Peter wartete, ungeduldig mit dem Fuß wippend, bis sich die Fahrstuhltüren endlich öffneten. Gut gelaunt trat er in den Korridor, in dem sich Angels Apartment befand und suchte in seiner Hosentasche nach den Schlüsseln. Vor der Wohnung angekommen, ließ er sich, wie eigentlich immer in der letzten Zeit, einfach selbst herein. "Hey, Angel ich bin es", tat er seine Ankunft kund. Stille empfing den Detective. Unwillkürlich versteifte er sich, denn er musste sofort daran denken, dass etwas passiert sein könnte. Erst auf den zweiten Blick entdeckte er die Gesuchte. Erleichtert lächelnd trat er zu ihr und blickte auf sie herunter. Sie wirkte absolut friedvoll und zufrieden. Sanft strich er über ihre Wange. "Hey Schwesterchen, aufwachen, ich bin hier. Die Meditation ruft." Angel bewegte sich leicht und blinzelte. "Kermit, nicht schon wieder...", murmelte sie schlaftrunken und wehrte die streichelnde Hand ab. "Was?!?" Peter rief das Wort laut heraus. Er zog seine Finger zurück als hätte er sich verbrannt und sprang einen Schritt zurück. Angel tauchte aufgrund seines Schreies endgültig aus den Gefilden des Schlafes auf und setzte sich auf der Couch aufrecht hin. "Oh, hallo Peter, hast du gut geschlafen?", erkundigte sie sich, sich nicht bewusst darüber, was sie vor ein paar Sekunden gesagt hatte und schüttelte ihre langen Haare aus. Peter wollte nicht glauben, was ihre Worte implizierten. Um Gewissheit zu erlangen, erweiterte er sein Chi und ließ es auf Angel übergreifen, auch wenn er sich gleichzeitig sehr schuldig fühlte, dass er ungefragt in ihre Gefühlswelt eindrang. Was er entdeckte, ließ ihn erbleichen. Da gab es etwas in ihrem Fühlen, das gestern noch nicht da gewesen war. Er brauchte nicht lange, um zu erkennen, was es war. Ungläubig starrte er auf Angel herunter. "Wie konntest du nur!", rief er anklagend. "Wie konnte ich was?", erkundigte sich Angel durcheinander. Sie verstand Peters Aufregung absolut nicht. "Tu nicht so, du weißt genau wovon ich rede!", rief der Shaolin-Cop zornig aus. Angel tastete nach seiner Hand, aber sie griff ins Leere. "Peter, kannst du mir bitte mal erklären warum du so aufgeregt bist? Ich habe keinen blassen Schimmer worauf du hinaus willst." "Ich fasse es nicht, du hast tatsächlich mit Kermit geschlafen!", schrie er sie laut an. Ein klein wenig leiser setzte er fassungslos hinzu: "Wie konntest du nur!" "Ja und, was ist daran so schlimm?", erkundigte sie sich, nun vollkommen ruhig. "Du streitest es nicht einmal ab!" Der junge Shaolin begann, unruhig im Raum hin und her zu laufen. Immer wieder fuhr er durch seine Haare, die bald wild in alle Himmelsrichtungen abstanden. Dabei warf er ihr ständig brennende Blicke zu, ungeduldig auf ihre Antwort wartend. "Warum sollte ich?", entgegnete Angel, sich keiner Schuld bewusst. "Ich kann nichts Schlimmes darin entdecken. Immerhin bin ich eine erwachsene Frau und weiß, was ich tue." Peter fuhr sich frustriert erneut durch die Haare, ohnmächtige Wut erfasste ihn. Er kickte gegen ein am Boden liegendes Kissen und stellte sich dabei vor, es wäre Kermits Kopf. Es brachte nur kurzzeitige Erleichterung. "Ausgerechnet Kermit, ich dachte er sei mein bester Freund. Wie konnte er dich nur so ausnutzen!", donnerte er, während er herum wirbelte und sich dicht vor wie ein Racheengel aufbaute. "Er hat mich nicht ausgenutzt, wir wollten es beide", gab Angel in ruhigem Ton zurück, auch wenn ihr das sehr schwer fiel. "Ich bringe ihn um! Meine kleine Schwester!" Mit diesen Worten wandte er sich zornbebend ab und hechtete zur Türe. Angel sprang auf die Beine. Trotz ihrer Blindheit bewegte sie sich so sicher, als könne sie sehen. Irgendwie schaffte sie es, sich schneller