten. Mich wundert es ehrlich gesagt, dass es hier noch keinen Peter Caine Flügel gibt, so oft wie du hier zu Gast warst."

"Och ich hätte sicher nichts dagegen, wenn ich bald hier heraus könnte."

"Weißt du denn in der Richtung schon genaueres?", hakte Jody nach.

"Nein, leider noch nicht. Ich habe geschlafen während der Visite. Doch glaube mir, das wird das erste sein, wonach ich mich erkundige, wenn ich hier jemand mit einem weißen Kittel hereinkommen sehe."

Als wäre es ein Stichwort gewesen, ging in diesem Moment die Türe auf und Schwester Carmen trat ein.

Sie lächelte unverbindlich. "Guten Tag meine Herrschaften. Ich sehe, sie haben jede Menge Besuch, Peter."

"Hallo Schwester Carmen, schön dass sie kommen, ich hätte da gleich eine Frage", konterte Peter.

Das Lächeln der Schwester erstarb als sie Cara erblickte, die nach wie vor dicht an Peter geschmiegt war.

"Ja sind sie denn von allen guten Geistern verlassen! Sofort runter vom Bett. Der Patient hat strenge Anweisung, sich so wenig wie möglich zu bewegen!", rief sie aus und eilte auf Peters Bett zu.

Cara zuckte unter dem harten Klang der Stimme der Schwester zusammen wie unter einem Peitschenschlag und sprang blitzartig vom Bett herunter.

Beschämt starrte sie zu Boden. "T…tut mir leid, das wusste ich nicht", stotterte sie.

"Sie können von Glück reden, wenn nichts passiert ist", machte die Schwester ihrem Ärger Luft.

"Meinem Sohn geht es gut, es ist ihm nichts geschehen", mischte sich Caine ein, der die rüde Art der Schwester wie sie mit Cara umging sehr missfiel. Er trat an Caras Seite und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter.

"Sind sie Arzt, dass sie das beurteilen könnten?", schoss die Schwester zurück.

"Nein, Apotheker...und Vater. Cara würde ihm niemals absichtlich verletzen", gab Caine zurück.

"Nun halten sie mal die Luft an, Schwester, mir geht es gut", mischte sich auch Peter ein.

Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass Kermit seine Position an der Wand aufgab und auf sie zu kam. Höchste Zeit die Situation zu entschärfen.

Peter hob seinen unverletzten Arm hoch. "Sehen sie, ich kann mich ohne Probleme bewegen, also ist auch nichts geschehen."

Das war genau das Falsche, was er machen konnte. Zumindest in den Augen der Schwester.

"Herrgott noch mal, sie sollen doch ruhig liegen. Innerhalb von drei Tagen können keine Knochen verheilen. Muss man sie denn unbedingt ans Bett binden, damit sie die Anweisungen des Arztes befolgen?", explodierte sie getreu ihrer Rolle.

Nun mischte sich auch Annie ein. "Nun wollen wir doch mal alle ganz ruhig bleiben. Wir sind hier alles erwachsene Menschen und sollten in der Lage sein, uns auch dementsprechend zu benehmen", brachte sie die Sache auf den Punkt.

Die Worte, ausgesprochen in ihrer "so mache ich meinen Kindern klar, dass sie was falsch gemacht haben", Stimme verfehlten ihre Wirkung nicht. Augenblicklich herrschte Ruhe in dem Zimmer, wenn auch noch immer die Unterschwellige Spannung deutlich spürbar war.

Alle anwesenden Personen beschränkten sich darauf, der Schwester bei ihrer Arbeit zuzuschauen. Ausnahmsweise ohne zu protestieren, ließ Peter die Prozedur einer erneuten Infusion und einer Blutdruckmessung über sich ergehen.

Es war Cara die die Stille unterbrach. Zwei Worte wiederholten sich ständig in ihren Gedanken und ihr wurde plötzlich klar, dass etwas ganz und gar nicht mit ihrer Zeitrechnung stimmen konnte.

