Teil 17
Autor: Honeybee

 

"Wo sind sie?" Wütend sah sich Jason um. "Dieser Raum hier ist leer, verdammt noch mal!"

Kim zuckte zusammen, als Jason auf sie zukam. Der Ausdruck in seinem Gesicht ließ sie erschauern. Er hob seine Waffe und zielte auf sie. "Du…du hast mich belogen. Das wirst du mir büßen!"

Die junge Sängerin trat unweigerlich einen Schritt zurück. "Hör auf Jason, bitte. Das bringt doch nichts. Du...du kommst hier doch nicht raus, also leg die Waffe weg." *Gott Peter, wo bleibst du?*

Kermit zog seinen Dessert Eagle heraus, den er sich von Emily zurück erobert hatte und schlich zum Eingang der Kammer. Mit einer Armbewegung deutete er Peter an, sich auf der anderen Seite bereit zu halten. Langsam hob der ältere Detective seine Hand und streckte einen Finger in die Höhe. "Eins", zählte er lautlos. Ein zweiter Finger folgte. "Zwei." Ein dritter. "Drei und los."

Mit der Waffe im Anschlag stürmte er in die Kammer. "Waffe fallen lassen und die Hände schön in die Höhe!" Sein Ton verriet, dass er es todernst meinte.

Kim hielt unweigerlich den Atem an und beobachtete gespannt Jasons Reaktion. Dieser schien nicht so schnell aufgeben zu wollen. Wie von Sinnen schrie er auf. "Niemals, so leicht bekommt ihr mich nicht!"

Er wirbelte herum, zielte mit der Waffe auf Kim und drückte ab. Die junge Sängerin spürte plötzlich ein fürchterliches Brennen an ihrem linken Arm und für einen Moment schwankte sie. Der stechende Schmerz breitete sich aus und ihr wurde übel. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Jason an, so als wolle sie ihn fragen, was er ihr angetan hatte. Dann sah sie wie durch einen dichten Nebel, wie Jason zusammen sackte und Blut sich auf seinem Hemd ausbreitete.

Vor ihren Augen verschwamm endgültig alles in bunten Farben und sie fühlte sich unglaublich schwach. Sie blickte auf ihre Hand, von der das Blut auf den Boden tropfte. Jetzt erst realisierte sie, dass sie angeschossen worden war. Ihre Beine trugen sie nicht mehr und langsam sackte sie in sich zusammen. Verzweifelt versuchte sie die Augen offen zu halten, doch ihre Lider schienen aus Blei zu bestehen. Das Letzte was sie sah, war Peters entsetztes Gesicht, kurz bevor sie zu Boden sank.

Peter blieb fast das Herz stehen, als er sah, wie seine Freundin zu Boden ging. Mit klopfendem Herzen eilte er zu ihr. Vorsichtig schob er ihr das Shirt nach oben und streifte es so sanft wie möglich über ihren Arm, um sich die Wunde zu besehen. Kim öffnete kurz ihre Augen und stöhnte leise auf, als er sie behutsam zur Seite drehte, um festzustellen, ob die Kugel wieder ausgetreten war.

"Es tut so weh Peter.", flüsterte sie mit stockender Stimme.

"Verzeih, ich muss das tun. Es ist gleich vorbei."

Kermit reagierte in der Zwischenzeit ebenfalls sehr schnell. Nachdem er Emily mit einem achtlos dahin geworfenen Seil wie ein Paket verschnürt hatte, rannte er nach oben um einen Krankenwagen zu rufen. Atemlos kam er wieder die Treppe herab gepoltert und stellte sich zu Peter, der Kim ein Tuch auf die Wunde presste.

"Wie geht es ihr?", fragte er besorgt. "Kann ich dir irgendwie helfen?"

Der junge Shaolin hob seinen Kopf und strich sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Die Kugel ist nicht ausgetreten, sie scheint im Arm zu stecken. Die Blutung ist nicht sehr stark gewesen, ich konnte sie stoppen. Wann kommt der Krankenwagen?"

Kermit atmete erleichtert aus. "Man sagte mir, er würde innerhalb der nächsten Minuten hier eintreffen."

Der Detective ging dicht neben Kim in die Hocke. Plötzlich runzelte er verwirrt seine Stirn. Er entdeckte unter dem Stoff eine winzige rote Spur, die an ihrem Arm hinab auf den Boden verlief. Er folgte dieser mit seinen Augen und fand unter Kims Haaren eine Blutlache, die stetig größer wurde.

"Sie hat also einen Steckschuss, richtig? Dann frage ich mich allerdings, woher das hier kommt." Er zeigte auf eine Stelle dicht an Kims Körper.

