![]() |
Teil 34 Autor: Ratzenlady |
Kermit brauchte lange, um zu realisieren, dass es Ryans Hand, -und keine Kugel-, gewesen war, die ihn heftig zurückgestoßen hatte. Nach Orientierung suchend stemmte er sich auf seine Ellenbogen und blickte an die Stelle, an der sein Partner vor ihm gehockt hatte. Der blonde Cop hockte nicht mehr, sondern lag regungslos. Das Gewehr, das er zuvor eisern festgehalten hatte, lag jetzt zwei Meter von ihnen entfernt, weggeschleudert durch den Schuss des Killers. Kermit warf einen schnellen, hektischen Blick über die Haube zu den Officers, die immer noch hinter ihrem Wagen kauerten. "Rufen sie einen Krankenwagen!", brüllte er zu ihnen rüber und ging sofort wieder runter zu seinem Partner, der sich noch immer nicht bewegte. "Oh scheiße", murmelte er und versuchte in der Dunkelheit auszumachen, wo es Ryan erwischt hatte, ohne ihn dafür zu viel zu bewegen. Aber aktuell konnte er nichts erkennen, er lag auf dem Rücken, den Kopf zum Wagen hin weggefallen. Seine Finger gingen zum Hals des jüngeren Mannes und ertasteten einen recht starken Puls, der ihn sichtlich beruhigte. Erst jetzt keimte die Frage in ihm auf, warum der Schütze nicht noch mal schoss, warum er nicht auch ihn erledigen wollte? Er gab ein perfektes Ziel ab, wie er hier hockte und sich mit seinem Partner beschäftigte, statt in die Luft zu schießen. Aber es kam kein zweiter Schuss. Stattdessen hörte er hinter dem Gebäude einen Wagen starten und davon fahren, aber das ging alles zu schnell, um noch hinterherzukommen. "Du verdammtes Drecksschwein", presste er durch die Zähne und nahm die Brille ab, um Ryan besser untersuchen zu können. Auf seinem Hemd hatte sich kein Blutfleck gebildet, wo also hatte es ihn getroffen? Behutsam nahm er jetzt den Kopf zwischen seine Hände und drehte ihn vorsichtig. Auf der Stirn zog sich in fünf Zentimetern Länge eine blutende Wunde entlang, ein Streifschuss, der in mit winziger Abweichung hätte töten können. Dieser Mann war nicht nur ein Profi, er hatte auch noch unbändiges Glück. *Ich bin der, der hier Glück hatte*, schoss es ihm durch den Kopf. Wenn Ryan ihn nicht weggestoßen hätte, dann hätte das Geschoss vermutlich SEINEN Schädel durchschlagen. Sie hatten alle verdammtes Glück gehabt, dass die Mordanschläge mehr oder weniger glimpflich ausgegangen waren und keiner von ihnen bisher den Tod gefunden hatte. Sie konnten dankbar sein, dass SIE dieses Glück hatten, und nicht George. Ryan regte sich jetzt und zog das Gesicht zusammen. Er kniff die Lider zu, dann öffnete er sie und sah Kermit direkt in die Augen, die immer noch ungeschützt und ziemlich besorgt über ihm hingen. "War ich lange weg?", fragte er und stemmte sich hoch. "Nicht wirklich", sagte Kermit und setzte jetzt sofort seine Brille wieder auf. Er hatte ein komisches Gefühl, als die stahlblauen Augen ohne Barriere in seine geschaut hatten, so als könnte auch er mehr darin sehen wie jeder andere, so wie Peter. Aber das war es sicher nicht, das konnte es schließlich nicht sein. Wahrscheinlich lag es einfach an der wechselhaften Wirkung, die diese zwei Eiswürfel ausstrahlen konnten. "Du hast einen Krankenwagen gerufen?", fragte er ungläubig als in der Ferne die Sirenen zu hören waren. "Da wusste ich noch nicht, wo es dich erwischt hat", verteidigte sich der Ex-Söldner ernst. Ryan nickte nur und führte dann seine Hand zur Stirn und besah sich sein Blut dann an den Fingerspitzen. "Nur ein Kratzer", sagte er lapidar und wischte sich die Finger an der Jeans ab, dann wanderte sein Blick zu dem Gebäude. "Er hat nicht noch mal geschossen?", hakte er argwöhnisch nach und zog die Brauen zusammen. Sein Partner schüttelte den Kopf. "Nein, irgendwie nicht. Er ist auch schon weg, ich hab den Wagen gehört." "Warum macht er so was? Wenn ich da oben gesessen hätte, hätte ich doch weiter geballert, um dich auch zu erledigen", sinnierte er misstrauisch. Kermit sah ihn kurz über den Rand der Brille an. "Danke für die Blumen. Aber wo wir grade dabei sind: Hast du DAS früher gemacht?", stellte