"Moment mal Schwester, sagten sie gerade drei Tage?" erkundigte sie sich mit einer Stimme, die ziemlich eisig klang und einigen Beteiligten hier im Zimmer einen kalten Schauer über den Rücken rieseln ließ.

Die Schwester nickte zustimmend, noch in ihre Arbeit vertieft.

*Oh, oh Kermit, nun bist du dran. Ich hatte dich gewarnt*, dachte Annie, die förmlich spüren konnte, wie es in Cara zu brodeln anfing.

Wie recht sie damit hatte, bestätigte sich keine zwei Sekunden später. Cara schüttelte die Hand Caines von ihrer Schulter und stürmte auf Kermit zu, der instinktiv einen Schritt zurück wich, als er einen Blick in ihre Augen warf, die förmlich vor unterdrücktem Zorn glühten.

Drei Menschen erlebten unangenehm berührt die Szene, die sich vor ihren Augen ausbreitete. Peter, der keine Ahnung hatte was los war, schaute erstaunt drein. Nur um die Lippen der Krankenschwester hatte sich ein leichtes Lächeln geschlichen, das allerdings niemandem auffiel.

"Kannst du mir das erklären Kermit? Nach meiner Zeitrechung fehlt mir mindestens ein Tag, wenn nicht noch mehr", erkundigte sich Cara gefährlich leise.

Die Bestürzung, die sie noch vor wenigen Minuten empfunden hatte, verwandelte sich in blinde Wut. Plötzlich stand es ihr glasklar vor Augen, warum sie im Wohnzimmer von einer Sekunde zur anderen einfach weg gewesen war, nachdem die beiden Officers gegangen waren.

Kermit blieb stumm. In seinen Gedanken arbeitete es fieberhaft.

"Nun komm schon, lass mich hören was du mit mir angestellt hast. Es kannst nur du gewesen sein, du warst die ganze Zeit bei mir. Bist du zu feige, mir die Wahrheit ins Gesicht zu sagen?", forderte sie ihn heraus.

"Es war nur zu deinem Besten", gab Kermit zurück.

"WAS war zu meinem Besten?", fragte Cara, jedes Wort überdeutlich betonend.

Kermit, der sich noch immer im Recht fühlte, spürte, dass er ebenfalls wütend wurde. In ihm begann es langsam ebenso zu brodeln wie in Cara.

"Ich habe nur dafür gesorgt, dass es dir gut geht", gab er äußerlich ruhig zurück.

Cara schnaubte ungeduldig. Ihre Stimme behielt den eisigen Klang bei.

"Ich frage nur noch ein letztes Mal. Was hast du mit mir gemacht?"

Die beiden standen nun dicht an dicht, Nase an Nase. Cara war mit voller Absicht in Kermits privaten Raum eingedrungen, sie wusste, dass er das auf den Tod nicht ausstehen konnte, doch das war ihr in diesem Moment vollkommen egal.

"Verdammt noch mal. Ich habe dir etwas in deine Getränke gemischt, damit du durchschläfst, bis Peter wieder aufwacht. Du solltest mir dankbar dafür sein, dass ich das getan habe", herrschte Kermit nun Cara an.

Cara wich vor ihm zurück, als ob er sie geschlagen hatte. Ihr Gesicht verlor sämtliche Farbe.

"Du hast was getan?", flüsterte sie fassungslos.

"Das hast du doch gerade gehört, oder hast du neuerdings Probleme mit den Ohren?", kam es sarkastisch von Kermit zurück.

Zutiefst verletzte Augen blickten zu ihm hoch.

"Wie konntest du mir das nur antun Kermit? Nach all dem, was ich erst vor ein paar Wochen hinter mir hatte. Du wusstest, was ich durchmachen musste bei dieser unfreiwilligen Drogeneinnahme von diesem irren Typen und nun tust du mir genau dasselbe an", versetzte sie anklagend.