Der junge Shaolin hob vorsichtig den Druckverband an und stellte erschüttert fest, dass der Arm noch immer heftig blutete.

"Wie es aussieht, hat es wohl die Arterie erwischt", murmelte Kermit und ohne groß darüber nachzudenken, zog er seinen Gürtel mit einer flinken Bewegung aus und hielt ihn Peter hin. "Du musst den Arm abbinden, aber schnell, sonst verblutet sie uns hier noch auf dem Boden."

Mit blutverschmierten Händen nahm Peter den Gürtel entgegen und wickelte ihn vorsichtig um ihren Oberarm. Behutsam zog er mit zitternden Fingern den Lederriemen fester. Kim riss wieder die Augen auf und sah ihn voller Schmerz an. Tränen liefen über ihr Gesicht, sie schnappte nach Luft, stöhnte laut auf und wandte sich unter ihm.

"Ich weiß, es tut weh, aber es muss sein." Peter wusste, dass er ihr große Qual bereitete. Um sie zu beruhigen, sprach er leise auf sie ein. Mit leichtem Druck zog er den Gürtel immer enger, bis die Blutung endgültig aufhörte. Der Schrei, den Kim dabei ausstieß, ging ihm durch Mark und Bein.

"Großer Gott, wo bleibt nur dieser dämliche Krankenwagen?"

Kermit erhob sich und ging unruhig auf und ab. Er zog kurz seine Brille ab, betrachtete sorgenvoll Kims Gesicht, das nach und nach ihre Farbe verlor, und zog sie anschließend wieder auf. Wütend drehte er sich um und sein Blick fiel auf den toten Jason. Er erinnerte sich an Emily, die noch immer bewusstlos auf dem Boden lag und musterte sie zornig.

"Wenigstens kommst du nicht ungeschoren davon, das schwör ich dir", murmelte er grimmig vor sich hin.

Dann wandte er sich wieder Peter und Kim zu. *Hoffentlich kommen diese Sanis bald*, betete er innerlich.

Peter saß dicht bei Kim, die mittlerweile ihre Augen wieder geschlossen hatte, und hielt ihre Hand ganz fest.

"Halt durch, bitte Kim. Du musst durchhalten."

Bestürzt blickte er auf ihr blasses Gesicht. Er wollte sie an der Wange berühren, hielt jedoch inne, als er sah, wie blutbeschmiert seine Finger waren. Der junge Mann wischte sich die Hand an seiner Jeans ab, bevor er ihr sanft über die Haut strich. Im Hintergrund hörte er näher kommende Sirenen.

"Bitte Kim, du musst kämpfen, gib nicht auf." Verzweifelt drückte er ihre Finger, die mit jeder Minuten kälter werden zu schienen. Sie wimmerte vor sich hin und immer wieder wurde ihr Körper von kleinen Schmerzattacken durchzogen. Peter brach fast das Herz, als er sie betrachtete. Angst breitete sich in ihm aus, Angst, sie für immer zu verlieren. Sorgenvoll sah er auf die mittlerweile doch recht groß gewordene Blutlache unter ihr, die ihre Kleidung und ihre Haare völlig durchtränkt hatte.

Kim hörte seine Stimme wie durch Watte. Sie wollte ihm antworten, brachte aber keinen Ton mehr heraus. Alles um sie herum verschwand in einem undurchsichtigen Nebel und langsam driftete sie immer weiter aus der realen Welt. Eine stille und friedliche Umgebung verschluckte sie immer mehr und mehr.

Das Jaulen der Sirenen kam immer näher und stoppte dann.

"Sie sind da, Kim. Hörst du mich? Es wird alles gut, halt durch."

Gleich darauf hörte Peter, wie Kermit mit den Sanitätern sprach. Nur am Rande bekam der junge Shaolin mit, wie die beiden fremden Männer ihre Notfallkoffer neben ihm aufstellten. Sein Blick war fest auf seine Freundin gerichtet und so zuckte er erschrocken zusammen, als einer der beiden, ihn am Arm festhielt.

"Sir? Sir? Würden sie bitte zur Seite gehen, damit wir unsere Arbeit tun können?" Verständnisvoll sah einer der Sanitäter ihn an.

"Sicher…sicher doch."

Peter ließ nur ungern Kims Hand los. Er kniete sich daneben und sah zu, wie einer der beiden seine Hand an Kims Hals drückte, um ihren Puls zu fühlen. Mit verschleiertem Blick nahm er wahr, wie die jungen Männer seine Freundin untersuchten und ihr Infusionen anlegten. Er fühlte sich so hilflos und eine Träne rann ihm übers Gesicht. Er bemerkte nicht, wie Kermit sich hinter ihn stellte und ihm die Hand auf die Schulter legte.