als ihr Bruder zu bewegen und stellte sich zwischen ihn und den Ausgang. "Peter Caine, wage es nicht in dieser Stimmung aus dieser Türe zu treten. Lass es nicht zum Kampf zwischen uns beiden kommen." Ihr Ton klang eiskalt und so bedrohlich, dass der junge Mann mitten in der Bewegung stoppte. Seine Augen saugten sich in ihrem Gesicht fest, aus dem ihm pure Entschlossenheit entgegen leuchtete. "Wie bitte?!?" Sein Ton sprach Bände. Er konnte nicht glauben, was sie gerade von sich gegeben hatte. "Peter, bitte. Lass uns wie zwei vernünftige und erwachsene Menschen darüber reden", bat Angel sanft, obwohl sie noch immer in Angriffsposition da stand. "Er hat dich einfach ausgenutzt, wie kann ich das zulassen? Und du willst auch noch gegen mich kämpfen? Mein Gott, was hat er mit dir nur angestellt!", rief er vollkommen durcheinander aus. "Das grenzt an Gehirnwäsche. Nein…es IST Gehirnwäsche!" "Du hirnverbrannter Idiot, er hat überhaupt nichts mit mir angestellt. Verdammt, Peter, ich LIEBE ihn!" Totenstille herrschte auf ihre Worte hin. Nun war
er heraus. Angel erschreckte sich selbst vor dem, was sie gesagt hatte.
Sie hatte das ausgesprochen, was sie selbst nicht so richtig wahr haben
wollte. Zitternd tastete sie sich den Weg zum Sofa zurück und ließ
sich in die Kissen gleiten. Eine Träne lief ihr über die Wange,
als ihr klar wurde, wie viel sie in Wirklichkeit für diesen dunklen,
mysteriösen Mann empfand. "Ist das wirklich wahr, Schwesterchen?", flüsterte er. Mit dem Daumen wischte er ihr die Träne weg, sie spürte, dass auch er zitterte. Obwohl sie gerade viel lieber vor ihm zurück weichen wollte, hielt sie still. Unter keinen Umständen wollte sie einen weiteren Wutanfall seitens ihres Bruders riskieren. Angel holte tief Luft. "Ja, es ist wahr, Brüderchen. Ich wusste es selbst nicht bis zu diesem Moment. Aber ich liebe ihn, mit jeder Faser meines Herzens." Peter schluckte trocken, sein rechter Fuß schabte unruhig am Boden entlang. "Warum ausgerechnet Kermit? Es ist ein gefährlicher Mann mit einer schlimmen Vergangenheit, die ihn immer wieder einholt." Angel rieb sich über die feuchten Augen. "Ich weiß es ja selbst nicht. Es ist einfach passiert. Schon beim ersten Mal als ich ihn gesehen habe, hatte ich Schmetterlinge im Bauch und gestern Abend, tja da ist es eben einen Schritt weiter gegangen." Peter spürte ihren Verzweifelten Wunsch, dass er ihr seinen Segen gab. Aber konnte er dies wirklich aus vollstem Herzen tun? Natürlich wünschte er seinem Freund nur das Allerbeste, dies schloss eine liebende Frau mit ein. Doch warum musste das ausgerechnet seine kleine Schwester sein? Irgendwie konnte er sich mit dem Gedanken nicht richtig anfreunden. Er kannte nun mal die Gefahren nur allzu gut, die eine Beziehung mit dem Ex-Söldner mit sich bringen würde. Andererseits: Wie konnte er sich gegen das Glück des Menschen, mit dem er sich bereits ebenso verbunden fühlte wie mit seinen Vater, stellen? Auch sie, der Caine-Clan, hatten es mit sehr mächtigen Feinden zu tun, die ihnen beinahe regelmäßig nach dem Leben trachteten. Wenn Angel damit umgehen konnte, dann konnte sie das sicherlich auch mit der Vergangenheit eines Söldners. Wie sollte er sich nur entscheiden? "Und er? Wie steht er dir gegenüber?", wollte der Shaolin-Cop unschlüssig wissen. Angel senkte den Kopf. Ihre Fingerknöchel traten weiß hervor, so sehr ballte sie ihre Hände zusammen. "Ich habe keine Ahnung. Wir haben nicht darüber gesprochen, wie es weiter gehen soll, oder ob es überhaupt weiter geht", versetzte Angel mit so viel Verzweiflung in der Stimme, dass Peter seine Vorbehalte vergaß und sie spontan in die Arme zog. "Scht, schon gut Kleines. Ich bin sicher, es