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Teil 9 Autor: Ratzenlady |
Kermits Gedanken überschlugen sich. Er hatte es Cat nicht so gezeigt, aber er war sehr beunruhigt, sobald es um Ryan Walker ging. Nein, nicht beunruhigt, es kotzte ihn an! Wie kam dieser Kerl auf die Idee, die junge Frau zu einem Konzert zu schleppen, wenn da ein verrückter Killer lauerte, in dessen Profil Cat überdeutlich passte? Der frühere Söldner glaubte nicht daran, dass sein Kollege sie nur schützen wollte, weil sie vermutlich ohnehin dort hingegangen wäre. Nein, er glaubte etwas ganz anderes, und sollte sich das bestätigen, würde er ihn fertigmachen. Dann hätte Ryan Walker ein ernsthaftes Problem. Daneben machte er sich allmählich ernsthafte Gedanken um Peter. Der junge Mann lag ihm am Herzen, und sein Verhalten besorgte ihn zunehmend. Aus irgendeinem Grund glaubte er nicht mehr wirklich dran, dass es nur an dem Streit lag, sondern sein Instinkt verriet ihm, dass da noch mehr war. Irgendetwas, das den Shaolin belastete und das er, -wie immer- , nicht mitteilte. Aber was konnte es sein? Hing es vielleicht mit dem Angriff gegen den Polizei-Server zusammen, wusste Peter doch etwas darüber? Es war sinnlos, darüber nachzudenken. Er konnte es nicht wissen, bis er mit ihm Klartext gesprochen hatte, und dann würde Peter ihm erzählen, was los war, ob er wollte oder nicht. Bis dahin würde er sich mit Ryan Walker und mit Bears Nachricht befassen, die mehr als beunruhigend gewesen war. Wenn selbst er keine Möglichkeit hatte, etwas herauszubekommen, ohne sich daran die Finger zu verbrennen, dann war sein neuer Kollege heißer als heiß. Während er die Corvair in seine Tiefgarage fuhr, dachte über das nach, was sein alter Söldner-Kamerad über den letzten Mann erzählt hatte, der wohl versuchte, über Walker etwas herauszufinden. Er konnte sich sogar an das Ereignis erinnern, es ging damals aufregend durch die Medien. Ein Mann stellt sich vor das FBI-Gebäude in New York, hält sich eine Pistole an den Kopf und drückt ab. Die Berichterstattung sprach damals von einem 'vermutlich geistig Verwirrten', während einschlägige Verschwörungstheoretiker davon überzeugt waren, dass vermutlich das FBI dahinter steckte und ihm das Leben aus irgendeinem Grund zur Hölle gemacht hatte. Angeblich, weil er etwas über die unrechtmäßigen Methoden der Einrichtung herausgefunden haben sollte. Aktuell hielt er die zweite Version auch für glaubwürdiger. Dem FBI musste mächtig viel daran liegen, seine Vergangenheit zu schützen, koste es was es wolle. Und dennoch hieß das nicht zwingend, dass er zu den Guten gehörte, zumal die nicht sicher bestätigten Untergrund-Organisationen der Bundesagenten sich auch jenseits der Legalität bewegten. Aber Walker konnte auch ein Kronzeuge sein, jemand mit einer neuen Identität, jemand, dem man besser nicht traute. Er nahm seinen Laptop vom Beifahrersitz und ging zum Fahrstuhl. Er würde sich heute Abend noch lange mit seinem kleinen technischen Freund befassen, da war er sich sicher. Als erstes wollte er sich mit dem Selbstmord in New York beschäftigen, und sollte er dort zu keinen wirklich neuen Erkenntnissen kommen, gab es nur noch eine Person, die vielleicht doch etwas dazu beitragen konnte, dass er Gewissheit über Ryan Walker erhielt: seine Frau. Die Drohung klang noch immer sehr deutlich in seinem Ohr, aber er würde es dennoch versuchen, sollte er keine weiteren Möglichkeiten bekommen. Frustriert schloss er seine Wohnungstür auf und legte die Notebooktasche aufs Sofa. Sein Jackett hängte er über die Lehne und ging erstmal zur Minibar, wo er sich einen Schluck Scotch einschenkte. Seit Karens Tod trank er mehr, das war ihm bewusst, aber noch hatte er das problemlos im Griff, auch wenn er Gefahr lief, dass es vielleicht irgendwann nicht mehr so war. Er startete den Laptop und setzte sich davor, um schnellstmöglich anfangen zu können. Morgen früh würde er Walker wieder