Teil 6
Autor: Fu-Dragon
 

 

Vier Wochen später:

Kermit saß wie immer vor seinem Computer auf dem Revier und hämmerte missmutig auf die Tastatur seines PCs ein. Das gestern so akribisch ausgefüllte Protokoll zierte ein großer Kaffeefleck, so dass er dies nicht so abgeben konnte und noch mal neu machen musste. Eine halbleere Kaffeetasse stand daneben, mittlerweile eiskalt, und hinterließ einen unschönen Ring auf dem Holz des Schreibtisches. Seine Laune befand sich so ziemlich auf dem Tiefpunkt, heute schien überhaupt nichts klappen zu wollen.

Es hatte schon heute Morgen angefangen. Zuerst hatte dieser verdammte Wecker nicht geklingelt und er war eine gute halbe Stunde zu spät erwacht, dann schnitt er sich beim Rasieren und versaute sich seine Lieblingskrawatte beim ersten Morgenkaffee. Auf der Fahrt zum Revier geriet er in einen Stau und zu allem Überfluss musste er sich noch gegen einen Angriff aus dem Internet wehren, nachdem er mit viel Verspätung auf dem Revier angekommen war und prompt vom Captain einen Rüffel erhalten hatte, die den Report von Johnston sehen wollte.

Zumindest einen kleinen Lichtblick hatte es gegeben, doch das Glück dauerte nur kurz. Es war ihm gelungen, sich in das Sicherheitssystem eines der bekannten Drogenbosse hier in Chinatown zu hacken und eine verschlüsselte Botschaft auf seinen Computer umzulenken, nur um dann erkennen zu müssen, dass die Worte in kyrillischen Buchstaben codiert waren. Zwar besaß er ein sehr gutes Übersetzungsprogramm, doch das kam damit nicht zurecht, da der Text zu allem Überfluss auch noch chiffriert war. Kermit seufzte tief und fluchte verhalten. Wenn er etwas hasste, dann war es, andere um Hilfe zu bitten. Ihm fiel nur eine Person ein, die ihm bei dem Problem vielleicht helfen konnte.

Die Person hieß Angel, er konnte nur hoffen, dass sie auch in der Lage dazu war, Botschaften zu entschlüsseln. Auf der anderen Seite war das ein guter Grund, sie mal wieder zu sehen. Obwohl er es nicht so recht zugeben wollte, vermisste er die junge, dynamische Frau schon sehr.

Wie er befürchtet hatte, fand Angel seit der Familienzusammenführung so gut wie keine Zeit mehr für ihn. Caine und Peter hatten sie voll in Beschlag genommen. Er hatte sie in den letzten Wochen nur drei Mal gesehen und das war auch nur Zufall gewesen, wenn sie an ihm wie ein Geist vorbei gehuscht und kurz 'Hallo' gesagt hatte. Jedes Mal hatte sie sehr erschöpft gewirkt.

Von Peter hatte er erfahren, dass Caine sie in ein hartes Training genommen hatte und sie inzwischen Aufgeklärt wurde über die Gefahren, die der Name Caine in sich barg. Er hatte ihm weiter erzählt, dass Angel nur noch am schimpfen war. Manchmal war Peter ebenfalls beim Training dabei gewesen und hatte den Sparringspartner gemimt, was Angel laut Peter gar nicht schmeckte, weil sie große Probleme hatte, gegen die Caines anzutreten. Scheinbar konnte sie eine bestimmte Hemmschwelle einfach nicht überschreiten, egal was Caine probierte.

Dabei war das Kampftraining nicht so das große Problem, da Angel schon ein ziemlich breites Wissen mitbrachte. Peter hatte Kermit berichtet, dass ihm ihr Instinkt mehr Sorgen bereitete. Sie hatte große Probleme mit der Meditation. Es wollte ihr nicht gelingen, ihre Mitte zu finden, dabei gelangen ihr unbewusst Sachen, die sie selber erschreckten. Hier lag es alleine an Caine, ihr die entsprechenden Grundlagen bei zu bringen und ihr bewusst zu machen, was passierte. Laut Peter lernte sie zwar sehr schnell, aber sie stellte sich auch oft quer und wollte sich damit nicht näher beschäftigen. Daher hatte Caine seine Liebe Not mit ihr, was schon mehrere Male in einem Streit geendet hatte. Alles in allem hatte Peter nicht gerade sehr begeistert geklungen, als er ihm das alles erzählt hatte.