wird sich alles geben", beruhigte er sie. Sie hob den Kopf. "Wirklich?" Ihre Stimme klang wie die eines kleinen Kindes. Peter ließ sie los, umfasste nur noch ihre Hände. Eingehend betrachtete er ihr Gesicht. Angefangen von den bebenden Lippen über ihre gefurchte Stirn, bis hin zu ihren flehenden, nach Gewissheit hungernden Augen. "Sicher. Du hast dir nur nicht gerade den einfachsten Menschen heraus gesucht." Das zauberte ein kleines Lächeln auf ihre Lippen, ihre Gesichtszüge entspannten sich zusehends. "Heißt das, du hast nichts dagegen einzuwenden?" Peter zögerte einen Augenblick mit der Antwort. Instinktiv wusste er, dass er seine Worte mit Bedacht wählen musste, damit kein unüberwindlicher Graben zwischen ihnen entstand. "So würde ich es nicht gerade formulieren. Ich möchte um nichts auf der Welt, dass meiner kleinen Schwester wehgetan wird und ich wage zu behaupten, dass Kermits Gefühle für dich auch tiefer gehen." Er holte tief Luft und drückte ihre Hand. "Aber er ist ein Mann mit Vergangenheit und auch vielen Prinzipien, du wirst es nicht einfach mit ihm haben. Ihn könnte jederzeit seine Vergangenheit einholen und du würdest mitten im Kreuzfeuer stehen, darüber musst du dir absolut klar sein. Außerdem brauche ich auch eine Weile, um akzeptieren zu können dass mein bester Freund mit meiner kleinen Schwester ...hm... herum macht." Angel schob schmollend die Unterlippe vor. "Na der Caine Clan ist auch nicht gerade ohne Feinde und außerdem stehst du als Kermits Freund genauso im Kreuzfeuer. In der Richtung mache ich mir absolut nichts vor, keine Sorge. Aber ich weiß auch, dass Kermit immer alles daran setzt, uns zu beschützen und auch, dass ich ihm vollkommen vertrauen kann, egal was passiert. Ich bin bereit das Risiko einzugehen.", verteidigte sie sich gekonnt. Peter lachte leise. Sie sprach gerade das aus, worüber er sich wenige Minuten zuvor ebenfalls den Kopf zerbrochen hatte. Laut ausgesprochen hörte es sich irgendwie nicht mehr ganz so negativ an. "Du hörst dich gerade genauso an wie Annie. Du bist eine verdammt starke Frau, Angel; eigentlich genau das, was Kermit braucht, um ehrlich zu sein. Und wenn Annie es schaffte, sich mit Paul zu arrangieren, dann wirst du es wohl auch mit Kermit schaffen. Ihr seid euch in vielen Dingen ähnlich." Zärtlich strich er über ihre blonden Locken. "Aber du bist für mich nun mal eben auch meine kleine, jüngere Schwester." "Na so klein nun auch wieder nicht. Weiterhin bin ich gerade mal drei Jahre jünger als du, und ich weiß genau was ich tue." Peter nahm Angel noch einmal in die Arme. "Das weiß ich doch, Schwesterchen. Verzeih deinem großen Bruder, dass er sich so benommen hat. Ich möchte dich nur um eines bitten…" "Das wäre?", hakte Angel leicht ungeduldig nach, weil er nicht weiter sprach. "Gib mit bitte Zeit, um mich an den Gedanken zu gewöhnen." "Das tue ich gerne." Angel küsste Peter auf die Wange. "Ich bin froh, so einen tollen Bruder gefunden zu haben. Danke, ich hab dich sehr lieb." Peters Umarmung wurde fester, gleichzeitig straffte er sich. "Ich dich auch. Aber nun wird es langsam Zeit, um mit dem Training anzufangen", wechselte er das Thema. Angel seufzte herzerweichend. "Du weißt wirklich, wie du mich auf den Boden der Tatsachen herunter bringen kannst." ************** Peter brauchte all seine Geduld, um mit Angel zu arbeiten. Obwohl die junge Frau sich sehr anstrengte, kamen sie kaum voran. Der Detective spürte, dass sie tief in ihrem Inneren Angst hatte, all das zuzulassen, was sie noch nicht verstand und er war nicht in der Lage, ihr die Zuversicht zu geben, die sie benötigte. Er brauchte fast bis zum Abend, bis er endlich zu ihr durchdrang und sie auf die