gegenüberstehen, und bis dahin wollte er einen Schritt weitergekommen sein. Er wollte ihm endlich diesen unterschwellig arroganten Gesichtsausdruck austreiben, den er auflegte, wenn er ihm mitteilte, dass seine Nachforschungen nutzlos waren und nur für ihn, Kermit, gefährlich werden konnten. Er wollte es nicht wirklich zugeben, aber das Schlimmste war wirklich für ihn, dass er diesem Mann gegenüber hilflos dastand. Seine Ermittlungen waren alle im Sande verlaufen oder abgeblockt worden; es war alles sinnlos gewesen, was er auch probiert hatte. Nachdem sich der PC meldete, dass er jetzt arbeitsbereit war, begann der frühere Söldner umgehend damit, nach Artikeln und Informationen über den Selbstmörder zu suchen. Es dauerte nicht lange, bis er einen Namen hatte: Ted Warren. Er war Cop auf dem Revier, von dem Ryan Walker zu ihnen versetzt worden war, ein Mann, der sich im Laufe seiner Karriere nie etwas zu Schulden hatte kommen lassen, dann aber völlig überraschend wegen Korruption entlassen worden war. Die angeblichen Zahlungen aber hatte man nie gefunden, die Familie schwamm auch nie im Geld. Der Rest entsprach dem, was Bear ihm schon geschrieben hatte. Allerdings entdeckte Kermit noch ein paar Kommentare von einem anonymen Reporter, der wohl mehrfach versucht hatte, mit Ted Warren über die Vorwürfe zu sprechen, aber immer sehr schnell wieder abgewimmelt wurde. Der Mann musste richtig Angst gehabt haben, etwas zu erzählen. ‚Mister Warren öffnete die Tür,
wollte sie aber sofort wieder zuwerfen. Als er meinen Fuß im Türrahmen
nicht herausschieben konnte, begann er panisch, sich umzugucken. Dann
starrte er mich an, als würde er einen Geist sehen. Kermit las die Zeilen, die auf einer freien Plattform standen, gleich mehrfach. Das schürte den Verdacht, dass sein neuer Partner früher zu einer Einheit des FBI gehörte, die inoffiziell handelte und in der Öffentlichkeit nicht existierte. Oder aber, dass das FBI ihn um alles in der Welt schützte, weil er ein besonderer Kronzeuge oder etwas Ähnliches war. Die erste Version passte aber besser zu den Fähigkeiten, die er bereits aufgezeigt hatte, war aber immer noch kein Beweis. "So komme ich nicht weiter", brummte er leise in seine Wohnung und tippte den Namen von Walkers Frau in den Computer. Während seine Suchmaschine lief, genehmigte er sich einen weiteren Scotch und lehnte sich dann zurück. Entgegen ihrem Mann hatte Haley Walker, geborene Lille, einen sauberen Lebenslauf und ließ sich bis zum Tag ihrer Geburt zurückverfolgen. Zu der Zeit, als Ryan begann zu existieren, arbeitete sie schon seit Jahren in einem kleinen Anwaltsbüro als Sekretärin, wo sie auch erst zur Geburt ihrer Tochter und dem Umzug nach Sloanville kündigte. Sie schien sauber zu sein. "Weißt du, was dein Mann früher gemacht hat?", fragte Kermit den Bildschirm seines Laptops und nippte an seinem Glas. Es gab für ihn nur eine Möglichkeit, es herauszufinden, auch wenn ihm Walker dafür die Hölle heiß machen würde, sollte er es mitbekommen. Und der Ex-Söldner war sich nicht mehr so sicher, ob er es mit ihm aufnehmen konnte; die plötzliche Kälte in Walkers Augen war selbst ihm durch Mark und Bein gegangen, auch wenn er es ungern zugab. * * * Peter betrat den Loft und fand Cat auf dem Sofa. "Wo warst du denn so lange?", fragte sie und verschwieg jetzt noch, dass sie wusste, wo er NICHT gewesen war. "Ich bin spazieren gewesen und bei Lo Si hängen geblieben", erklärte er mit müder Stimme. Noch mal wollte er sie auf keinen Fall belügen, das war für ihn der bessere Weg, um nicht noch mehr Sorgen heraufzubeschwören. Sie lächelte ihn an. "Du siehst fertig aus", bemerkte sie liebevoll. Ihr Mann fuhr sich durch die Haare und nickte angedeutet. "Ja, ich bin kaputt. Außerdem ist mir etwas komisch, vielleicht hab ich mich bei dir angesteckt. Keine Ahnung", sagte er schwammig und wollte auf seine Shaolin-Probleme nicht eingehen, dennoch musterte sie ihn argwöhnisch. "Bist du sicher, Honey? Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass da noch was anderes ist. Du wirkst… irgendwie verwirrt. Unsicher. Ich weiß auch nicht…" setzte sie an und wusste, dass sie ins Schwarze getroffen hatte, als ihr Mann sich neben sie setzte und ihre Hand in seine nahm. "Du kennst mich eindeutig zu gut, meine Süße!", murmelte er und gab ihr Recht. Mit der freien Hand streichelte sie ihm über den Rücken und sah ihn aufmunternd an. "Erzähl es mir." Er haderte noch, aber eine Wahl blieb ihm letztendlich nicht. "Es ist eine Shaolin-Geschichte", begann er langsam, "ich habe Probleme mir meinem Gespür. Ich kann aktuell nichts wahrnehmen, was andere Menschen aussenden." Deutlich schwang seine Verzweiflung darüber in seiner Stimme mit. "Ich bin wie blind, was das betrifft. Als wäre ich hilflos!" Cat streichelte weiter seinen Rücken und erkannte sofort die Zusammenhänge zu dem, was er ihr vorher erzählt hatte. "Was hat Lo Si dazu gesagt?", fragte sie. Ein fast schon abfälliges, humorloses Lachen glitt über seine Lippen. "Er kann mir nicht helfen. Es ist wohl so eine Art Prüfung, und ich muss da alleine durch. Ich muss ein Rätsel lösen, das ich nicht mal verstehe", sagte er verbittert und hoffnungslos. "Was ist das für ein Rätsel?", hakte sie vorsichtig nach. "Finde den Fehler. Mehr nicht. Ich habe keine Ahnung, was zu bedeuten hat, was für ein Fehler das ist, wo ich danach suchen soll, was…" begann er zu stottern und ließ dann den Kopf hängen, ohne den Satz zu beenden. Das musste er auch nicht. Cat hatte aufmerksam zugehört und die Brauen gehoben. Als Rätsel waren die Angaben äußerst dürftig, und sie konnte nachvollziehen, dass Peter nicht verstand, was er wo suchen sollte. Und sie hatte noch weniger eine Idee, da ihr das Shaolin-Universum nun mal nicht so vertraut war. Sie küsste ihn zärtlich und mitfühlend auf die Wange, mehr konnte sie grade nicht tun, allerdings schien es tatsächlich zu helfen, denn er schenkte ihr ein kleines Lächeln und schüttelte seinen Frust für einen Moment ab. "Und was gab es hier?", fragte er, auch um das Thema zu wechseln. "Kermit war da, du sollst ihn übrigens mal anrufen. Und ich habe mit Ryan telefoniert, er und seine Frau laden uns morgen Abend zum Essen ein, wenn wir Zeit haben", erzählte sie. Peter fuhr sich erneut durch seine braunen Haare. Er hatte eigentlich überhaupt kein Interesse daran, mit ihm zu telefonieren und zu erklären, warum er nicht aufs Revier gekommen war. "Apropos Kermit, ich sollte dir noch was sagen…" setzte er an, aber sie schüttelte den Kopf. "Ich weiß schon, wir haben drüber geredet. Aber ich habe nun mal auch meinen Job. Außerdem werde ich einen Cop dabei haben", sagte sie und grinste mädchenhaft. "Ryan?" "Ja. Was soll ich ihm denn jetzt wegen morgen sagen?" Der junge Shaolin brauchte eine kleine Weile, um seine Gedanken zu dem Gesagten zu sortieren. Selbst das Denken schien ihm jetzt schwerer zu fallen, so als würde sich allmählich ein Totalausfall seines Nervensystems anbahnen. Er wollte nicht zu dem Essen gehen, wollte überhaupt nicht unter Menschen. Aber auf der anderen Seite wollte er den Mann kennen lernen, der Cats Sympathie im Sturm erobert hatte und sie zu einem Konzert begleiten würde, während ein Killer sein Unwesen trieb. Einen ihm Unbekannten konnte er diese Aufgabe nicht anvertrauen, auch wenn es ihm wesentlich lieber gewesen wäre, wenn er auch hinter die Fassade würde gucken können. "Ich habe bisher noch nichts vor, also gerne." "Sicher? Wenn dir nicht danach ist, dann…" "Schon ok. Ich will ihn ja auch kennen lernen. Das steh ich schon durch", sagte er und lächelte aufmunternd. Sie grinste breit und gab ihm dann einen dicken Kuss. "Danke", flüsterte sie und sah ihn auf eine merkwürdige Weise an. "Wofür?" fragte er ahnungslos. "Dass du nichts zu dem Konzert gesagt hast, sondern mir das zutraust, auch unter den Umständen." Er nickte nur. Was blieb ihm auch