er jetzt eine Frage, die er sich vorher nicht wirklich getraut hatte. Auf den ersten Blick hatte er damals im Auto keine Notiz über wirkliche Tötungskommandos gefunden, aber für einen zweiten hatte er auch keine Zeit gehabt. Und schließlich hatten diese Agenten nun mal im Untergrund den Beinamen 'Sniper'. Ryan sah ihm in die Augen, sein Blick war klar prüfend und abschätzend, so als wollte er für sich herausfinden, ob Kermit mit der Wahrheit überhaupt zurechtkommen würde. Es war ein Augenausdruck, der absolut unangenehm war, dann aber grinste er undurchsichtig. "Bist du dir sicher, ob du das wirklich wissen willst?" Kermit musste tatsächlich darüber nachdenken. Auf der anderen Seite war die Aussage genauso wie eine Antwort, weil sie deutlich machte, dass Kermit die Wahrheit vermutlich nicht gefallen würde. Aber auf der anderen Seite war es doch etwas anderes, etwas zu vermuten, oder es eben zu wissen. "Ich hätte es genauso in der Akte lesen können. Es war vielleicht einfach Zufall, dass ich keine Notiz dazu gefunden habe", meinte er langsam und gab damit das OK für eine ehrliche Antwort. Ryan schätzte ihn wieder mit seinem Blick ein, ehe er den Mund aufmachte. "Also gut: Ja. Ich habe auch Attentate ausgeführt, und ich habe nie daneben geschossen", sagte er, ohne den Blick von Kermits Augen zu nehmen, dem dieser Kontakt zunehmend unangenehm wurde, aber er hielt stand. Es war, als wollten sie feststellen, ob sich etwas zwischen ihnen änderte, nach Klarstellung dieses Sachverhalts. Nach einer Weile nickte Ryan langsam und stand dann auf. "Es ist genau wie bei dir, Kermit", sagte er leicht verbittert in die kalte Luft und folgte mit den Augen dem Krankenwagen, der jetzt bei ihnen zum stehen kam, "wir haben beide lange Zeit unseren Job gemacht, wahrscheinlich ZU lange, ohne uns über den Hintergrund Gedanken zu machen." Ryan konnte nicht sehen, wie Kermit hinter ihm langsam zustimmend nickte, aber das brauchte er auch nicht. Die Sanitäter kamen zu dem blonden Cop und führten den widerstrebenden Mann zu dem Krankenwagen, wo sie seine Stirnwunde reinigten und mit einem Pflaster verklebten. Am liebsten hätten sie ihn mit ins Krankenhaus genommen, aber er weigerte sich vehement und stieg wieder aus. Als wäre nichts gewesen sah er auf seine Armbanduhr. "Wir sind spät dran, wir müssen Skalany ablösen", meinte er und ging zur Viper. Kermit sah ihm einen Moment nach, dann rief er den Officers ein paar Kommandos zu und stieg auf der Beifahrerseite in den gelben Sportwagen. "Man könnte meinen, dass dich das alles überhaupt nicht mitnimmt", meinte er nach einigen hundert Metern Fahrt und beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, "immerhin hat er grade versucht, dich umzubringen." "Mitnehmen? Es würde mich mitnehmen, wenn Hal oder Jo so etwas passierte. Es würde mich mitnehmen, wenn dieser George einmal tatsächlich treffen würde. Aber das eben grade? Das nimmt mich nicht mit, das bringt mich auf die Palme, weil dieses Arschloch schneller war als ich!", sagte er frustriert und eiskalt. Kermit rollte die Augen. "Weißt du was, Kollege? Du solltest dich schleunigst daran gewöhnen, dass das hier ein anderes Leben ist, als dein altes beim FBI", meinte er und sah jetzt offen zu ihm rüber. Ryan drehte kurz den Kopf, nickte knapp, und sah dann wieder auf die Straße. Er musste nicht antworten, schließlich war klar, dass Kermit absolut Recht hatte. Er musste seine Anforderungen der neuen Situation anpassen, wenn er für länger in dieser Stadt bleiben wollte. Und das wollte er. * * * George kehrte mit seinem Gewehr zurück ins sein Ersatzversteck, mit einem dreckigen Grinsen auf dem Gesicht. Er hatte zwar nicht Kermit getroffen, aber dafür den anderen Kerl, und das reichte, um seine Panikmache voranzutreiben. Sie sollten Angst vor ihm haben, an der Situation verzweifeln und sich Fragen stellen, deren Antworten sie nicht kannten. Den genialen Effekt daran hatte er erst hinterher gesehen, nachdem sich dieser Walker in die Schusslinie geworfen hatte: Sicherlich