"Sie wird es schaffen, Peter. Da bin ich mir ganz sicher.", versuchte dieser ihn zu trösten.

"Ich hoffe, du hast Recht, Kermit." Mit feuchten Augen sah er zu seinem Freund auf. "Gott, Kermit, wenn du nicht gewesen wärst. Wieso hab ich das mit der Arterie nicht bemerkt?" Schuldbewusst senkte er seinen Kopf.

Der ältere Detective klopfte ihm fürsorglich auf die Schulter. "Peter, von deiner Position aus konntest du nicht sehen, dass sie unter der Kompresse weiterblutet. Selbst ich habe es im ersten Moment nicht bemerkt. Hätte ich mich nicht hingekniet, wäre es mir auch nicht aufgefallen. Jetzt mach dir mal keine Gedanken darüber. Es ist ja noch mal gut gegangen."

Der Shaolin sah zu seinem Freund auf. "Danke Kermit." Als Antwort fühlte er den kräftigen Händedruck seines Ex-Kollegen auf der Schulter.

Nach einer ihnen ewig vorkommenden Zeit hörten sie einen der Helfer sagen: "Sie ist jetzt transportfähig."

Erleichtert atmete Peter durch, erhob sich und sah zu, wie Kim auf eine Trage gelegt wurde. Erst da bemerkte er das Ausmaß des riesigen Blutfleckes auf dem Boden. Er schluckte betroffen, als ihm bewusst wurde, dass sie sehr viel mehr Blut verloren hatte, als er es angenommen hatte.

"Kann ich…?", er schluckte trocken, "…darf ich mitfahren?"

"Sind sie ein Verwandter?", fragte einer der beiden Rettungshelfer.

"Nein, ich bin ihr Freund."

Dabei sah er den jungen Mann so verzweifelt an, so dass dieser schließlich sein Einverständnis gab.

Während Kim nach oben getragen wurde, wandte sich Peter seinem Freund zu. "Kermit, ich…"

Dieser lächelte ihn verständnisvoll an. "Ich weiß, Kleiner. Jetzt geh schon, los, sie braucht dich." Er blickte sich nach Emily um.

"Ich werde die…", er zögerte einen Moment, als suche er nach dem richtigen Wort, "…Dame", meinte er dann abwertend, "erst mal aufs Revier bringen, dann komme ich so schnell ich kann nach."

Peter sah ihn mit Tränen in den Augen an und am liebsten hätte er seinen besten Freund umarmt, nur um ihm zu zeigen, wie dankbar er ihm war.

Als schien Kermit seine Gedanken zu erraten, ging er auf ihn zu und schloss ihn kurz in seine Arme. "Und jetzt geh schon."

Ein belustigtes Funkeln trat in seine Augen. "Aber wehe dir, du erzählst dies hier weiter, dann weißt du was geschieht."

Unwillkürlich musste Peter grinsen, dann rannte er die Treppe hinauf und eilte zum Krankenwagen, in den Kim gerade geschoben wurde.

*******
Die Fahrt zum Krankenhaus verlief ohne Probleme. Peter saß dicht neben der Trage und hielt Kims Hand ganz fest. Obwohl ihm der Rettungshelfer immer wieder bestätigte, dass es ihr gut ging, sorgte er sich um sie. Ihre Finger waren kalt und in gleich bleibendem Rhythmus massierte er ihre Fingerspitzen. Er beugte sich vor und küsste ihren Handrücken.

"Es wird alles wieder gut, versprochen", flüsterte er ihr zu.

Die junge Sängerin öffnete ihre Lider, die sie seit sie unterwegs waren, geschlossen hatte. Sie blickte tief in Peters warme, besorgt schauende Augen. "Ich habe Angst", wisperte sie zurück.

Gleich darauf verzog sie ihr Gesicht, als ein erneuter Schmerz ihren Arm durchfuhr.

Peter strich ihr sanft über die Wange. Er erwiderte ihren Blick, sah sie tief und lange an. Er entdeckte Angst und Verunsicherung in ihren feucht glitzernden Augen. Eine Träne kullerte seitlich an ihrem Gesicht hinunter.

"Ich…ich hab kein Gefühl in meinen Fingern. Werde ich meinen Arm verlieren?"

Der Shaolin hörte das Zittern in ihrer Stimme. "Schsch…ich glaube nicht, mein Schatz."

Sie schloss ihre Lider, ein lautes Schluchzen entrann ihrer Brust und ihr Körper wurde von einem beginnenden Weinkrampf geschüttelt.

Peter beugte sich über sie. "Kim, Kleines, bitte, sieh mich an."