Kermit kehrte aus der kurzen Rekapitulation zurück, griff zum Hörer und wählte Angels Nummer, bevor er es sich anders überlegte.

"Caine", meldete sich eine verschlafene, leicht verschnupft klingende Stimme.

"Hey Angel, ich bin es, Kermit. Ich brauche deine Hilfe."

"Was ist denn los? Ich schlafe noch", kam es sauertöpfisch zurück.

Kermits Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. "Huh, da hat aber jemand schlechte Laune, bist wohl ein Morgenmuffel. Kannst du nun vorbei kommen oder nicht?"

"Zu dir auf das Revier?"

"Wohin denn sonst? Würde ich dich von nebenan anrufen?"

Ihre Antwort war nicht gerade freundlich. Schließlich stimmte sie zu und meinte in einer Stunde wäre sie bei ihm.

Kaum dass der ehemalige Söldner aufgelegt hatte, verbesserte sich seine Laune schlagartig. Fröhlich pfeifend tippte er nun den Bericht zu Ende und wartete ungeduldig auf das Erscheinen seines Gastes.

*************

Pünktlich wie versprochen betrat Angel exakt eine Stunde später Kermits Büro. Im Gegensatz zum Telefongespräch, strahlte sie jetzt wieder und schien gute Laune zu haben. Allerdings versteckte sie ihre Augen hinter einer Sonnenbrille und sah dadurch aus, wie eine Agentin. Kermit musste bei dem Anblick grinsen, so wach schien sie wahrscheinlich doch noch nicht zu sein. Ihre Kleidung war mehr sportlicher Natur als feminin, was ihrer Schönheit dennoch kleinen Abbruch tat. Wahrscheinlich würde sie in einem Kartoffelsack noch immer phantastisch aussehen. Die engen Jeans und das schlabberige T-Shirt konnten ihre gute Figur auch nicht verstecken.

"Hallo Kermit, hier bin ich", begrüßte sie ihn.

"Schön, dass du hier bist. Setz dich, dann erkläre ich dir das Problem."

Die junge Frau setzte sich vorsichtig in den ihr angebotenem Stuhl und verzog leicht das Gesicht.

"Muskelkater?", erkundigte er sich mit einem Seitenblick.

"Nicht ganz, geprellte Rippen. Ich sage dir, vertrau nie einem Shaolin", gab sie zurück.

"Na ich bin jedenfalls keiner", lautete die trockene Antwort. Er ließ die dunkle Brille ein Stückchen auf seiner Nase herab gleiten und musterte sie eingehend.

"Caine nimmt dich ziemlich heran, was?", erkundigte er sich, obwohl er die Antwort schon kannte.

Sie verzog leicht das Gesicht. "So kann man das ausdrücken. Aber es ist ja nur zu meinem Besten."

In Kermits Ohren klang das wie auswendig gelernt. Skeptisch runzelte er die Stirn. Er konnte sich nicht helfen, aber sie kam ihm heute irgendwie blasser vor als sonst. Doch vielleicht lag das nur am Kontrast der dunklen Brille im Vergleich zu ihrer Haut.

"Schindet er dich zu sehr? Wird es dir zuviel?", hakte er besorgt nach.

Angel zog eine Augenbraue hoch. "Bin ich hier zum Verhör geladen, oder hast du mich gerufen, weil du mich brauchst?", erwiderte sie in einem leicht aggressiven Tonfall, der deutlich machte, dass sie darüber nicht reden wollte.