"Ich habe dir gar nichts angetan, Cara. Was ich getan habe war ein Freundschaftsdienst. Ich habe einen Freund davor bewahrt, sich noch mieser zu fühlen als nötig. Du hattest die Ruhe auch dringend nötig."

Cara sah die Sache vollkommen anders. Erneut gewann ihre Wut die Oberhand.

"Wer zum Teufel hat dich denn zum lieben Gott ernannt? Woher nimmst du dir das Recht über jemand anderen einfach zu bestimmen, ohne ihn um seine Meinung gefragt zu haben. Woher?!?"

"Das nennt sich Freundschaft, liebe Cara", erwiderte Kermit matt, dem im Moment nichts anderes einfiel.

Cara sah rot. Die nächsten Worte schrie sie regelrecht. "Freundschaft? Du redest von Freundschaft? Ich will dir mal was sagen oh mächtiger Kermit Griffin. Freundschaft basiert auf Vertrauen und Ehrlichkeit. Freundschaft ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen, ein Gleichgewicht. Freundschaft bedeutet gegenseitigen Respekt und dass man auch die Meinung des anderen akzeptiert.

"Nein, Kermit, das was du hier getan hast, zeigt mir, dass ich mich vollkommen in dir getäuscht habe. Du bist kein Freund. Du bist ein Despot, der nur eine Meinung gelten lässt und das ist deine eigene. Du setzt dich über alles und jeden hinweg, Hauptsache es wird das getan, was du möchtest. Du würdest wahre Freundschaft nicht einmal erkennen, wenn sie dir mitten ins Gesicht schlagen würde!"

Langsam dämmerte es Kermit, dass er gerade im Begriff war etwas zu verlieren, was er auf keinen Fall verlieren wollte: Cara. Trotz seines Ärgers und der noch immer in ihm vorherrschenden Meinung er sei nicht im Unrecht, versuchte er den Schaden einzugrenzen, den er angerichtet hatte.

"Nun komm schon, Cara. Lass uns das Thema auf später verschieben, wenn wir beide nicht mehr so angespannt sind und dann reden wir in Ruhe darüber."

Seine Worte fielen auf taube Ohren. Cara spürte den innerlichen Schmerz durch ihren Körper wüten. Ausgerechnet der Mann, in den sie sich schon in der ersten Sekunde, als sie ihn gesehen hatte heimlich verliebt hatte, hatte sie aufs übelste Hintergangen. Sie hatte ihm total vertraut, hätte niemals gedacht, dass er ihr Vertrauen jemals missbrauchen würde und nun das. Das tat in doppelter Hinsicht weh. In diesen Sekunden hatte sie nicht nur einen Freund, sondern auch den Mann, dem ihr Herz gehörte verloren.

Ihre innere Zerrissenheit entlud sich in einem weiteren Ausbruch.

"Warum nur Kermit, warum? Hast du auch nur den Hauch einer Ahnung, was du mir damit angetan hast? Nach dieser Sache mit diesen Drogen in meiner Dusche hatte ich so sehr zu kämpfen. Frage Peter wie oft er nachts bei mir war, weil ich Angst hatte überhaupt einzuschlafen. Ich wusste, in dem Moment wenn ich die Augen schließe kommen diese schrecklichen Visionen zurück. Jede Nacht bin ich schreiend aufgewacht, hatte das Gefühl kurz vor dem Wahnsinn zu stehen. Wo warst du denn in dieser Zeit? Nirgends! Es hat dich überhaupt nicht interessiert was mit mir war. Wer war bei mir? Das warst nicht du Kermit, das war Peter!

"Er war es, der diese ganzen Nächte mit mir durchgestanden hat, obwohl ihm das alles andere als leicht gefallen ist. Ich habe deutlich gemerkt, wie er jedes Mal mit mir gelitten hat, aber er hat sich keine leichtere Lösung für das Problem einfallen lassen. Das ist es, was ich unter Freundschaft verstehe, für den anderen in schlechten Zeit da zu sein.

