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Teil 1 Prolog Autor: Ratzenlady |
Mit einem freundlichen Lächeln überreichte Cat dem Taxifahrer sein Geld und sprang dann aus dem Wagen. Fröstelnd rieb sie sich ihre nackten Oberarme, während sie schnell die wenigen Meter bis zum Eingang der Halle überbrückte. Die Hitze des Sommers hatte sich rasend schnell verabschiedet, und dennoch war sie noch so sehr in den Köpfen drin, dass man sich ständig mit seinem Outfit verschätzte und letztendlich frieren musste. Ihr Blick huschte über die vielen Menschen, die sich schon vor den Sicherheitskontrollen versammelt hatten, obwohl der Einlass erst in einer Stunde beginnen würde. Eine große schwarze Masse, aus der einzelne Gesichter nur kurz heraus blitzten, um gleich wieder darin zu verschwinden. Sie ging an der Traube vorbei direkt zu den Securitys und zeigte denen ihren Presseausweis. Der bullige, glatzköpfige Kerl besah ihn sich genau, dann hängte er die Absperrung aus und ließ sie rein. Auch ihm warf sie ein freundliches Lachen zu, ehe sie die wenigen Stufen empor sprang und dann hinter den großen Flügeltüren verschwand. Im Inneren war es nicht wirklich wärmer, aber der Zusammenhang war ihr aus Erfahrung klar. Wenn nachher dreitausend Menschen hier drin tanzen, springen und pogen würden, war eine Heizung völlig überflüssig. In kürzester Zeit stiegen dann die Temperaturen in die Höhe und die Luft wurde stickig, das wusste sie. Während sie sich orientierte und dann ihren Weg einschlug, dachte sie über ihren Job nach. Für sie persönlich war es der beste Job der Welt, und wenn die Aufgabenstellung auch noch so lautete, wie an diesem Abend, war es nahezu perfekt. Ihr berufliches Augenmerk galt heute der Vorband, die noch relativ unbekannt war, der man aber eine steile Karriere voraussagte. Vor dem Gig sollte sie die Jungs interviewen, dann den Auftritt kritisch analysieren. Sie kannte die Band nicht, aber das vereinfachte auch oft eine neutrale Sicht auf ihre Leistung. Vielmehr aber freute sie sich auf die Hauptgruppe, die sie dann in vollen Zügen genießen konnte, weil dafür einer ihrer Kollegen zuständig war. Der hieß Jonas und war ein eher ruhigerer Vertreter ihrer Zunft, auch wenn sein Musikgeschmack dem ihren glich. Aber er sprang nicht in vorderster Reihe mit, sondern verzog sich in den Hintergrund und lauschte genüsslich. Auch optisch setzte er sich von den meisten hier ab, seine Haare waren kurz, seine Shirts eher unauffällig. Cat hatte für diesen Tag ein schwarzes Slipknot-Shirt gewählt, auch wenn die heute gar nicht spielten. Aber sie hatte es sich zum Grundsatz gemacht, niemals die Oberteile der Bands zu tragen, die tatsächlich auftraten. Sie wollte sich damit einfach von den 75% aller Anwesenden absetzen, die sich vorm Konzert ein Shirt am Merchandising-Stand kauften und dann wie eine Horde Zwillinge darum sprangen. Zumal der Großteil derer auch noch keine wirkliche Ahnung von der Musik hatte, sondern nur dort war, um cool zu wirken. Sie selbst hatte neben dem engen T-Shirt eine dunkelblaue Jeans und ihre schwarzen Docs angezogen. Ihre Augen waren sehr dunkle Smokey Eyes, teilweise von den schwarzen Strähnen ihrer wild gestylten Mähne verdeckt. Peter hatte bei ihrem Anblick nur gegrinst und den Kopf geschüttelt, so richtig konnte er ihre Passion einfach nicht nachvollziehen. Cat ließ sich von einem weiterem Security zu der Vorband bringen und führte ihr Interview. Fröhlich arbeitete sie ihren Fragenkatalog ab, scherzte mit den jungen Männern und wünschte sich innerlich, bei der anderen Band zu sitzen. Denn entgegen der Vorgruppe kannte sie diese, und sie liebte sie abgöttisch. * Den Auftritt der Vorband hatte Cat zurückgezogen und kritisch betrachtet, allerdings musste sie zugeben, dass die Jungs tatsächlich Potential hatten, wenn sie sich denn