Abrupt schob Kermit seine Sonnenbrille auf den ihr angestammten Platz zurück und schluckte den aufkeimenden Ärger hinunter. Mit wenigen Handgriffen rief er kommentarlos die entwendete Nachricht auf und zeigte sie ihr. Angel pfiff leise durch die Zähne und spielte an einer ihrer langen Haarsträhnen herum.

"Das ist ein hartes Ding."

"Kannst du es decodieren und übersetzen, oder reichen deine Kenntnisse auf diesem Sektor nicht aus?"

"Lass mir doch erst Mal Zeit, mir das Ganze Anzuschauen. Ich muss mir erst einen Gesamteindruck verschaffen.", kanzelte sie ihn ab.

Der Detective hob die Hände. "Woa woa, schon gut, reiß mir nur nicht gleich den Kopf ab. Ich hole uns mal einen Kaffee und etwas zu Essen."

"Kannst du machen und lass dir Zeit."

Kermit betrat eine halbe Stunde später, mit Kaffee und Donuts beladen, sein Büro, den kleinen Zwist hinter sich lassend. Angel saß auf seinem Platz und starrte auf den Bildschirm. Neben ihr lag ein Zettel mit mehreren, dahingekritzelten Formen. Sie war so in ihre Arbeit vertieft, dass sie ihn nicht hörte und zusammen zuckte, als er den Becher mit der dampfenden Brühe neben sie stellte.

"Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken."

"Schon gut. Ich habe dich nur nicht kommen hören."

"Und, bist du schon weiter gekommen?"

"Nicht sehr, um ehrlich zu sein. Das ist ein verdammt komplizierter Code. Das Einzige, was ich heraus bekommen habe ist, dass er auf verschiedene, ineinander verstrickte Algorithmen basiert. Da hat sich jemand viel Mühe mit gegeben."

"Autsch. Das heißt du musst erst die richtige Formel finden und dann jeden Buchstaben extra berechnen."

Sie seufzte abgrundtief und nippte abwesend an ihrem Kaffe. "Genau so sieht es aus. Ist es dir eigentlich erlaubt, das hier mit nach Hause zu nehmen? Dort hätte ich entsprechende Programme, die mir den Umgang damit wesentlich erleichtern würden. Außerdem könntest du mir dann auch helfen und musst nicht arbeitslos daneben sitzen."

Kermit grinste breit. "Da frage ich doch gar nicht erst. Wenn du zu Hause bessere Ergebnisse erzielen kannst, dann melde ich mich kurz beim Captain ab und dann können wir los. Speicherst du es solange ab und sicherst es?"

"Geht klar. Ich schicke es mir über deine Spezialleitung rüber und mach zusätzlich noch eine Kopie auf Diskette, dann fahr ich los. Ach ja und erinnere mich bitte daran, dass ich mein Training heute absage, falls ich das vergesse. Da wird keine Zeit mehr übrig bleiben."

"Geht klar. Bis später", verabschiedete sich der ehemalige Söldner und machte sich auf den Weg zu seiner Vorgesetzten.

*********************

Kermit klopfte an Angels Türe. Sie öffnete ihm mit einem leicht verzweifelten Gesichtsausdruck, den Telefonhörer zwischen Schulterblatt und Ohr geklemmt und in der Hand einige Disketten. Ob er wollte oder nicht, er bekam die Diskussion mit.

Nein Paps, ich kann heute nicht kommen... hey, von Ausweichen kann keine Rede sein... nein ich will mich nicht um die Meditation drücken... ja meinen Rippen geht es gut... ich schaffe es heute auf keinen Fall mehr... ich verspreche dir, ich werde es morgen zu Lo Si bringen... Paps, bitte nicht... nein ich kann dir nicht sagen warum... ja... ja... dräng mich nicht weiter... ich muss jetzt Schluss machen... bis morgen... ja... ja... tschau, ich muss jetzt wirklich.

Mit fest zusammen gepressten Lippen legte sie den Hörer wieder auf. Einen kurzen Moment lang wirkte sie sehr traurig, doch dann bekam sie sich gleich wieder in den Griff.

