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Teil 26 Autor: Ratzenlady |
Peter saß auf der Liege im Untersuchungsraum, Kermit auf einem Stuhl in der Ecke, und der Arzt verband grade Peters Rumpf von der Brust bis zum Bauchnabel. Die Röntgenbilder hingen an dem Leuchtkasten an der Stirnseite des Raumes, ein riesiger Bluterguss in allen bunten Farben verschwand grade unter den Bandagen. "Sie hatten wirklich Glück, Mister Caine! Dass die zwei Rippen nur angebrochen sind, ist schon fast ein Wunder. Und die Lungenquetschung hätte auch schlimmer ausfallen können!", machte er Arzt jetzt noch mal deutlich. Peter rollte die Augen. "Ich war schon immer ein Glückskind", antwortete er humorlos grinsend, Kermit konnte klar die Ironie in den Worten heraushören. "Ich würde sie trotzdem gern zur Beobachtung hier behalten", fügte der Mediziner hinzu, nachdem er eine Befestigungsklammer an das Verband-Ende gesetzt hatte und Peter sein Hemd umständlich und mit verzerrtem Gesicht wieder anzog. "Danke, Doc. Aber ich möchte heute Nacht nicht beobachtet werden. In den letzten Tagen habe ich zu oft das Krankenhaus von innen gesehen", sagte Peter freundlich ablehnend, aber mit klarem Zynismus in der Stimme. Der Arzt verzog das Gesicht. "Nun, ich kann sie nicht zwingen, aber medizinisch gesehen…" "…geben sie mir einfach ein paar Schmerztabletten und belassen es dabei. Ich will nur noch nach Hause!" Der Arzt sah ihn prüfend an, dann zu Kermit. "Ich werde auf ihn aufpassen, Doc", versprach der und grinste dünn. Peter stand auf und wäre fast wieder gestürzt, konnte sich aber mit Kermits Hilfe im letzten Moment fangen. "Bewegen sie sich nicht zu viel, Mr. Caine. Ruhen sie sich aus", mahnte er noch mal und ließ sie dann gehen. Peter stützte sich auf die Schulter seines Freundes, da Bewegung doch wesentlich heftiger schmerzte, als er angenommen hatte. In der Krankenhausapotheke konnten sie sich noch ein Päckchen mit starken Schmerzmitteln abholen, dann gingen sie raus zur Corvair. "Geht's dir wirklich so gut?", kam Kermit jetzt auf den Punkt und sah ihn prüfend an. Es tat ihm in der Seele weh, ihn so zu sehen, zudem er sich selbst die Schuld daran gab. Dass Peter und nicht er die Tür aufgetreten hatte, war ja noch zu erklären, aber dass er es gewesen war, der seinem Freund den Fluchtweg vor dem Pendel genommen hatte, nagte an ihm. Wenn er den Shaolin nicht mit der Schulter getroffen und zurückgerempelt hätte, dann wäre Peter unverletzt geblieben. Wieder etwas, das er sich auf die Fahnen schreiben musste, zu den vielen anderen Dingen, an denen er seiner Meinung nach die Schuld trug. "Würde ich dann deine Hilfe brauchen? Es tut verdammt weh! Wenn ich George erwische…!", holte Peter ihn wieder aus seinem Gedanken zurück, als er die Frage beantwortete. "Das lässt du jetzt mal schön meine Sorge sein! Oder glaubst du allen ernstes, dass ich dich so angeschlagen irgendwohin mitnehme außer zu Paul und Annie?" "Apropos…" "Vergiss es. So wie du läufst, kannst du das nicht verheimlichen. Keine Chance", sagte Kermit überzeugend. Peter musste ihm wohl oder übel Recht geben, seine Eltern würden sofort sehen, beziehungsweise merken, dass ihn etwas erwischt hatte. "Und außerdem hab ich dann Unterstützung dabei, dich ans Bett zu ketten", meinte Kermit weiter und half ihm dann beim einsteigen. "Sehr witzig! … Au! Verdammt noch mal! So muss man sich fühlen, wenn man 120 Jahre alt ist", murmelte Peter und war froh, als er endlich im Sitz saß und sich bis zum Haus nicht bewegen musste. Noch bevor sein Freund den Motor startete, öffnete Peter die Medikamentendose und schluckte zwei von den Schmerzbrechern; in der wagemutigen Hoffnung, dass sie vielleicht doch so gut halfen, dass er Annie und Paul etwas vormachen konnte. "Gibt's eigentlich irgendwas Neues mit deiner Prüfung?", fragte Kermit nach einer Weile, weil er nichts mehr davon gehört hatte und es ja vielleicht mal einen positiven Aspekt in ihre Situation brachte. "Nichts. Da habe ich aktuell auch