Zögerlich kam sie seiner Bitte nach und hielt mit dem Weinen inne.

"Ich bin kein Arzt und kann dir keine Garantie geben. Ich bin mir sicher, dass sie alles tun werden, damit es nicht soweit kommt." Er küsste sie unglaublich zärtlich auf den Mund.

"Egal was kommt", sprach er leise zu ihr. "Ich werde immer bei dir sein. Ich lass dich nicht allein. Okay?"

Kim nickte stumm.

"Ich liebe dich Kim." Wieder drückte er ihr einen sanften Kuss auf die Lippen.

"Ich liebe dich auch, Peter", kam es leise zurück.

Im selben Moment traf der Krankenwagen an der Notaufnahme ein. Die junge Sängerin wurde schnell hinein geschoben, von einem Arzt in Empfang genommen und sofort in den OP Raum gebracht.

Eine ganze Weile lang stand Peter wie festgewurzelt im Eingangsbereich, bevor er sich aufraffte, um in Richtung Warteraum zu gehen. Sichtlich erschöpft ließ er sich in einen Stuhl fallen, atmete erst einmal durch und versuchte, sich zu sammeln. Er lehnte sich zurück. Seine Augenlider wurden schwer und ganz langsam ergriff tiefe Müdigkeit seinen Körper. So sehr er sich auch sich nach Schlaf sehnte, zwang er sich doch, wach zu bleiben.

*Ich muss Simon anrufen.*, fiel ihm plötzlich ein. Abrupt stand er auf und machte sich auf die Suche nach einem Telefon. Am Ende des Korridors entdeckte er das Ziel seiner Suche. Er zog die Karte von Simon aus der Tasche, warf Geld in das Telefon und wählte seine Nummer.

"Simon Storm.", meldete dieser sich gleich darauf.

Mit kurzen, prägnanten Sätzen klärte Peter Kims Pflegevater über die Situation auf. Dieser wirkte geschockt, als er ihn fragte, wie es Kim denn jetzt ginge.

"Ich weiß es nicht, Simon. Ich bin nur ein Freund, ich glaube kaum, dass sie mir etwas sagen werden."

"Ich verstehe, sie meinen die ärztliche Schweigepflicht. Keine Sorge, ich glaube dass Kim den Ärzten erlauben wird, mit ihnen zu sprechen. Ich versuche, so schnell wie möglich zu ihnen zu kommen."

Für einen winzigen Moment schwieg Simon, dann räusperte er sich und setzte leise hinzu. "Bitte passen sie gut auf meine Tochter auf."

"Das werde ich. Versprochen."

"Das weiß ich, Peter. Das weiß ich. Sie dürfen mir jetzt nicht böse sein, wenn ich auflege. Ich muss einige Dinge bezüglich ihres Krankenhausaufenthaltes erledigen. Ich melde mich wieder bei ihnen."

"Natürlich. Wir hören voneinander", erwiderte Peter, legte auf und begab sich auf den Rückweg zum Warteraum. Dabei fiel sein Blick auf seine noch immer blutverschmierten Hände. Er änderte seinen Weg und betrat den Waschraum, um sich zu säubern.

Der junge Shaolin besah sich im Spiegel. Sein Gesicht war blass und dunkle Schatten lagen unter seinen Augen. Er wusch sich die Hände und spritze sich kaltes Wasser ins Gesicht. Für einen kurzen Moment schloss er müde seine Augen, dann raffte er sich auf und ging zum Warteraum zurück.

******

Nachdem Kermit Emily auf dem Revier abgeliefert hatte, sprang er in sein Auto und fuhr so schnell er konnte ins Krankenhaus. An der Notaufnahme erfuhr er, dass Kim noch operiert wurde, so machte er sich auf die Suche nach Peter. Im Warteraum wurde er schließlich fündig.

Obwohl die Situation ernst war, huschte ein kleines Lächeln über sein Gesicht, als er seinen Freund erblickte. Schief und völlig verdreht hing Peter mit geschlossenen Augen in einem Stuhl. Sein Haar fiel ihm in kleinen, wirren Strähnen ins Gesicht. Kermit ging auf ihn zu und stupste ihn kurz an.

Sofort sprang Peter hellwach auf und blickte verwirrt in Kermits Gesicht.

"Na Kleiner, ein Nickerchen gemacht?"

Eine leichte Röte machte sich in Peters Gesicht breit und er schaute verlegen zu Boden. "Ich bin wohl kurz eingenickt."

"Weißt du schon was Neues?" Sichtlich besorgt erkundigte sich der nun wieder ernst gewordene Ex-Söldner nach der jungen Frau.