"Probleme mit Caine?", erkundigte sich Kermit teilnahmsvoll und auch ein wenig amüsiert, da sie das von Caine sehr ungeliebte 'Paps' direkt von Peter übernommen hatte. Der Detective konnte sich nicht vorstellen, dass der Shambhala Meister es sehr angenehm fand, nun von zwei Menschen so angesprochen zu werden. Wahrscheinlich war dies Angels heimliche Rache an Caine, weil er sie im Training so forderte.

Sie zuckte mit den Schultern. "Wie man es nimmt. Ich wollte ja nur Peter Bescheid geben, damit er Dad mitteilt, dass ich nicht kommen kann. Aber da er bei Peter war, hatte ich ihn gleich an der Strippe. Paps denkt nun, ich will mich vor allem drücken. So schön es ist, jetzt eine Familie zu haben, so anstrengend kann es manchmal sein."

"Ich werde morgen zu ihm gehen und ihm sagen, dass du wegen mir nicht kommen konntest", meinte Kermit entschlossen, das kurze Gespräch in seinem Büro noch im Hinterkopf.

"Nein das will ich nicht. Entweder glaubt er mir, dass ich einen guten Grund habe, nicht zu kommen, oder eben nicht. Das ist mir vollkommen egal."

Dieser Satz sprach Bände. Kermit wurde klar, wie sehr Caine sie verletzt haben musste. Angel lenkte auch hier sehr schnell erneut vom Thema ab, indem sie sich sofort wieder ihrer Aufgabe zuwandte. Kermit fühlte sich ein wenig irritiert, weil sie wie eine Wilde durch die Wohnung wetzte.

"Kannst du einen Konverter anschließen?"

"Ja sicher. Wo hast du ihn?"

Sie warf ihm das entsprechende Teil zu. "Schließ ihn bitte an den zweiten Computer an, ich habe sie schon miteinander verbunden, dann können wir gleichzeitig an zwei Terminals arbeiten, sofern alles so klappt."

"Wie sieht es mit dem Zugang aus?"

"Ist alles schon konfiguriert, ich habe dir vollen Zugang gegeben und dich auch als Administrator angemeldet. Ich hoffe ja nicht, dass du es ausnutzt und meine privaten Daten ausspionierst. Aber so kannst du von hier aus auch auf deinen PC Zugriff nehmen wenn du es benötigst und musst mich nicht jedes Mal fragen."

Kermit war ehrlich erstaunt über Angels Organisationstalent und ihre Fähigkeit, weit über das Ziel hinaus zu denken. Sie hatte wirklich einiges auf die Beine gestellt in der kurzen Zeit.

"Gute Arbeit, junge Dame.", meinte er anerkennend. "Und keine Angst, ich werde meine Finger nirgendwo hinein stecken, wo sie nicht hin sollen."

Angel schenkte ihm ein halbes Grinsen. "Erst einmal Danke und zweitens: Das weiß ich auch so, ich habe dich nur ein wenig geneckt. Nun muss ich nur noch die Daten abrufen und dann kann ich wieder durchstarten mit der Dechiffrierung."

"Womit kann ich mit meinem Computer auf deinen Zugriff nehmen?"

"Das kleine Kästchen rechts unten bedient den Überwachungsmonitor direkt neben dir. Ich habe das Programm ein wenig modifiziert, damit kannst du dir nun meinen gesamten Bildschirm aufrufen und schauen wie weit ich bin und was ich mache. Ich fand das leichter, als wenn einer von uns dauernd aufstehen muss, wenn der andere eine Frage hat."

"Du bist wirklich gut, das muss ich dir lassen", meinte Kermit ehrlich.

"Lob mich nur nicht zu früh. Am Ende muss ich dir dann gestehen, dass ich die Mail doch nicht decodieren konnte. Aber nun lass mich arbeiten.", erwiderte sie abwehrend und schon ganz in Gedanken.

Kermit hielt sich an die Ruhe. Eine Weile schaute er ihr nur zu wie sie konzentriert arbeitete, dann widmete er sich seinen eigenen Sachen. Solange Angel nicht hinter den Code gekommen war, konnte er ihr eh leider nicht sehr viel weiter helfen.