überhaupt keinen Kopf für! Ich würde nicht mal eine Meditation hinbekommen, selbst wenn ich wollte", gab Peter zurück und verzog wieder das Gesicht, den Arm auf seine Rippen gepresst. "Ich hätte dich doch im Krankenhaus lassen sollen", sagte der Cop nachdenklich und durchaus ernst gemeint. "Du weißt ganz genau, dass ich nicht da geblieben wäre, Partner!" "Aber vielleicht wäre es besser für dich gewesen", meinte der Ex-Söldner besorgt. "Ob ich im Krankenhaus oder bei meinen Eltern rumlaufe wie der Glöckner von Notre Dame ist doch völlig egal! Ich habe ja meine lustigen Pillen hier!" "Helfen sie denn?" "Bisher nicht", sagte Peter missmutig. Seine Gedanken waren schon weiter, seine eigenen Worte eben hatten ihn wieder daran denken lassen, dass sein eigenes zu Hause ein einziger Trümmerhaufen war. Und nicht nur sein zu Hause, auch das von Cat und das ehemalige seines Vaters. "Kermit?" "Ja?" "Könntest du am Loft vorbeifahren?", fragte er ohne weitere Begründung. Sein Freund blieb ebenso wortlos und wendete die Corvair mitten auf der Straße, dann erst fragte er näher nach. "Willst du dir das wirklich antun?" "Ja, will ich. Ich will bei Tageslicht sehen, ob es vielleicht nicht doch noch etwas zu retten gibt." Kermit schwieg wieder, aber seine Beobachtung im Augenwinkel verriet ihm, dass Peter auf der Suche nach einem Funken Hoffnung war, nach etwas Gutem, bei all dem Schlechten, mit dem er aktuell zu kämpfen hatte. Als sie ankamen, musste der Cop ihm aus dem Auto helfen, weil er von selbst kaum hoch kam. Fassungslos starrten sie stumm auf die schwarze, offene, gesprengte Fassade, dann erst bemerkten sie den Mann mit einem Klemmbrett, der das Gebäude ebenso aufmerksam musterte. Peter und Kermit sahen sich skeptisch an, dann setzten sie sich gleichzeitig in Bewegung. "Wer sind sie?", fragte Shaolin mit deutlichem Misstrauen in der Stimme. "Mein Name ist Clive Norton. Ich bin Gutachter der Brandversicherung und untersuche den Zustand des Hauses. Und sie sind?" "Peter Caine. Ich wohne hier", meinte er trocken, "oder zumindest habe ich das bis heute Nacht." "Mal sehen, vielleicht werden sie das auch weiterhin. So wie es auf den ersten Blick scheint, könnte die Statik durchaus noch intakt sein. Zwar sind die Außenwände tragende Stützen, aber wie man sieht ist nichts abgesackt, also scheint das vorhandene Mauerwerk noch zu tragen. Wenn sie Glück haben, kann es wieder ausgemauert werden", meinte er fachmännisch, "aber da kann ich erst nach meinen Untersuchungen eine endgültige Aussage zu machen." "Danke", sagte Peter nur knapp und widmete sich dann wieder seinem traurigen Blick an den Überresten der Wand empor. "Du hast ihn gehört, das wird wieder", sagte Kermit nach einem Moment aufmunternd und klopfte ihm leicht auf die Schulter. Peter sah zu ihm rüber. "Deinen Optimismus möchte ich haben", entgegnete er ungläubig, "aber lass uns zurück fahren, ich will nach Cat sehen." Damit stiegen sie wieder in die Corvair, Peter wesentlich mühsamer als sein Freund, und fuhren zurück zum Haus der Blaisdells. * * * "Kein Wunder, dass sie und Peter so gut zusammen passen! Sie ist genauso stur wie er, wenn nicht sogar noch schlimmer!", sagte Paul ärgerlich, als er wieder in die Küche kam. Ryan und Annie saßen am gedeckten Mittagstisch und warteten "Sie kommt nicht zum Essen?" "Sie hatte meinen Zettel nicht mal gelesen! Sie stand da und starrte mich an, sie hat sich vehement geweigert, auch nur einen Blick drauf zu werfen", brummte er und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. "Sie igelt sich ein und möchte keine Belastung sein. Das ist ganz normal", meinte Annie ruhig, "aber auf der anderen Seite ist es natürlich schwierig, ihr beizustehen, wenn sie nicht mal liest, was wir ihr sagen wollen." Paul nickte zustimmend. Ryan hätte gern was dazu gesagt, hielt sich aber lieber bedeckt, da Peters Pflegevater ganz offensichtlich nicht viel von ihm und seiner Meinung hielt. "Wenigstens gab es überhaupt mal eine Reaktion von