Lektionen ansprach. Beide ließ das sehr erschöpft zurück. Angel war mehr als froh, als Peter meinte für heute sei es vorbei und beschwerte sich im gleichen Atemzug, dass er noch schlimmer als Caine sei, wenn es um die Lektionen ging, was Peter nur mit einem schwachen Lächeln beantwortete. Er hatte sich bis heute eigentlich noch nicht so sehr in der Rolle des Lehrers gesehen, aber er stellte fest, dass ihm das lag. Vielleicht sollte er doch seinem Vater mehr unter die Arme greifen, und ein paar Klassen unterrichten. Er beschloss zum Abschluss der Lektion, noch einen kleinen Test zu machen. Das würde ihm dann schell beweisen, ob er ein guter Lehrmeister war oder nicht. "So Schwesterchen, nachdem was wir heute gemacht haben und du eh eine Verbindung zu mir hast, möchte ich, dass du versuchst, mir mental eine Nachricht zukommen zu lassen." "Ich soll was? Meinst du wirklich das klappt?", erkundigte sie sich deutlich zurückhaltend. Peter zog, von der negativen Reaktion leicht überrascht, eine Augenbraue nach oben, beschloss aber, nicht näher darauf einzugehen. Stattdessen antwortete er: "Ich denke schon, versuche es einfach. Tu das, was ich dir vorher beigebracht habe nur genau den gegenteiligen Weg. Lass deine Gedanken wissentlich an dem Link, also unserer Verbindung, entlang gleiten und schick mir eine Nachricht." Instinktiv griff sie nach seiner Hand. Er drückte sie beruhigend. "Du schaffst das!", machte er ihr Mut. Angel schloss ihre Augen und konzentrierte sich auf die Lektion, die sie nun nach vielen Stunden anscheinend endlich gelernt hatte. *Peter...Peter...bist du da?*, dachte sie. Wie ein leichtes Wispern kehrte es zurück. *Gratuliere, du hast es geschafft. Ich kann dich klar und deutlich hören.* *Nett, dann sparen wir uns die Telefonkosten*, kam es trocken von ihr zurück. Sie hörte Peter leise lachen in Gedanken. *Übertreiben würde ich es nicht. Es wird dich die erste Zeit ziemlich anstrengen, diese Verbindung zu halten, das wirst du bald sehen* Wie Recht er hatte merkte Angel schnell. Sie verlor die Verbindung und schnappte nach Luft, als sie eine plötzliche Welle von Schwäche erfasste. Peter lachte erneut. "Siehst du, was habe ich dir gesagt? Aber du hast dich wirklich sehr tapfer geschlagen, ich kann dich nur loben. Ehrlich gesagt dachte ich nicht, dass du es heute schon schaffst", sagte er nun laut und half ihr vom Boden auf. Angel lehnte sich mit zitternden Knien an ihn und ließ sich zum Sofa führen. "Und was bedeutet das nun für uns?", erkundigte sie sich. "Das bedeutet, dass du immer wissen wirst, wo ich bin, wenn du dich auf mich konzentrierst." Angels Gesicht leuchtete auf. "Das heißt, ich werde nie wieder alleine sein, wenn ich es nicht will?" "Genau das." Es ging Peters ans Herz, dass sie genauso viel Angst hatte, plötzlich alleine dazustehen wie er. "Und bei Paps? Klappt das auch?" "Wahrscheinlich schon. Probier es später einfach aus, wenn du dich wieder kräftiger fühlst. Ich bin gespannt ob du es schaffst und falls du es tust, wird sich Paps sicher sehr darüber freuen." "Das ist wirklich toll. Ich gebe dir morgen Bescheid, ob es geklappt hat, oder noch besser, ich versuche dir mental eine Nachricht zu schicken." Peter nahm Angel in die Arme und drückte sie sanft an sich. "Nur nicht übertreiben, Kleine. Lass es bitte langsam angehen, ich möchte nicht, dass du dich übernimmst. Diese ganze Sache mit der Gedankenübertragung ist wirklich ziemlich anstrengend und könnte ganz gemeine Folgen haben." "Was immer du sagst, großer Bruder", stimmte Angel spontan zu. Einträchtig bereiteten sie das Abendessen zu. Angel fühlte sich soweit wieder gut, dass sie unbedingt probieren wollte, Caine zu erreichen