Peter strich sich über die Stirn. "Nein, leider noch nichts. Sie wird noch operiert. Wir werden wohl warten müssen, bis uns der Arzt Bescheid gibt."

"Detectives?"

Eine unbekannte Stimme ließ die beiden herum fahren. Peter sah einen Arzt auf sich zukommen. Sofort ging er einen Schritt auf ihn zu.

"Sind Sie Peter Caine?"

"Ja, der bin ich."

"Gut. Miss Richmond hat mir erlaubt, mit Ihnen über ihren Zustand zu reden."

Er streckte Peter die Hand entgegen, die der junge Shaolin kurz schüttelte.

"Ich bin Dr. Memos. Ich bin vorbei gekommen, um Ihnen zu sagen, dass wir die junge Frau erfolgreich operieren konnten."

Peter und Kermit atmeten erleichtert durch.

"Wie…wie geht es ihr?", fragte der junge Shaolin sichtlich nervös.

"Bitte, setzten wir uns doch. Im Stehen redet es sich so schlecht." Mit einer leichten Handbewegung forderte Dr.Memos die beiden auf, Platz zu nehmen.

"Sie hat sehr viel Blut verloren, aber durch Ihr schnelles Eingreifen haben sie schlimmeres verhindert. Die Schusswunde am Arm war nicht sehr tief, dennoch wurde durch die Kugel die Oberarmarterie angerissen. Wir konnten das Loch ohne weitere Probleme schließen. Allerdings…", der Arzt machte eine Pause und Peter ahnte schlimmes. "…einige Nerven und auch ein Muskel sind wohl von dem Geschoss in Mitleidenschaft gezogen worden. Das heißt, es besteht die Möglichkeit, dass in der nächsten Zeit ihre Fingerspitzen ohne Gefühl sein werden."

Betroffen senkte Peter den Kopf. Er fühlte, wie Kermit ihm aufmunternd die Hand auf die Schulter legte. Gleich darauf hörte er dessen beruhigend, tiefe Stimme.

"Wie lange glauben Sie, Dr. Memos, wird dieser Zustand anhalten?"

Unsicher hob der junge Shaolin seinen Kopf und blickte in das Gesicht des Arztes, gespannt darauf, was dieser wohl antworten würde.

"Ich möchte nichts beschönigen, Mr. Caine. Ich weiß es nicht. Zuerst müssen wir den Heilungsprozess beobachten. Ob und wie ihre Finger in Mitleidenschaft gezogen wurden, können wir erst nach ein paar Tagen oder gar Wochen feststellen. Es kommt außerdem darauf an, wie ihr Körper auf diese Verwundung reagiert. Bei einigen Patienten verläuft die Regeneration schneller als bei anderen. Wir müssen einfach Geduld haben. Es tut mir leid, das ich Ihnen hierzu nicht mehr sagen kann."

"Kann ich Kim irgendwie helfen?", fragte Peter mit rauer Stimme.

"Sicher können Sie das, Mr. Caine", nickte Dr. Memos, "Sie müssen Miss Richmond aufbauen, ihr Mut zusprechen. Leichte Bewegungsübungen für den Arm würden den Heilungsprozess beschleunigen. Natürlich nicht sofort, der Arm braucht einige Tage Ruhe, bevor sie damit beginnen können."

Er hielt einen Moment inne.

"Ich möchte ganz ehrlich zu Ihnen sein. Ich weiß, Miss Richmond liegt das Klavierspielen sehr am Herzen liegt. Die Tatsache, dass sie dies im Moment nicht tun wird können, ist nicht von der Hand zu weisen. Wir haben bei derartigen Verletzungen schon die Erfahrung gesammelt, dass einige Patienten in ein tiefes Loch fallen. Es könnten Depressionen entstehen, schwere Depressionen und das dürfen wir nicht außer Acht lassen."

"Ich verstehe. Was genau muss ich in dieser Situation tun?"

Der Mediziner sah ihn aufmerksam an. "Sie müssen einfach für sie da sein. Ihr klar machen, dass sie viel Geduld und Zeit braucht, bis sie ihre Finger, wenn überhaupt, wieder voll nutzen kann. Sie braucht vor allem viel Selbstbewusstsein und gute Freunde, die zu ihr stehen. Das ist das Wichtigste. "

Dann erhob sich der Doktor. "Ich muss jetzt leider gehen, ein weiterer Patient wartet auf mich." Er warf einen Blick auf seine Uhr. "In ungefähr einer halben Stunde können Sie zu ihrer Freundin. Eine Schwester wird Ihnen den Weg zeigen."

"Eine Frage hätte ich da noch." Peter war ebenfalls aufgestanden. "Weiß Kim schon davon?"