abgewöhnten, allzu sehr mit ihren Instrumenten rumzuspielen und auf Protz zu machen. Aber musikalisch waren sie wirklich gut. Nachdem sie sich allerdings verbeugt und zurückgezogen hatten, begann endlich der richtig gute Teil des Abends. Während der Umbaupause spazierte die junge Frau durch die Menschenmassen, drückte sich vor zum Merchandising-Stand, guckte sich um, holte sich was zu trinken. Rechtzeitig strömte sie zusammen mit allen anderen wieder in den Konzertsaal und schob sich weit nach vorne, ungeachtet der großen und stämmigen Männer, die auch alle einen Platz in der ersten Reihe wollten. Aber so weit nach vorne wollte sie gar nicht, denn ihr Ziel war der Pogo-Pit, der sich grundsätzlich ein paar Reihen weiter hinten und mittig vor der Bühne platzierte. Ihre Vorfreude stieg und stieg, bis endlich das Licht ausging. Das ihr bekannte Kribbeln fand sich wieder in ihrem Bauch ein und ein breites Grinsen legte sich auf ihre Lippen. Wie sie diese Atmosphäre liebte, vor allem bei einer Band, bei der man das komplette Konzert durch springen und pogen konnte, bis man hinterher total erschöpft aber glücklich wieder nach Hause ging. Sie sah die vier Gestalten im Dunkeln auf die Bühne kommen, nach ihren Instrumenten greifen und in ihr spannte sich alles. Es war nicht das erste Konzert von den Jungs, das sie besuchte, sondern schon das vierte, und jedes Mal hatten sie den selben Opener gewählt, ein Hit von ihrem ersten Album, bei dem man gar nicht anders konnte, als sich mit all seiner Energie immer wieder in die Höhe zu katapultieren. Das Schlagzeug gab den Takt vor, ihre Beine wippten mit, dann ging es los. Unzählige Male sprang sie nach oben, zusammen mit allen anderen Menschen um sie herum, dann fingen sie an, gegeneinander zu springen, zu tanzen, jeder wie es ihm gefiel. Die junge Frau behauptete sich erstaunlich stark gegen die meisten anderen in der Gruppe, warf sich immer wieder hinein, rempelte und wurde gerempelt. Die Pausen zwischen den Liedern waren ein paar Sekunden des Verschnaufens, ehe es genauso temporeich weiterging. Cat sprang und pogte sich die Seele aus dem Leib, bis sie irgendwann nicht mehr konnte, es war nahezu unmöglich, ein ganzes Konzert bei dem Tempo, das die Band auf der Bühne vorgab, durchzuhalten, ohne eine Pause zu machen. Sie zog sich aus dem Pit zurück und drückte sich durch die Massen zum Ausgang, um sich was zu trinken zu holen. Im Vorraum bei der Theke war es jetzt so gut wie ausgestorben, ein paar Leute hatten sich auch etwas gekauft, einige kamen von den Toiletten oder gingen hin, zwei Sanitäter schoben sich an ihr vorbei in den Konzertsaal, wo ein Junge von vielleicht sechzehn Jahren umgekippt war. Sie grinste ins Leere, während sie an ihrem Wasser nippte und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Ihre Haare klebten verschwitzt an ihrer Stirn, von ihren Klamotten ganz zu schweigen, und ihre Brust hob und senkte sich intensiv. Das hier, das war eine völlig andere Welt, innerhalb der Festhallen und Arenen entstand jedes Mal aufs Neue ein eigenes kleines Universum, in dem die Menschen kaum mehr brauchten als Musik, um glücklich zu sein. Hinzu kam, dass dies das einzige war, was ihr niemand bisher hatte nehmen können. Als Gaverton damals ihre Familie auslöschte, ihr alles nahm was sie liebte, hatte er die Musik in ihrem Herzen nicht bekommen. Auch das FBI hatte sie nicht zwingen können, sie zurückzulassen, sie aufzugeben. Das war etwas, das sie immer hatte, und das ihr niemand nehmen konnte. Und obwohl Peter so vieles spürte und erfasste; das hatte er noch nicht verstanden. Die junge Frau war überzeugt davon, dass ihr Mann es für eine Art Tic hielt, einen Splin, eine kleine Verrücktheit. Er ahnte vermutlich nicht, wie viel ihr sie ihr bedeutete, was sie alles symbolisierte, welchen Wert sie für sie persönlich