Zwischendurch klingelte immer wieder das Telefon. Kermit sah fasziniert zu, wie sie in den verschiedensten Sprachen mit ihren Partnern telefonierte, ohne ihre eigentliche Arbeit zu unterbrechen. Allerdings sah er ihr deutlich an, dass die Unterbrechungen ihr langsam ziemlich auf die Nerven gingen. Während manchen Gesprächen sprang sie auf und zog aus einem Koffer ein paar Papiere hervor, bei anderen trommelte sie ungeduldig mit den Fingern auf dem Schreibtisch herum.

In seinen Augen stand sie unter mehr als nur Stress. Er fragte sich, wie sie auf die Dauer das alles wegstecken konnte. Wenn das jeden Tag hier so zuging, dann hatte sie wirklich einiges am Hals. Und dann gab es auch noch das anspruchsvolle Training mit Caine. Unwillkürlich überlegte er sich, ob sie genügend Schlaf bekam. Außerdem war ihm schon längst aufgefallen, dass sie ein paar Kilos abgenommen hatte, was selbst dieser schlabberige Pullover nicht verstecken konnte.

Mittlerweile stand die Sonne schon ziemlich tief am Himmel. Das von Kermit besorgte Mittagessen stand, von Angel kaum angerührt, auf dem Küchentresen herum. Wie es bei den Caines so üblich war, konnte man auch sie mit nichts ablenken, wenn sie sich irgendwo festgebissen hatte. Trotz all ihrer Bemühungen ging es mit dem Code leider dennoch ziemlich langsam voran, aber immerhin hatten die dauernden Störungen in Form von Telefonanrufen aufgehört.

Plötzlich sprang Angel von ihrem Stuhl auf und vollführte einen wahren Indianertanz. Kermit fiel vor Schreck fast vom Stuhl, er hatte sich so an die Stille, die nur von zwei Niesanfällen ihrerseits unterbrochen worden war, gewöhnt. Im letzten Moment konnte er verhindern, dass er seine Waffe zog, denn bei solchen überraschenden Aktionen kickte sofort sein Söldnerinstinkt ein.

"Drehst du jetzt voll durch oder was?", wollte er pikiert wissen.

Sie schenkte ihm ihr berühmtes Strahlelächeln. "Nein, mein Lieber Kermit, ich habe den Code geknackt... juhu... nun können wir richtig anfangen zu arbeiten. Komm rüber und ich zeige dir, wie du mir jetzt helfen kannst."

Vor lauter Freude fiel sie dem Cop um den Hals, als er zu ihr kam. Der überraschte Detective hielt sie einfach nur fest, genoss das Gefühl ihren Körper so dicht an dem seinen zu spüren und ihr süß duftendes Shampoo einzuatmen. Sie hatte ihre Anziehungskraft auf ihn noch lange nicht verloren. Allerdings war Angel so in ihrem Euphorismus gefangen, dass sie gar nicht mitbekam, was sie mit ihrer Umarmung anstellte. Viel zu schnell für seinen Geschmack machte sie sich von ihm los und stürzte sich mit Feuereifer in ihre Aufgabe.

Es dauerte nicht lange und sie waren beide wieder in ihre Arbeit vertieft. Mittlerweile war er draußen schon dunkel und Kermit hatte sich angeboten, die Reste des kaum angerührten Mittagessens aufzuwärmen, das sie wiederum kaum anfasste. Er akzeptierte es schweigend, beschloss aber sie, wenn es sein müsste, gewaltsam zu füttern, wenn sie nicht nach getaner Arbeit etwas aß. Kermit entging auch nicht, wie sie sich immer öfter die Augen unter der Sonnenbrille rieb. In der Zwischenzeit hatten sie die Datei dechiffriert, nun musste Angel sie noch übersetzen und dann wären sie fertig.

Das Telefon klingelte erneut. "Caine", meldete sich Angel in einem unfreundlichen Ton. Gleich darauf lächelte sie und ihre Stimme wurde weich.