ihr, vielleicht sollten wir das als gutes Zeichen werten, ich weiß es nicht. Aber das war das erste Mal, dass ihr Blick nicht leer war, sondern… ja… stark. Oder überzeugt. Oder wütend. Irgendwas in die Richtung." "Das ist es bestimmt. Und jetzt lasst uns essen, ehe es kalt wird", sagte Annie abschließend. Sie aßen schweigend, aber Ryan merkte deutlich, dass Paul ihn immer wieder missfallend musterte. Der ehemalige Captain wollte ihn nicht hier im Haus haben, ehe er nicht genau Bescheid wusste, und das ließ er ihn unterschwellig deutlich spüren. Grade als sie mit Essen fertig waren, hörten sie ein Fahrzeug von draußen. Der Cop sprang auf und eilte zum Fenster, wo er die Corvair neben seiner Viper parken sah. Paul erschien hinter ihm und rief Annie zu, dass alles in Ordnung und es Peter und Kermit waren. Zunächst wirkte die Situation normal, als sie aber beobachteten, wie der junge Shaolin versuchte, allein auszusteigen, mit gequältem Gesicht, und wie Kermit zu ihm kam, um zu helfen, war sofort klar, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmte. Da sie beide nicht sahen, dass sie aufmerksam beobachtet wurden, stütze Peter sich auf seinen Freund, zumindest bis zur Haustür. Noch bevor sie klingelten zog Paul sie Tür auf und ließ sie reinkommen, jetzt ganz unverfänglich, wobei sein väterlicher Blick die Anstrengung im Gesicht seines Sohnes erkennen konnte. Er warf einen Blick in Richtung Küche, um seine Frau nicht aufzuschrecken. "Was ist passiert?", fragte er dann fordernd. "Nichts, wie kommst du da drauf?", versuchte Peter mäßig überzeugend abzuwiegeln. Kermit rollte hinter der Brille die Augen, ihm war sofort klar gewesen, dass Paul sich nicht täuschen lassen würde. "So wie du läufst, hast du irgendwas abbekommen, also raus mit der Sprache!", sagte sein Vater überdeutlich und blickte noch mal vorsichtig den Flur entlang, damit Annie nicht überraschend hinter ihm stand. "Es ist nichts. Nur ein Kratzer", ließ Peter noch immer nicht die Katze aus dem Sack. Paul riss der Geduldsfaden und er griff nach dem Hemd seines Sohnes. Schneller als der reagieren konnte zog er es hoch und entdeckte den großen Stützverband. "Um Gottes Willen! Was zur Hölle ist passiert?" Peter bewegte sich zunächst stumm in Richtung Wohnzimmer, wo er sich schmerzhaft aufs Sofa gleiten ließ und noch zwei Schmerztabletten aus der Rolle schluckte. "Ich habe überraschende Bekanntschaft mit einer kleinen Stahlkugel gemacht…" "…von der Größe einer Bowlingkugel", warf Kermit dazwischen und bekam einen feurigen Blick dafür. Paul sah skeptisch zwischen den beiden hin und her. "Und jetzt noch mal von vorne, bitte!" forderte er. "George hat seine frühere Wohnung präpariert. Als ich die Tür aufgetreten habe, kam mir die besagte Kugel an einem Pendel entgegen und ich konnte nicht ausweichen", sagte Peter immer noch leicht keuchend, auch wenn die Tabletten ihre Wirkung inzwischen zeigten und es erträglicher machten. "Und wie schlimm genau hat es dich erwischt?", hakte sein Pflegevater weiter nach. Peter sah zu Kermit, der ihm aber unmissverständlich deutlich machte, dass er es sagen musste, sonst würde er selbst es tun. "Zwei Rippen angebrochen, mehrere geprellt und eine leichte Lungenquetschung", meinte er widerwillig und sah wieder ärgerlich zu dem Ex-Söldner mit der Sonnenbrille rüber. "Na herzlichen Glückwunsch! Lass das bloß deine Mutter nicht hören", meinte Paul noch und warf einen Blick zur Küche, aber von Annie war zum Glück grade nichts zu sehen. "Wie geht's Cat?", stellte Peter jetzt die Fragen und sah an den Gesichtsausdrücken, dass es nichts Positives gab, "hat sie mittlerweile was gegessen?" Paul verneinte und erzählte dann, was sich zugetragen hatte. Der Blick des jungen Shaolins wurde wieder verzweifelt und hilflos, so wie sie ihn in den letzten achtzehn Stunden schon viel zu oft gesehen hatten. "Wenn ich nur wüsste, wie wir ihr helfen können", murmelte er leise. Die anderen schwiegen betreten. "Ich werde noch mal zu ihr gehen", meinte