hatte. "Na, auch fix und fertig?" riss eine warme tiefe Stimme sie aus ihren Gedanken zurück. Völlig baff drehte sie sich rum und blickte in die blauen Augen eines Mannes in Peters Alter, mit kurzen blonden Haaren und einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht, das vor Schweiß ein wenig glänzte und vor Anstrengung eine deutliche Röte angenommen hatte. Sie nickte und lächelte freundlich, dann nahm sie einen weiteren Schluck aus ihrem Plastikbecher. Ihre Atmung hatte sich mittlerweile wieder normalisiert, sie hatte neue Kraft für den Endspurt. Sie sah wieder zu dem Mann rüber, der sie angesprochen hatte, als der sich auch grade ein Wasser bestellte. "Alleine hier?" fragte er interessiert, offenbar wollte er ein Gespräch mit ihr aufrecht erhalten. In Cat rumorte etwas, entweder war dies die dämlichste Anmache der Welt, oder aber der Kerl war einfach nur nett, interessiert und auf Small Talk aus. Sie beschloss, es mit einer deutlichen Antwort herauszufinden, denn seine Ausstrahlung wirkte eigentlich nicht so, als suchte er einen One Night Stand oder etwas in der Richtung. "Ja, mein Mann kann mit der Musik nichts anfangen", sagte sie äußerlich locker, aber innerlich interessierte es sie jetzt doch, wie er darauf reagierte. Er lachte nickend auf und rollte die Augen. "Das kenn ich, meine Frau versteht es auch nicht wirklich." Cat grinste, damit hatten sie das ja geklärt. Und da sie nichts dagegen hatte, nette Menschen kennenzulernen und neue Freunde zu finden, streckte sie ihm die Hand entgegen. "Ich bin Cat." "Ryan. Freut mich", kam die prompte Antwort. Er gab ihr die Hand, wobei die beiden Eheringe leicht aufeinanderschlugen und ein leises Pling verlauten ließen. Cat musste grinsen, auch Ryan lächelte amüsiert. Bevor sie sich weiter unterhalten konnten, wurde es kurz still im Saal, dann schallten die rhythmischen Zugabe-Rufe zu ihnen in den Vorraum. Die junge Frau stürzte den Rest ihres Bechers hinunter und sah im Augenwinkel, dass auch Ryan sich beeilte. "Da muss ich jetzt wieder rein, sie haben Salvation noch nicht gespielt, das kommt immer in der Zugabe!" sagte sie hastig, der Mann neben ihr nickte grinsend. "Stimmt! Eine Runde Springen gehen?" fragte er, und als würde er sie zum Tanzen auffordern, bot er ihr übertrieben galant seinen Ellenbogen an. Cat lachte, dann hakte sie sich bei ihm ein. In der Enge der Menschenmassen hatte man so viel Körperkontakt, da machte das hier auch nichts, vor allem weil es völlig unverfänglich war. "Gern auch zwei Runden!" erwiderte sie und ging mit ihm zurück. Schnell lösten sie die Verbindung wieder, um sich besser wieder bis nach ganz vorne drängen zu können, wobei Ryan, der einen Kopf größer war als Cat, den Weg für sie bahnte. Die nächste halbe Stunde sprangen sie wild in der Menge rum, ohne sich dabei aus den Augen zu verlieren, sie grinsten sich zu, wenn sie aneinander sprangen oder einer von ihnen durch den Pit geschleudert wurde. Cat empfand eine lockere Sympathie für den Mann, vor allem weil er offenbar nur aus puren Interesse angesprochen hatte, und sie keine Gefahr lief, dass er sie ins Bett bekommen wollte. Zwar war ein Ehering sicher keine Garantie dafür, aber die offene Art, mit der ihr erzählt hatte, dass auch er verheiratet war, überzeugte sie. Als der letzte Ton verstummte und sie noch jubelten, verließen die ersten schon den Konzertsaal. Ryan kam wieder zu ihr rüber und ohne große Worte zu verlieren schlenderten sie hinter den Massen in Richtung Ausgang, wo die Menschentraube durch die engeren Durchgänge ins Stocken kam. "Was ist, wollen wir noch was trinken gehen?" fragte er nach einem Moment. Cat fuhr sich durch die Haare und lächelte. "Wenn die uns so irgendwo reinlassen", sagte und biss sich auf die Zunge. Hoffentlich kam er jetzt nicht auf die Idee, sie zu sich nach Hause einzuladen