"Oh hallo Annie, entschuldige, es gab einfach schon zu viele Anrufer heute. Wie geht es dir?... mir auch, danke... Abendessen?... Gerne, wann? ...Nein, morgen geht in Ordnung, das klappt gut... Peter ist nicht hier, er ist mit seinem Dad unterwegs... Kermit? Der ist hier bei mir, willst du ihn sprechen?... Okay bis morgen dann. Ich freue mich."

Sie reichte Kermit den Hörer weiter. "Hallo Annie schön dich zu hören... Wie könnte ich da widerstehen? Ich bringe den Wein mit schöne Frau... Ja sicher... Ich glaube, ein wenig schon, aber mehr kann ich dazu hier nicht sagen ...Klar bring ich sie mit, du weißt mir entkommt niemand... Okay, bis morgen dann...."

Kermit legte auf und wollte sich noch mit Angel unterhalten, doch die war schon wieder in die Übersetzung vertieft. Leise etwas murmelnd, fuhr er ebenfalls mit seiner Arbeit fort. Er stellte fest, dass er in ihrer Nähe wesentlich produktiver arbeiten konnte, als in seinem Büro auf dem Revier. Mit ihr ging alles Hand in Hand, sie ergänzten sich hervorragend.

Einige Stunden später, weit nach Mitternacht, kam der erlösende Satz von Angel. "Uff. Habe fertig. Kermit, du kannst dir nun alles durchlesen. Ziemlich heißer Stoff kann ich dazu nur sagen. Damit hast du einen Volltreffer gelandet."

Kermit trat an ihre Seite und drückte ihre Schultern. "Vielen Dank, Angel. Du bist spitze, weißt du das?"

Die junge Frau wurde über und über rot. Da sie nicht wusste, was sie erwidern sollte, stand sie nur auf und machte ihm Platz. Sie streckte sich genüsslich und gähnte hinter vorgehaltener Hand, begleitet von einem weiteren Niesen.

"Hast du noch Hunger?", erkundigte sie sich.

Kermit nickte abwesend.

"Okay, dann kümmere ich mich um den Mitternachtssnack zum Abschluss für heute."

Kermit war gerade fertig mit Lesen und hatte die Daten gesichert, da stand das Essen auf dem Tisch. Er fuhr die Rechner herunter und setzte sich zu der Computerexpertin auf die Couch, die ihm ohne viele Worte seinen Teller reichte.

Angel lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück. Kermit betrachtete sie näher, sie machte einen sehr erschöpften und müden Eindruck. Kein Wunder nach dem Marathon, den sie heute hinter sich hatten. Er sah auf Uhr, sie hatten beinahe 15 Stunden vor dem Computer gesessen.

"Isst du nichts?", erkundigte er sich, nur um etwas zu sagen.

Ohne die Augen zu öffnen, erwiderte sie. "Um ehrlich zu sein, bin ich zu müde zum essen. Ich mag mich gar nicht mehr bewegen."

"Du musst aber etwas essen, du hast den ganzen Tag noch nichts zu dir genommen."

Sie gähnte offen. "Ich bezweifle, dass ich noch eine Gabel halten kann."

Kermit schob seinen Teller zur Seite und zog Angel zu sich heran, so dass sie sich an seine Schulter lehnen konnte.

"Na gut, dann werde ich dich eben füttern müssen, Essen wirst du auf jeden Fall etwas. Es bringt niemandem etwas, wenn du umfällst. Mund auf!", kommandierte er.

Es wunderte ihn wie viel Vertrauen die junge Frau in ihn setze, denn sie öffnete ihren Mund protestlos und ließ sich von ihm Füttern, ohne auch nur die Lider zu heben.

"Aber kauen musst du alleine, das kann ich nicht für dich übernehmen", meinte er spöttisch, was sie auch prompt tat.