während Peter noch anwesend war. Wieder besseres Wissen stimmte er zu. Sie benötigte einige Minuten, um in das Stadium der Meditation zu gelangen und brauchte zugegebenermaßen noch etwas Hilfe von Peter, aber dann schaffte sie es tatsächlich, auch zu Caine eine mentale Verbindung herzustellen. Zwar nicht so klar, wie bei Peter, aber immerhin. Mehr als ein paar Worte schaffte sie nicht, ihm zu übermitteln, doch ihr reichte es und sie spürte, dass Caine stolz auf sie war, wenn auch ziemlich nachdenklich. Das kurze Zwiegespräch hatte Angel mehr erschöpft als sie zugeben wollte. Peter, der noch ganz gefangen von ihrem großen Fortschritt war, fiel das nicht auf. Obwohl Angel es nicht wahr haben wollte, wurden die Kopfschmerzen von Minute zu Minute immer stärker. Schließlich hielt sie es kaum noch aus. "Peter, gehst du mal bitte ins Bad, da ist ein kleiner Medizinschrank. Könntest du mir von ihm ein paar Aspirin bringen?", fragte sie. "Geht es dir nicht gut, habe ich dich doch überfordert?" "Nein, nein das denke ich nicht. Ich habe nur Kopfschmerzen, nichts ernstes." Der Detective befand sich sofort in Alarmbereitschaft. Ihm war noch gut in Erinnerung, wie der Arzt auf sie eingeredet hatte, speziell wenn es um Angels Kopf ging. Es war seiner Meinung nach nicht auszuschließen, dass ihre Krankheit etwas mit ihren Schmerzen zu tun hatte. "Das ist gar nicht gut, Angel. Ich bringe dich am Besten direkt ins Krankenhaus." "Wegen Kopfschmerzen? Bitte, mach dich nicht lächerlich.", wiegelte sie ab. "Das ist keineswegs Lächerlich", widersprach Peter ernst und musterte sie intensiv. "So wie du aussiehst, sind die Schmerzen ziemlich stark." Angel schnaubte durch die Nase. "Wenn ich gewusst hätte wie du reagierst, hätte ich gar nichts gesagt. Peter, es sind nur Kopfschmerzen und sonst nichts!" "Und ich bringe dich jetzt in die Klinik!" "Nein!" Stur schüttelte Angel den Kopf und bereute diese Bewegung sofort. Nur mit Mühe unterdrückte sie ein Stöhnen. Peter sah ein, dass er so nicht weiter kam, außerdem wollte er sie nicht weiter aufregen. Seine Angst überwog einfach, dass er ihre Kopfschmerzen nur noch mehr verstärken würde, wenn er auf seinen Standpunkt beharrte. "Okay, diesmal hast du gewonnen, aber ich bestehe darauf, dass ich dich zu Paps bringe. Ich will, dass er dich ansieht.", wich er zu einer weiteren Lösung aus. "Oh Mann, nun raste doch nicht gleich aus hier. Gib mir endlich diese zwei Aspirin und alles ist gut." "Keine Widerrede, ich mache keinerlei weitere Kompromisse. Entweder ist es Paps oder das Krankenhaus, du kannst heraus suchen." Seine Stimme klang sehr ernst und unnachgiebig. Angel wusste, wenn er in solch einem Ton mir ihr sprach, hatte sie keine Chance gegen ihn. Dennoch wollte sie so schnell nicht klein bei geben. "Peter, hole mir doch bitte das Aspirin." "Ins Krankenhaus oder zu Paps", wiederholte er stur. Sie holte tief Luft und fuhr sich über die schmerzende Stirn. "Gut, dann hole ich sie mir eben selber." Angel erhob sich, Peter tat es ihr gleich. Zum Glück, denn kaum stand sie auf ihren Beinen, gaben ihre Knie nach. Peter fing sie auf und hob sie auf die Arme. "Gut, das reicht, ich bring dich ins Krankenhaus.", versetzte er scharf, um seine Besorgnis zu überspielen. Angel hielt ihren pochenden Kopf mit beiden Händen fest. "Bitte nicht, dann bitte zu Paps, ich will nicht ins Krankenhaus, das ertrage ich nicht." So viel Angst klang in ihrer Stimme mit, dass der Cop zumindest jetzt nachgab. Falls ihr Vater ihr nicht helfen konnte, dann konnte er immer noch einen Krankenwagen rufen. So schnell es ihm möglich war, und ohne sie allzu viel zu bewegen, trug er Angel in den Stealth. Die Fahrt zu Caine war ihm noch nie so lange vorgekommen, er ließ sie während der Fahrt keine Minute aus den Augen. Sie wurde immer blasser, und er begann, sich immer mehr Sorgen um sie zu machen. Wäre er nicht schon fast bei seinem Vater angelangt, Peter hätte es sich anders überlegt. Bei Caine angekommen, hob er sie wieder auf die Arme und hechtete mir ihr die vielen Stufen hinauf. Schon von unten rief er: "Paps!" Sicherheitshalber schickte er den Ruf auch durch ihre mentale Verbindung *Paps!