"Und was tust du, wenn du in einer ähnlichen Situation bist? Du schüttest einfach ein paar Drogen in ein Glas Wasser und damit hat es sich dann. Nicht eine Sekunde hast du darüber nachgedacht, was du mir damit antun könntest. Du hast nicht einmal erwägt, mich zu fragen ob ich das will. Nein Kermit, für mich ist das keine Freundschaft. Du bist in meinen Augen nicht besser als dieser Irre, der meinte er könne die Menschheit mit seinem Wundermittel heilen."

"Nun mache aber mal einen Punkt, da besteht noch immer ein riesengroßer Unterschied", gab Kermit zurück. "Ich habe es aus reiner Freundschaft getan, ob du es nun glaubst oder nicht. Komm mal wieder herunter von deinem Höhenflug."

Cara hob den Blick und sah ihm direkt in die Augen. Der Schmerz in ihren Augen und die vollkommene Leere traf Kermit mitten in die Eingeweide. Mittlerweile war ihm vollkommen bewusst, dass er in seinem Drang sie vor allem zu beschützen, weit über das Ziel hinaus geschossen war.

Ihre Stimme klang vollkommen flach als sie erwiderte: "Du machst schon wieder einen Fehler Kermit. Du setzt voraus, dass wir in ein paar Tagen, wenn sich die Wogen geglättet haben, einfach da weiter machen können wo wir aufgehört haben. Du kannst das vielleicht, ich aber nicht. Für mich ist es aus und vorbei, Kermit. Ich lege auf deine Freundschaft keinen Wert mehr. Lass mich von jetzt an einfach in Ruhe."

Kermit streckte die Hand aus und legte sie Cara auf die Schulter. Diese wich einen Schritt zurück und schob seine Hand in einer angewiderten Geste von sich.

"Fass mich nicht an, nie wieder! Ich kann dich einfach nicht länger ertragen. Ich hoffe, dass ich Zeit meines Lebens nie wieder mit dir etwas zu tun haben muss!"

Ihre Worte wollten verletzen, wollten ihm so weh tun, wie er ihr weh getan hatte und sie erreichten ihr Ziel.

Kermit sah im wahrsten Sinne des Wortes rot. Rote Punkte tanzten vor seinen Augen, sein Blut fing an zu kochen. Wie konnte sie es nur wagen in solch einem Ton mit ihm zu reden? Gut, er hatte einen Fehler gemacht, aber in seinen Augen war das noch immer kein Grund dermaßen in die Luft zu gehen, geschweige denn einfach die Freundschaft zu kündigen.

Er holte tief Luft und setzte zu einer geharnischten Antwort an, als zwei laute Wörter, ausgestoßen mit solcher Vehemenz, dass die Fenster in den Rahmen vibrierten, ihn regungslos verharren ließen.

"Aufhören, sofort!"

Die Worte stammten von Peter, der sich kreidebleich und trotz der Versuche der Schwester ihn in den Kissen zu halten, aufgerichtet hatte und den beiden gequält entgegen sah.

Cara und Kermit konnten ihn nur überrascht anstarren, zu mehr waren beide nicht in der Lage. Sie hatten die Welt um sich herum vollkommen vergessen - Bis jetzt.

Sämtliche Anwesende im Raum starrten entsetzt und sprachlos zu ihnen herüber. Keiner konnte nachvollziehen, wie sich zwei enge Freunde dermaßen an die Kehle gehen konnten. Jody, Caine und sogar Annie waren näher auf sie zugetreten, um im Notfall, falls sie sich tatsächlich handgreiflich und nicht nur mit Worten an die Kehle gehen wollten, eingreifen zu können.