Kermit stellte schnell fest, dass es ihm Spaß machte, sie zu füttern, vor allen Dingen genoss er ihre Nähe ungemein. Sie wirkte im Moment wie ein kleines Kind auf ihn und er spürte einen immensen Drang, sie zu beschützen und alles böse von ihr fern zu halten. Mehrere Bissen wechselten auf diese Art ihren Besitzer. Irgendwann öffnete sie den Mund nicht mehr.

Der Detective schielte von oben auf sie herab und entdeckte, dass sie an seiner Schulter eingeschlafen war. Mit einem schiefen Grinsen stellte er den Teller auf den Tisch zurück. Durch die Bewegung rutschte sie weiter zu seiner Seite hin und lag nun mitten auf seiner Brust. Kermit überlegte einen Moment, ob er sie gleich ins Bett tragen sollte, doch da er nicht sicher sein konnte, ob sie dadurch nicht aufwachen würde, beschloss er, sie noch ein wenig länger im Arm zu halten, bis sie wirklich im Tiefschlaf war.

Kermit rutschte ein wenig tiefer in die Couch, nahm ihre Sonnenbrille ab, legte sie auf den Tisch und zog Angel dann mit sich. Er legte beide Arme um sie, um sie vor dem Herunterfallen zu bewahren und schloss ebenfalls seine Augen. Ein wenig dösen durfte wohl erlaubt sein. Außerdem konnte er sich so viel besser auf die Frau in seinen Armen konzentrieren. Mit all seinen Sinnen genoss er ihre Nähe, wünschte sich, sie immer so halten zu können. Sie fühlte sich einfach viel zu gut an in seinen Armen.

Seine Gedanken machten sich auf die Reise. Er stellte sich vor wie es wäre, wenn Angel seine Gefühle ebenfalls erwidern würde und bevor er sich versah, begab er sich ebenfalls in Morpheus Arme.

Ein leiser Laut weckte den Ex-Söldner gut eine Stunde später. Durch das Gewicht auf seiner Brust schreckte er hoch, noch ganz im Schlaf gefangen. Dadurch rutschte er zusammen mit Angel vom Sofa auf den Boden. Durch den etwas von Kermit gemilderten Aufprall, der mit einem Mal vollkommen wach war, erwachte auch Angel. Große, erstaunte, schlaftrunkene Augen blickten zu ihm hoch.

"Was ist den los?", fragte sie verwirrt. "Erdbeben?"

"Wir sind nur beide eingeschlafen und von der Couch gefallen", beruhigte er sie. "Hast du dir wehgetan?"

Die Worte ließen Angel wacher werden, aber sie schaffte es nicht, vollkommen den Schlaf abzuschütteln.

"Ist es auf dem Boden nicht ein wenig unbequem?", kam es von ihr.

Kermit konnte ein Lächeln nicht zurück halten, sie klang so unschuldig.

"Damit gebe ich dir vollkommen Recht. Na komm hoch."

Kermit stand auf und zog sie mit sich. Durch ihre Benommenheit driftete sie gegen ihn und schlang ihm ganz automatisch die Arme um den Hals. Der Cop stöhnte auf, als er ihren Körper spürte, der sich der ganzen Länge nach an ihn drückte. Seine Arme schlangen sich um ihre Taille, bevor sie wieder auf den Boden sinken konnte.

Er erhaschte ein kleines Lächeln bevor sie ihren Kopf an seine Schulter lehnte und murmelte. "Wie schön..."

Kermit schluckte trocken, er konnte unmöglich zulassen, dass sie etwas tat was sie nicht wollte. Mit zwei Fingern hob er ihr Kinn an und brachte sie dazu, ihm in die Augen zu sehen.

"Zeit für dich ins Bett zu gehen, junge Dame. Du kannst ja nicht mal mehr auf deinen eigenen Beinen stehen", meinte er sanft.

Anstelle einer Antwort zog Angel seinen Kopf herunter. Er widerstand nur einen kurzen Moment.

Dicht an seinen Lippen flüsterte sie. "Darauf habe ich schon lange gewartet. Küss mich."

Kermit zog abrupt seinen Kopf zurück und versuchte die Hände von seinem Nacken zu lösen.