oder etwas Ähnliches. Aber wieder wurde ihre Sympathie bestätigt. "Bestimmt. Ich kenn mich hier allerdings nicht so aus...", fügte er dann mit hochgezogenen Brauen zu und guckte etwas verlegen. "Kein Problem. Keine fünfhundert Meter von hier ist eine kleine Bar, da war ich mit einem Kollegen nach einem Konzert auch schon mal." Sie waren jetzt draußen und sofort schlug ihnen die kalte Luft entgegen. Auch Ryan hatte nur ein T-Shirt an, also gingen sie mit schnellen Schritten und unter Cats Führung voran, bis sie schließlich stehenblieb und die Tür zu der angesprochenen Bar öffnete. Sie suchten sich einen kleinen runden Tisch in der Ecke aus und bestellten ihre Getränke, als die Bedienung kam. "Du bist nicht von hier?" fragte sie, nachdem die Kellnerin wieder verschwunden war. Eigentlich hätte man sich die Frage sparen können, aber sie stellte sie dennoch. "Nein, ich komme aus Newark. Ich bin vor drei Wochen mit meiner Frau und unserer Tochter hierher gezogen, weil ich versetzt wurde. Morgen trete ich dann meinen neuen Job an", erzählte er ihr offen. "Wie heißt denn die Kleine?" fragte Cat sofort neugierig. Noch fühlte sie sich zwar noch etwas zu jung, um eigene Kinder zu bekommen, aber die anderer Leute waren ja doch meistens recht süß. "Joanna. Sie ist acht Monate als und hält uns ganz gut auf Trab", lachte er glücklich. Cat sah ihm an, dass er mit Leib und Seele Ehemann und Vater war, das erkannte man deutlich an dem Leuchten in seinen Augen, wenn er über seine Familie sprach. "Hast du auch Kinder?", kam die prompte und unausweichliche Gegenfrage. Cat schüttelte den Kopf. "Nein. Wir haben auch erst vor vier Monaten geheiratet. Das hat doch noch etwas Zeit", drückte sie deutlich ihre Meinung dazu aus. Die Getränke wurden gebracht und die beiden neuen Freunde stießen miteinander an. "Was ist das denn für ein Job, den du hier antrittst. Wenn ich fragen darf, natürlich", hakte sie weiter nach, um ihn etwas besser kennenzulernen. "Sicher. Ich bin ein Cop und wurde hier her versetzt, mit meinem Einverständnis und dem meiner Frau natürlich. Ich weiß ja nicht, ob diese Stadt nicht genug eigene Cops hat", versuchte er zu scherzen, hatte aber bemerkt, dass Cats Stirn sich merkwürdig zusammenzog. "Ich glaube keine Stadt hat genug Cops. Aber sag mal, in welchem Revier fängst du an?" sagte sie langsam und abwartend. "Warum? Alles klar? Hast du ein Problem mit Polizisten und hoffst, dass ich dann nicht für deinen Wohnort zuständig bin?" Jetzt musste Cat doch lachen. "Nein. Aber wir haben ein paar Freunde, die Cops sind, deshalb frage ich." Ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in ihr aus, so als kannte sie die Antwort schon, die jetzt kommen würde, als hätten Peters Fähigkeit der Voraussicht auf sie abgefärbt. "Laut der Versetzung soll ich morgen Mittag um zwei auf dem 101. Revier anfangen. Das liegt wohl in Chinatown, soweit ich weiß." Ungläubig lachend lehnte Cat sich zurück und schüttelte den Kopf. "Ja, das liegt es. Man nennt es auch Schlachtfeld-Revier, also mach dich auf einiges gefasst", warnte sie ihn vor. Seinerseits erstaunt darüber, dass sie es tatsächlich kannte, starrte er sie fragend an. Sie saßen noch eine ganze Weile zusammen und Cat erzählte ihm das ein oder andere erwähnenswerte über seine zukünftige Arbeitsstätte, ohne allerdings irgendwelche Geheimnisse oder Privatangelegenheiten ihrer Freunde auszuplaudern. Zum Ende ihres gemütlichen Beisammensitzens tauschten sie ihre Adressen und Telefonnummern aus und versprachen, sich bald mal wieder zu sehen oder zu telefonieren. Es war schon fast früher Morgen, als sie dann letztendlich die Bar verließen und jeder in einem Taxi nach Hause fuhr, erfreut darüber, einen netten Menschen mit so vielen Gemeinsamkeiten kennengelernt zu haben.
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