Peter keuchte vor Anstrengung. "W...wie könnt ihr beide euch nur gegenseitig s...so weh tun? G...glaubt ihr, ihr tut uns einen Gefallen, wenn ihr euch v...vor unseren Augen dermaßen zerfleischt?"

Betretenes Schweigen folgte auf seine Worte hin. Weder Kermit noch Cara wussten, wie sie auf diese Worte reagieren, geschweige denn etwas sagen sollten.

Peters Atem beschleunigte sich, seine Gesichtsfarbe wechselte ins wächserne.

"Bitte Peter, sie müssen sich wieder hinlegen, das tut ihren Verletzungen gar nicht gut", versuchte die Schwester auf ihn einzureden.

Um ihre Worte zu unterstreichen, legte sie beide Hände an seine gesunde Schultern und versuchte, ihn wieder in die Kissen zurück zu drücken.

Plötzlich weiteten sich Peters Augen in Furcht. "Oh Gott, was ist das?", brachte er noch hervor, bevor die Welt um ihn herum ins Chaos versank.

Eine dunkle Wolke breitete sich über Peters Kopf aus, die mit rasender Geschwindigkeit immer größer wurde und den gesamten Raum innerhalb weniger Sekunden in tiefste Finsternis tauchte. Ein lauter, explosionsartiger Schlag ertönte, der die Wände beben ließ und die Fenster aus ihren Rahmen sprengte. Gleich darauf wurden die anwesenden Personen durch die immense Druckwelle wie Puppen durch die Luft geschleudert.

Wenige Sekunden später war der ganze Spuk wieder vorbei. Die dunkle Wolke verschwand. Nur die zerbrochenen Fenster deuteten darauf hin, dass hier gerade etwas unerklärliches geschehen war.

Stöhnen wurde laut, als die Personen langsam wieder zu sich kamen. Kermit und Caine erholten sich zuerst von ihrem unfreiwilligen Flug. Sie halfen Annie, Jody und Cara auf die Beine, die zwar ziemlich benommen, aber zum Glück unverletzt waren.

"Alles klar. Niemand verletzt?", erkundigte sich Kermit zur Sicherheit.

Von allen vieren kam ein zustimmendes Nicken.

"Oh Shit", quetschte Kermit zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor, als sein Blick in Richtung Peters Bett wanderte.

Mit wenigen Schritten war er, dicht gefolgt vom Rest der Truppe, bei ihm. Es war nicht schwer zu erkennen, dass hier der Mittelpunkt des Ereignisses gewesen war. Seltsamerweise schien Peter auf den ersten Blick derjenige zu sein, der davon nicht betroffen war, denn er lag noch immer in seinem Bett umgeben von den Trümmern dessen, was einmal medizinische Apparaturen gewesen waren.

Daher zollte ihm Kermit im ersten Augenblick nicht soviel Aufmerksamkeit und kümmerte sich um Schwester Carmen, die vollkommen regungslos am Boden lag. Eine große Blutlache hatte ihren weißen Kittel rot gefärbt. Eine Glasscherbe der zerborstenen Fenster hatte sich tief in ihr Fleisch hinein gegraben, genau da wo ihr Herz saß. Für sie kam jede Hilfe zu spät. Alles was Kermit noch tun konnte, war die in Todesangst weit aufgerissenen, leblosen Augen zu schließen.

"Was ist mit der Schwester?", erkundigte sich Annie, die von Caine gestützt wurde, da sie noch immer sehr zitterte.

"Ihr kann keiner mehr helfen", erwiderte Kermit mit tiefem Bedauern in der Stimme.

Jody kümmerte sich währenddessen um Peter, der sich ebenfalls nicht regte. Sie beugte sich über ihn und überprüfte seinen Puls und Atmung. Genau in dem Moment als Kermit diese Worte aussprach, teilten ihre Fingerspitzen ihr eine weitere, schreckliche Wahrheit mit.

"Oh Gott! Peter! Er atmet nicht mehr und ich spüre keinen Puls!"

 

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