sonst, schließlich hatte er es ihr versprochen, auch wenn er sich innerlich sicher sorgte. Dann verabschiedete sich Peter ins Nachbarzimmer, um mit Kermit zu telefonieren. "Na endlich, ich hab mir schon Gedanken gemacht", lautete die weniger herzliche Begrüßung durch den Cop. Peter verzog nur das Gesicht. "Ich bin erwachsen, Kermit. Was wolltest du?", fragte er matt. Mittlerweile fühlte er sich unendlich müde und ausgelaugt, seine zusätzlichen mentalen Kraftreserven hatten sich wohl auch verabschiedet. "Hey, ganz ruhig, Partner. Was ist denn mit dir los? Du warst schon heut Mittag so kurz angebunden", stellte er nüchtern fest. Peter rollte die Augen. "Ich habe viel um die Ohren. Shaolin-Geschichten", sagte er und hoffte, Kermit damit von dem Thema weg zu halten, schließlich bevorzugte der greifbare Fakten. Ein leises Brummen verdeutlichte ihm aber den Unglauben am anderen Ende der Verbindung. "Kann ich dir helfen? Brauchst du Unterstützung?", fragte er versöhnlich, aber ernst. Wenn sein Freund es mit bösen Mächten oder anderen Bedrohungen zu tun haben sollte, wollte er ihm auf jeden Fall helfen. "Ich brauche mal etwas Ruhe, also was wolltest du?", sagte der Shaolin genervt. Er sah nicht Kermits besorgtes Gesicht, die Gedanken, die sich darin spiegelten, weil Peters Verhalten von Mal zu Mal untypischer für ihn wurde. "Hast du mittlerweile mit Cat gesprochen? Wegen dem Killer." "Ja, hab ich. Und deinen Walker werde ich mir morgen beim Abendessen ansehen. Sonst noch was?", beschleunigte er die Unterhaltung, verschwieg aber, dass er über Ryan nicht mehr raus finden konnte, als jeder andere, der ihm begegnete. "Nein, nichts", brummte Kermit missmutig. Peters Art war dermaßen gereizt, dass er sich jetzt richtig Sorgen um ihn machte. Selbst wenn der junge Mann gestresst war, strahlte er sonst immer noch eine Ruhe und Gelassenheit aus, die ihresgleichen suchte, war immer freundlich und hilfsbereit. Der Cop war sich sicher, dass bei seinem Freund grade einiges im Argen lag. "Dann gute Nacht", sagte Peter und legte auf. Ihm war klar, dass Kermit misstrauisch werden würde, aber er hatte sich einfach nicht zusammenreißen können. Er fühlte sich genervt, wollte eigentlich nur seine Ruhe und mit niemandem sprechen, solange dieses unzulängliche Gefühl in ihm schwelte. Kurz darauf gingen er und Castor verhältnismäßig früh schlafen, wobei er wesentlich unruhiger schlief als seine Frau. * * * Ryans Handy klingelte auf seinem morgendlichen Weg zum Revier, und nach der üblichen Prozedur meldete sich wieder die Stimme des Mannes, der ihn schon einmal in den letzten Tagen angerufen hatte. "Was willst du, Moon?" "Griffin!" "Was denn jetzt schon wieder?", knurrte Ryan. Er wollte eigentlich nicht, dass sie etwas unternahmen, aber es lag leider nicht in seiner Macht, das zu beeinflussen. "Er erkundigt sich über Ted Warren." "Das hat ja damals auch riesig Aufsehen erregt." "Aber woher weiß ER davon? Woher weiß er, dass das mit dir zusammenhängt?" "Weil er gut ist! Griffin ist ein exzellenter Cop und Computerspezialist. Das wundert mich nicht im Geringsten." "Und was stellst du dir jetzt vor? Der Knabe wird keine Ruhe geben!" Moons Stimme klang ärgerlich und angespannt. "Er wird Ruhe geben, vertrau mir." "Ich muss das weitergeben, Shooter, das weißt du!" "Ich kenne die Vorschriften, langweil mich nicht damit. Ich mach das schon, ok?! Gib mir 72 Stunden, und der Spuk hat ein Ende." "Was hast du vor?" "Das werde ich dir nicht sagen." "Weil ich es dann auch melden müsste?" "Vielleicht." "Wenn es das ist, was ich denke, dass es ist, dann ist es eine unautorisierte Aktion! Du bist raus! Das kannst du nicht mehr machen!" "Du weißt, was ich alles kann!", donnerte er drohend ins Telefon und legte dann auf. Allmählich blieb ihm wirklich keine andere Wahl mehr, Kermit Griffin war wesentlich hartnäckiger, als er es im Vorfeld erwartet hatte.
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