"Keine gute Idee, du weißt nicht was du sagst und was du tust", erwiderte er scharf.

So sehr er sich dasselbe wünschte, er wollte die Situation nicht ausnutzen. Für ihn war vollkommen klar, dass sie sich noch immer im Halbschlaf befand.

Angel schüttelte den Kopf und amtete tief ein. Als sie den Kopf wieder hob, war ihr Blick klar und fest. Ihre Augen schimmerten in einem irisierenden Blau und zeigten keine Spur mehr von Müdigkeit.

"Ich bin absolut bei klarem Verstand und vollkommen wach."

Der Detective konnte seine Augen nicht von ihr abwenden, ihr Blick nahm ihn vollkommen gefangen, zumal seine Brillengläser ebenfalls auf dem Tisch lagen. Deutlich konnte er das Verlangen und das Vertrauen darin erkennen.

"Sieh mich nicht so an, Angel", bat er leise.

"Wie soll ich dich denn nicht anschauen? Liest du in meinen Augen etwas, was du auch empfindest?", brachte sie die Sache auf den Punkt.

Kermit schloss einen Moment die Augen, seine Brust hob sich in einem tiefen Atemzug.

"Angel, letzte Chance", brachte er zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.

Als Antwort schmiegte sie sich noch ein wenig enger an ihn und ließ ihre Hände auffordernd und bittend zugleich über seinen Rücken gleiten.

Diese kleine Geste war zuviel für Kermit. Mit einem leisen Laut gab er seinem Verlangen nach und senkte seine Lippen auf die ihren. Zuerst küsste er sie sanft und zärtlich, bis sie ihm ihre Lippen öffnete.

Der zarte Kuss wurde schnell zu einem Feuer der Leidenschaft. Kermit schob seine Zunge in ihren einladenden Mund und küsste sie tief und innig. Seine Hände glitten von ihrer Taille hoch zu ihrem Rücken und schlüpften dort unter ihr T-Shirt. Sie bog sich ihm entgegen, seine Männlichkeit drückte genau gegen ihren Unterleib. Er nahm ihre Unterlippe zwischen die Zähne und knabberte zart daran, gleichzeitig strich er die ganze Länge ihrer Wirbelsäule hoch. Angel konnte ein Stöhnen nicht mehr unterdrücken.

Der kleine Laut brachte Kermit in die Wirklichkeit zurück. Nein, so sollte es nicht passieren. Wenn, dann sollte sie wirklich voll da sein und nicht so erschöpft, wie sie es jetzt war.

Er beendete sanft den Kuss und schob sie ein kleines Stück zurück. "Nein Dollface, nicht so", wisperte er, das Bedauern in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Angel verstand was er meinte und nickte, langsam auf den Boden der Tatsachen zurück findend.

"Du hast recht, wir haben noch jede Menge Zeit", stimmte sie zu.

Kermits Kopf ruckte nach oben, erstaunt sah er sie an. Ein Versprechen lag in ihrem Blick, er konnte es kaum glauben. Auch für sie war diese Situation kein Ausrutscher! Sie wollte ihn genauso, wie auch er sie wollte!

Vollkommen überwältigt von der Entdeckung, streckte er ihr die Hand entgegen und sie schmiegte sich wie selbstverständlich erneut an ihn, ließ sich von ihm festhalten, schmolz in seinen Armen dahin.

Kermit räusperte sich und schob sie sanft von sich. "Ich sollte jetzt wirklich gehen und du marschierst ab in dein Bett.", raunte er ihr ins Ohr, bevor er doch noch schwach wurde.

Nur widerwillig löste sich Angel von ihm. Noch einmal sah sie ihm tief in die Augen und drückte ihm einen fast keuschen Kuss auf die Lippen.

"Gute Nacht, Kermit", hauchte sie. Dann drehte sie sich um und verschwand in ihrem Schlafzimmer.

Der Detective sah ihr noch lange nach.

 

Teil 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 Epilog

Zurück zum Autoren Index      Zurück zum Story Index