* Caine eilte ihnen an der Türe entgegen. Wortlos nahm er Peter seine Last ab und brachte sie in den Behandlungsraum, in dem er seine Patienten untersuchte. Vorsichtig ließ er die nun leise wimmernde Angel auf die breite Holzplattform gleiten. Er schloss seine Augen, rieb kurz seine Hände aneinander und ließ sie dann, wenige Millimeter über ihrem Körper schwebend, an ihr hinunter gleiten. Mehrere Minuten verstrichen. Peter trat ungeduldig von einem Fuß zum anderen und beobachtete mit Argusaugen, was der Apotheker mit Angel anstellte. "Was ist mir ihr Paps?", fragte er besorgt nachdem er sah, dass sein Vater die Untersuchung beendet hatte. "Hole eine Schüssel mit kaltem Wasser und einen Lappen und reibe ihr damit das Gesicht und Arme ab", instruierte Caine und wandte sich dann seiner Werkbank zu, damit beschäftigt ein paar Kräuter herzurichten. Peter kam dem Befehl seines Vaters nach und holte die georderten Sachen. Er setzte sich dicht neben Angel auf die Plattform und wischte ihr so sanft wie möglich die Stirn ab. Mit ihren Armen verfuhr er ebenso und sah dann zu seinem Vater. "Paps, bitte sage mir was los ist." Der Shaolin kam mit ein paar Kräutern zurück. "Du musst nicht allzu besorgt sein, mein Sohn. Sie hat nur starke Kopfschmerzen. Das wird wohl die Anspannung der letzten Tage sein." Peters Erleichterung bei diesen Worten war ihm deutlich anzusehen. "Heißt das, ich habe mir ganz umsonst Sorgen gemacht?" Das typische Schulterzucken seines Vaters war die ganze Antwort, die er erhielt. Caine öffnete mit sanftem Nachdruck Angels Mund und schob ihr einige Kräuter hinein. "Kau das, es wird dir helfen.", befahl er der nur halb anwesenden jungen Frau. Selbst diese winzige Bewegung bereitete Angel starke Schmerzen. Peter konnte es fast nicht mit ansehen wie sie leiden musste. Ihr leises Stöhnen ging ihm durch und durch. "Paps, kannst du denn nicht mehr tun? Bring sie doch dazu, dass sie schläft.", bat er, nah am Rande der Verzweiflung. "Du musst Geduld haben, mein Sohn. Die Kräuter haben eine beruhigende Wirkung. Angel wird bald einschlafen." Peter stieß erleichtert die Luft aus. "Gut. Hast du etwas dagegen, wenn ich heute Nacht auch hier bleibe?", erkundigte er sich vorsichtshalber. Caine schüttelte den Kopf und deutete auf die Plattform. "Da ist genug Platz für euch beide." Wie immer behielt Caine Recht. Es dauerte nur noch wenige Minuten, bis Angel in den Schlaf abdriftete, ihr leises Stöhnen stoppte. Peter, nun endgültig beruhigt, dass es ihr wieder besser ging, respektive sie nichts mehr spürte, beschloss seinen Vater in der Meditation zu begleiten. Das würde auch ihn beruhigen, hier konnte er im Moment eh nichts machen. Einen letzten Blick auf seine schlafende Schwester richtend, folgte er seinem Vater in die Mitte des Raumes. Caine zündete gerade mehrere Kerzen an und blickte ihm einladend entgegen. Peter verbeugte sich kurz vor seinem Vater respektvoll im Shaolin Salut, dann setzte er sich ihm gegenüber im Schneidersitz auf den Boden. Obwohl er nicht daran geglaubt hatte, schnell seine innere Mitte zu finden, weil er sich noch immer ziemlich aufgewühlt fühlte, gelang ihm das doch relativ fix. Peter ergriff Caines dargebotene Hände und ließ sich dann