"Nein, die Einzelheiten kennt sie noch nicht. Wir hielten es für ratsamer, sie behutsam darauf vorzubereiten. Im Moment schläft sie noch, alles andere lassen wir langsam angehen."

Er streckte seine Hand zum Abschied aus und Peter griff entschlossen zu. "Ich danke Ihnen für ihre Offenheit."

Dr. Memos nickte ihm lächelnd zu, wandte sich an Kermit und reichte ihm ebenfalls die Hand. "Auf Wiedersehen, Detectives." Dann verließ er mit flinken Schritten den Warteraum.

Peter sank erschöpft in den Stuhl zurück, beugte sich nach vorne und vergrub seinen Kopf zwischen seinen Armen.

Kermit beobachtete ihn nachdenklich. Dann legte er ihm die Hand auf den Rücken. "Alles okay mit dir?"

Der junge Shaolin erhob sich mit einem lauten Seufzen und sah Kermit an. "Ich frage mich nur, was mit Kim wird, wenn ihre Finger wirklich gefühllos bleiben." Er lenkte seinen Blick zu Boden. "Es ist das Klavierspiel, das sie immer mit ihrem Vater verbunden hat. Was geschieht, wenn ihr dies genommen wird?" Verzweiflung lag in seinen Augen, als er seinen Freund ansah.

"Jetzt wart doch erst mal ab. Der Arzt meinte, es wäre möglich, das heißt aber nicht, dass es auch eintreten muss. Sie wurde eben erst operiert, die Heilung wird wohl eine Weile dauern, das weißt du selbst. Bevor du dir jetzt Sorgen machst über etwas, das vielleicht geschehen könnte, solltest du ihr lieber helfen, gesund zu werden. Alles andere wird sich mit der Zeit zeigen." Er klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.

"Jetzt komm schon, lass den Kopf nicht hängen. Du solltest Zuversicht ausstrahlen, wenn du zu ihr gehst."

Peter blickte dankbar zu seinem Freund auf. "Was würde ich nur ohne dich tun?"

Der Ex-Söldner verzog sein Gesicht und grinste schadenfroh. "Lass mich mal überlegen? Hm, du würdest dich in unnötige Schwierigkeiten bringen, unüberlegt handeln und ha, manchmal ohne nachzudenken losstürmen. Hab ich was vergessen?"

Der Ex- Cop lachte unweigerlich auf. "Aber das mach ich doch sowieso."

"Stimmt, du hast Recht. Wie konnte ich dies nur vergessen? Kommt wohl daher, dass ich immer wieder deinen Arsch retten muss. Wann wirst du endlich erwachsen?", antwortete Kermit gespielt theatralisch.

Bevor Peter etwas erwidern konnte, hörte er Schritte näher kommen. Eine kleine, zierliche Frau in Schwesterntracht stand an der Tür und räusperte sich leise.

"Sind sie Peter Caine?", fragte sie Kermit, der dicht vor ihr stand.

Dieser hob die Arme und fing an zu lachen. "Nein, nein, Gott bewahre. Ich bin nur ein guter Freund."

Die Schwester lächelte und wandte sich dem jüngeren Mann zu. "Dann sind sie das wohl."

"Oh ja und ob er das ist.", schmunzelte Kermit. Er lächelte Peter aufmunternd an. "So ich mach mich dann mal auf den Weg ins Revier. Die Kollegen hier haben schließlich noch einige Fragen bezüglich unserer Freundin Emily. Ich bin eigentlich nur hier, um zu wissen, wie es euch geht. Jetzt kann ich ja beruhigt wieder gehen. Geh zu Kim und richte ihr schöne Grüße aus."

"Mach ich. Danke, Kermit."

Dieser drehte sich um und verließ gemächlichen Schrittes das Krankenhaus, während Peter zusammen mit der Schwester zu Kims Zimmer ging. Kurz bevor er eintreten durfte, hielt ihn die junge Frau am Arm fest.

"Sie sollten nicht zu lange bleiben. Miss Richmond ist noch sehr schwach und braucht dringend Ruhe."

Der junge Shaolin nickte, langte nach dem Griff und öffnete langsam die Tür. Die Leichtigkeit, die Kermits Scherze vorhin in ihm aufkommen ließ, verflog und er verspürte wieder einen nur allzu bekannten Knoten in der Magengegend.

Kim lag schlafend im Bett. An ihrer linken Hand befand sich ein Infusionsschlauch und rechts von ihr piepte ein Monitor. Peter betrachtete sie stumm. Sie war sehr blass, fast weiß im Gesicht und sein Herz wurde bei diesem Anblick schwer.