Peter und erhob sich zur Hälfte, wo er heftig schnaufte, fast wieder zurückgefallen wäre und sich unter Schmerzen im letzten Moment an der Sofalehne fangen und hoch drücken konnte. Die anderen beobachteten ihn sorgenvoll dabei. * Cat hockte immer noch auf dem Teppich, hatte sich aber mittlerweile wieder beruhigt und starrte nachdenklich auf den Zettel, der auf der Schrift gelandet war, als Paul ihn hatte fallen lassen. Jetzt griff sie langsam danach und hob ihn auf. Niemand beobachtete sie, das Duell hatte sie gewonnen, jetzt konnte sie ihrer Neugier folgen, die leise in ihr darum bat. //In einer halben Stunde gibt es Mittagessen. Bitte komm runter und iss was. Wenn nicht, komm ich dir wieder hoch!// Dann das zusätzlich geschriebene: //Wir wollen dir noch nur helfen, verdammt!// Sie starrte auf die Buchstaben. Das war also der Grund gewesen, warum er wieder gekommen und so ärgerlich gewesen war. Aber was sollte sie tun? Tatsächlich war sie nicht hungrig, was aber sicherlich auch daran lag, dass sie ihren Körper aktuell gar nicht wahrnahm, sondern nur in ihren dunklen Gedanken gefangen war und an nichts anderes dachte als die Stille, die sie erdrückte. Sie sah im Augenwinkel, wie sich die Tür öffnete. Wie ein kleines Kind, das etwas Verbotenes tat, legte sie das Papier wieder auf den Boden und blickte demonstrativ in die entgegen gesetzte Richtung. Sie sah gar nicht, wie angestrengt Peter sich auf sie zu schleppte. Er kam zu ihr rum, so dass sie ihn zwangsweise sehen musste und beugte sich vor. Sofort schnellte sein Arm unkontrolliert an seinen Körper und er richtete sich eilige wieder auf. Was er damit allerdings erreichte, war ein Funke Aufmerksamkeit seiner Frau, die er anhand eines kurzen Blicks und dem Zusammenziehen ihrer Brauen erkannte. Für einen Moment breitete sich Sorge in ihr aus, und wenn die Situation normal wäre, würde sie ihn einfach fragen und eine Antwort in seiner warmen Stimme bekommen. Aber es war nicht normal, sie konnte ihn nicht hören, also warum sollte sie ihn fragen? Warum sollte sie die Grundsteine der Mauer, die sie um sich errichtete, wieder einreißen? Dazu kam, dass sie davon ausging, dass Peter die ganze Zeit unten gewesen war, also woran hätte er sich wirklich verletzen oder wehtun sollen? Die Wut, die seit der Nacht an ihr nagte und alles andere ins Dunkel trieb, kam wieder an die Oberfläche und entwickelte den Verdacht, dass er ihr etwas vorspielte, um eine Reaktion von ihr zu bekommen. Hätte sie ihm ins Gesicht gesehen, hätte sie gewusst, dass er nicht schauspielerte, aber diese Chance gab sie ihm nicht. Sie stand langsam auf und drehte ihm dabei den Rücken zu, um ihm ihre Distanz deutlich zu machen. Sie wollte ihn nicht in ihrer Nähe, genauso wenig wie jeden anderen. Alles was sie wollte, war ihr Gehör zurückzubekommen, und bis es soweit war (*wenn überhaupt*), wollte sie nur allein sein und niemanden mit ihrer Taubheit belasten. Auch wenn sie ihnen wehtun musste, um das zu erreichen. Als sie seine Hand auf ihrer Schulter spürte, machte sie einen fast schon panischen Schritt vorwärts und entfernte sich von ihm. Warum konnte er nicht einfach wieder gehen und sie alleine lassen in der Stille, die ihr den Verstand raubte. Sie hörte nicht, wie er sie verzweifelt anflehte, sich doch zu öffnen, ihn an sie heran zu lassen. War es unfair von ihr? Bestimmt. Aber was war schon fair? Das Leben war es sicherlich nicht, und noch nie zu ihr gewesen, also warum sollte sie sich verpflichtet fühlen, fair zu sein? Es war doch nur zu seinem Besten, sie wollte ihm die Mühe ersparen, sich mit ihr zu befassen. Auch wenn sich in ihr schon der Wunsch meldete, sich in seinen starken Armen fallen zu lassen, aber was würde das bringen? Ihre Qual würde dadurch nicht weniger werden, aber er hätte die Belastung. Das wollte sie nicht für ihn, und das würde sie ihm auch erklären, wenn sie jemals wieder ein normales Gespräch führen konnte. WENN.
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