in einen virtuellen, sehr entspannenden Spaziergang rund um einen imaginären See entführen. ********** Eine gute Stunde später wurden die beiden Caines von einem markerschütternden Schrei aus der Meditation gerissen. Peter sprang wie der Blitz auf die Beine und eilte zu Angel, die sich wie im Wahn auf ihrer Liegestätte hin- und herwälzte. Die Decke lag in einem Knäuel zu ihren Füßen und ihr gesamter Körper war mit einer feinen Schweißschicht bedeckt. Eindeutig befand sie sich in den Fängen eines heftigen Alptraums. Peter umfasste ihre Schultern und drückte sie sanft. "Hey, Kleines, wach auf. Es ist nur ein böser Traum." Mit einem weiteren Schrei kam Angel zu sich. Sie zitterte am ganzen Körper. Ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen und wirkten wie zwei dunkle Untertassen in dem blassen Gesicht. Zwei schemenhafte Gestalten tanzten vor ihren Augen. Noch immer halb in ihrem Traum gefangen, konnte sie Realität und Fantasie nicht unterscheiden. Stattdessen schloss sie fest die Augen und drückte ihren Kopf an Peters Schultern, der sie sanft in seine Arme zog. "Pscht, schon gut meine Kleine. Es ist alles in Ordnung, ich bin bei dir. Es kann dir nichts passieren", wisperte er ihr ins Ohr, während er in tröstenden Kreisen über ihren Rücken streichelte. Sie murmelte etwas, was er nicht verstand. Peter beugte sich dicht zu ihr hinab. "Was hast du gesagt?", erkundigte er sich. "Nichts", erwiderte sie knapp mit zitternder Stimme. Der junge Cop zog sie nur ein wenig enger an sich heran. "Willst du darüber reden? Ich bin ein guter Zuhörer", erkundigte er sich fürsorglich. "Nein, will ich nicht.", versetzte sie zu seinem Erstaunen ziemlich heftig. Sie drückte beide Hände gegen seine Brust, so dass er sich gezwungen sah, sie loszulassen. Ein wenig in den Gefühlen verletzt, erhob er sich von starrte von oben auf sie herunter. "Es würde dir aber gut tun, über das zu reden, was dich beschäftigt", versuchte er es noch einmal. "Will nicht, will nur schlafen", entgegnete die junge Frau und vergrub ihren Kopf in dem schmalen Unterlegkissen. Gleichzeitig legte sie beide Hände über ihre Ohren und deutete somit an, dass das Thema für sie erledigt war. Peter erkannte schnell, dass er so nicht weiter kam. Wenn sie nicht wollte, dann wollte sie eben nicht. Ihre Sturheit kannte er mittlerweile zur Genüge und wenn er ehrlich gegenüber sich selbst war, entdeckte er in ihrer Haltung sehr viel von sich selbst. Auch er hatte nie über seine Alpträume reden wollen. Woher nahm er sich nun als das Recht, etwas von ihr zu einzufordern, was er auch nicht tat? Doch all die Selbsterkenntnis konnte nicht übertünchen, dass er sich nun mal sehr viel Sorgen um sie machte. Er wusste nicht, was tun sollte. Hilfe suchend blickte er zu seinem Vater auf. "Paps?" "Lege dich zu ihr, und schlaft", erläuterte der Shambhala Meister kurz, bevor er sich umdrehte und den Raum verließ. Peter schaute dem Shaolin ein wenig konsterniert hinterher. Sein Vater schien absolut nicht besorgt zu sein, was überhaupt nicht zu der Szene passte, deren Zeuge sie gerade geworden waren. Er konnte sich keinen Reim darauf machen. Schließlich zuckte er ergeben die Schulter, krabbelte auf die Plattform und zog den leicht widerstrebenden Körper Angels in seine Arme. Ihren Kopf drückte er sanft an seine Brust. Tatsächlich schien ihr diesmal seine Nähe nicht unangenehm zu sein, denn nach einer Weile kuschelte sie sich halt suchend an ihn. Er spürte, wie ihre Körperwärme zu ihm drang und begann in stetigem Rhythmus ihren Rücken zu massieren, was sie schließlich gänzlich entspannte und Peter am Ende ebenfalls die Augen schloss.
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