Er zog einen Stuhl leise an ihr Bett heran, nahm ihre kalte Hand in seine und wärmte ihre Finger. Sachte und zärtlich massierte er ihre Fingerspitzen, dann drückte er ihre Hand an seine Lippen und küsste sie zärtlich. Immer wieder streichelte er mit seiner freien Hand ihre warme Wange, er konnte einfach nicht aufhören damit. Er hoffte so, dass Kim dadurch spürte, dass er bei ihr war.

Er saß so still an ihrem Bett, ganz auf die Frau, die er über alles liebte konzentriert, dass er nicht einmal die Schwester bemerkte, die kurz ins Zimmer kam und dann leise wieder verschwand.

*****

Seit der Operation waren nun drei Stunden vergangen. Kim schlief noch immer und Peter spürte, wie ihr Chi deutlich kräftiger wurde. Müde, schmutzig und erschöpft saß er Stunde um Stunde an ihrem Bett und hielt ihre Hand. Entgegen der Anweisung der Schwester wachte er über ihren Schlaf, obwohl er selbst kaum noch die Augen offen halten konnte.

Die Tür öffnete sich leise und Dr. Memos trat ein. Er ging zu Kim ans Bett, überprüfte die Geräte, sowie Puls und Atmung. Zufrieden nickte er Peter zu. "Alles in Ordnung, es geht ihr gut."

Sichtlich erleichtert atmete Peter durch und beobachtete den Mediziner dabei, wie er die neuesten Ergebnisse auf dem Krankenblatt notierte.

"Sie können gerne hier bei ihr bleiben, allerdings schläft sie im Moment tief und fest und daher könnte es eine Weile dauern, bis sie aufwacht. Sie sollten sich ein Zimmer nehmen und sich ausschlafen. Sobald sich ihr Zustand ändert, werden wir sie informieren."

Der Ex-Detective schüttelte den Kopf, erleichtert, dass er nun quasi die offizielle Erlaubnis bekam, hier zu bleiben. "Wenn es ihnen nichts ausmacht, würde ich gerne bei ihr bleiben."

Der Arzt schmunzelte unwillkürlich, als er Peters liebevollen Blick bemerkte, mit dem er Kim ansah. "Verstehe. Gut, sie können hier bleiben. Ich lasse ihnen ein weiteres Bett hier hereinstellen. Dann können sie wenigstens ein bisschen schlafen."

Peter nickte ihm zu. "Danke."

Dr. Memos verließ das Zimmer genauso leise, wie er gekommen war und ein paar Minuten später erschienen zwei Pfleger mit einem Bett, das sie vorsichtig ins Zimmer schoben. Peter nickte den beiden kurz zu und kam zu der Einsicht, dass man als Privatpatient wohl eindeutig mehr Freiheiten hatte. Wäre Kim eine "normale" Patientin, dürfte er wohl ganz sicher nicht bei ihr im Zimmer übernachten. Er fragte sich, ob wohl Simon, ihr Vater, diese Regelung getroffen hatte, aber im Grunde genommen, interessierte es ihn nicht. Er durfte in ihrer Nähe bleiben, nur das zählte.

Der junge Shaolin ließ Kim kurz los, ging zum Bad und spritze sich ein wenig Wasser ins Gesicht, dann ging er wieder zurück an seinen Platz.

Wieder nahm er ihre Hand, massierte sie langsam, bis sie wärmer wurde, dann tupfte er ihr kleine Küsschen auf den Handrücken.

Plötzlich zuckten Kims Augenlider. Gespannt hielt Peter den Atem an. Sie blinzelte kurz, dann schloss sie ihre Augen wieder. Gleichzeitig spürte er, wie ihre Finger sich fester um seine Hand schlossen. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er aufstand, sich über sie beugte und sie zärtlich auf die Lippen küsste.

"Es wird alles wieder gut, Kleines. Ich bin bei dir." Leise, beruhigende Worte sprach er auf sie ein, während Kim seine Hand leicht drückte.

Der junge Ex-Polizist setzte sich zurück und bemerkte, wie ihm immer wieder die Augen zufielen. Er blickte zur Uhr, die kurz vor zwei Uhr morgens anzeigte. Er entschloss sich, sich schlafen zu legen. Behutsam ließ er ihre Hand los, beugte sich erneut über sie und flüsterte ihr zu. "Ich geh nicht weg, ich bin hier im Zimmer."

Er drückte ihr einen zarten Kuss auf die Stirn, schlurfte mit schweren Schritten zum Ersatzbett und ließ sich darauf nieder. Es dauerte nur ein paar Minuten, dann fiel er in einen tiefen Schlaf.

Drei Stunden später jedoch saß Peter wieder am Bett seiner Freundin, hielt zärtlich ihre Finger mit seinen verschränkt und sprach leise auf sie ein. Stunde um Stunde verging, seine Augenlider wurden immer schwerer und er hatte große Mühe, sich aufrecht im Stuhl zu halten. Als die Müdigkeit zu übermächtig wurde, bettete er seinen Kopf an ihrem Arm. Dann hüllte ihn die Dunkelheit ein, wie ein wohltuender Schleier. Tief und fest schlief er ein.

*******
Kim erwachte aus einem unruhigen Traum. Verschlafen öffnete sie ihre Augen. Das grelle Licht blendete sie für einen kurzen Moment und sie schloss ihre Lider wieder. Zögernd machte sie sie einige Sekunden später erneut auf und blinzelte, bis sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatte. Sie ließ ihren Blick durch den Raum gleiten, nicht sicher, wo sie sich befand.

Sie stöhnte leise auf, als ein stechender Schmerz durch ihren linken Arm fuhr. Sie atmete schneller, um die aufkommende Angst zu unterdrücken, die mit einem Mal zurückkam. Ihre Fingerspitzen fühlten sich sehr seltsam an, irgendwie taub. Ihr Kopf brummte, als würde ein Bienenschwarm darin umher sausen.

Ihre Erinnerung an den Traum kehrte zurück. Wie durch einen Nebel sah sie Emily, Jason und die Schießerei vor sich. Die junge Frau atmete schneller, als ihr klar wurde, dass sie dies nicht geträumt hatte, sondern dass es der Realität entsprach. Sie erinnerte sich an das Blut, das ihr über die Hand gelaufen und zu Boden getropft war, das entsetze Gesicht von Peter, als sie zu Boden sank. Ihr Herz klopfte wie wild, als sie noch einmal Jasons starren Blick vor sich sah, als er, von Kermit erschossen, auf dem Boden lag.

Die junge Sängerin hörte noch die Sirenen in ihrem Ohr klingen und die wild durcheinander gewirbelten Stimmen, die auf sie eingeprasselt waren.

*Peter*, fuhr es ihr durch den Kopf. Er war bei ihr gewesen, hatte die ganze Zeit ihre Hand gehalten und ihr leise zugeflüstert, dass er bei ihr war. Er hatte ihr versprochen, sie nicht allein zu lassen, immer bei ihr zu sein, egal was auch passierte. Die unterschiedlichsten Gefühle stürzten auf sie ein. Sie hatte noch immer das Gefühl, seine Lippen auf den Ihren zu spüren, seine Liebkosungen ihrer Finger, an all das konnte sie sich erinnern. Zum ersten Mal nach dem Tod ihrer Eltern, wusste Kim, was wahre Liebe war.

Plötzlich drang ein seltsames Geräusch durch den sich langsam lichtenden Nebel hindurch. Zuerst erkannte sie es nicht, doch dann musste sie schmunzeln. Es hörte sich an wie…wie leises Schnarchen. Sie bewegte ihren Kopf behutsam in die Richtung, aus der dieser vertraute Laut kam. Für einen kurzen Moment wurde ihr, trotz der langsamen Bewegung, schwindelig und sie hielt kurz inne. Nachdem sich das schwummerige Gefühl in ihrem Kopf gelegt hatte, erblickte sie Peter.

Sein Kopf lag hinab gesunken, neben ihrem rechten Arm, auf ihrem Bett. Er hielt ihre Hand ganz fest in seiner, die Finger zärtlich mit den ihren verschlungen. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen und leichte Bartstoppeln zeigten sich auf Wange und Kinn. Sein dichtes Haar war zerzaust und sein Gesicht zeigte ihr, wie erschöpft er war. Vorsichtig löste sie ihre Hand und strich ihm sachte durch das Haar. Sie berührte leicht seine Wange, die trotz allem warm und weich war.

"Peter?" Ihre Stimme klang heiser und ihr völlig fremd. Ihr Mund war völlig ausgetrocknet und das Sprechen fiel ihr deutlich schwer. Vergeblich versuchte sie, ihre Lippen zu befeuchten. Erneut strich sie ihm durch das Haar, glücklich darüber, dass er bei ihr geblieben war.

"Peter", wisperte sie erneut. Ihre Stimmbänder waren so ausgetrocknet, dass sie es nicht schaffte, lauter zu sprechen.

Der junge Mann fuhr hoch, verschlafen und verwirrt sah er sich um. *Gott*, dachte Kim. *Selbst jetzt sieht er so gut und sexy aus.* In dem Moment liebte sie ihn mehr, als je zuvor. Tiefe Zuneigung erfasste sie und eine kleine Träne kullerte ihr, eine feucht glitzernde Spur hinterlassend, über die Wange.

 

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