würden sie sich wundern, warum er nicht auch Griffin abgeschossen hatte. Er hätte ihn töten können, er war ein einfaches Ziel, aber das wollte er dann doch nicht. Noch nicht. Der Spaß war eindeutig zu gering, wenn Caine nicht dabei zusah; so einfach war das im Nachhinein. Gut, dass der andere die Kugel gefangen und nun leider tot war. Und das war bestimmt schon schlimm genug für den Shaolin-Priester, der in die Fußstapfen seines Vaters getreten war. Das reichte fürs erste. *In die Fußstapfen seines Vaters getreten*, überlegte er. Ja, das war gut. Er würde dafür sorgen, dass er dem alten Caine auch weiterhin folgte, und zwar auf direktem Weg in den Tod. Und es würde nicht mehr lange dauern, bis es endlich soweit war. * * * Peter erwachte aus seiner Meditation, als er einen Wagen die Straße heraufkommen hörte. Eilig sprang er auf die Beine und ging zum Fenster. Skalanys Auto stand noch, und die Corvair war noch nicht da, obwohl es mittlerweile spät war und sein Freund die Ablösung übernehmen sollte. Die Scheinwerfer des herannahenden Wagens gehörten auf keinen Fall zum Kermit-Mobil, soviel konnte er erkennen, und deshalb spannte sich sofort alles in ihm an. Unbehagen überkam ihn, und die Angst, dass wieder irgendwas passierte und er es nicht verhindern konnte. Dann aber, nachdem das Auto neben Skalany parkte und die Lichter ausgingen, konnte er sehen, dass es Ryans Viper war und er entspannte sich wieder ein wenig. Sollte es Georges Ziel gewesen sein, ihn zu einem Nervenwrack zu machen, dann (*Glückwunsch*) hatte er es geschafft. Peter verließ den Raum und ging die Treppe runter, wo Mary-Margaret mit gezogener Waffe am Fenster stand und dann zur Haustür ging, um sie ihren Kollegen zu öffnen. Sie gähnte herzhaft und nicht ernstgemeint vorwurfsvoll, als sich zunächst Kermit und dann Ryan durch die Tür schoben. Aber der Atemzug blieb ihr im Halse stecken, als sie das unübersehbare Pflaster auf der Stirn ihres neuen Kollegen entdeckte. "Was ist passiert?", fragte Peter sofort, obwohl es ja eigentlich ohnehin überflüssig war. Es war George, eindeutig, ganz ohne Frage. Wenn etwas in diesen Tagen schief lief, dann hatten sie es diesem Kerl zu verdanken. "George", knurrte Kermit nur grimmig und gab damit den Gedanken seines Freundes Recht. Peter und Skalany seufzten gleichermaßen auf, aber Ryan winkte ab. "Ist nur ein Kratzer, macht euch keine Gedanken", meinte er locker und führte die kleine Gruppe Richtung Wohnzimmer an. Die anderen wollten sich aber noch nicht zufrieden geben. "Und WAS hat diesen Kratzer WIE verursacht?", hakte Peter weiter nach und ließ damit nicht locker. Kermit und sein Partner wechselten einen kurzen Blick. "Ein Scharfschützengewehr. Aber wie man sieht, konnte der Schütze damit nicht umgehen", erklärte er zwangsweise und machte mit seiner Hand eine abwinkende Bewegung. Kermit sah zu ihm rüber, sein Blick sprach Bände, und er überlegte noch, ob er es laut aussprechen wollte. "Was?", fragte der Shaolin, weil er Kermits Kopfbewegung in Walkers Richtung durchaus wahrgenommen hatte. "Ich gehe davon aus, dass der Typ schon damit umgehen konnte und eigentlich mich treffen wollte", brummte Kermit widerwillig. Peter sah zwischen ihnen hin und her, er brauchte keine weiteren Worte, um zu verstehen, dass Ryan das wohl verhindert hatte. "Wo hat euch denn dieser Scharfschütze aufgelauert?", fragte Skalany jetzt interessiert und nachdenklich. "Da, wo sie den Wagen gefunden hatten. Wie sind hingefahren, er hat auf uns geschossen und mich gestreift", sagte Ryan jetzt mit knappen Worten und hoffte, dass die Geschichte damit endlich beendet war. Er mochte es nicht, wenn so viel Aufhebens um seine Person gemacht wurde. "Und du konntest dich in Deckung bringen?", fragte Peter jetzt wieder in Kermits Richtung. Auch der rollte die Augen hinter seinen Brillengläsern, denn sein Freund kam jetzt auf das zu sprechen, worüber er sich auch schon den Kopf zerbrochen hatte. "Nein, nicht wirklich. Er hätte mich problemlos erschießen können. Aber nach dem Treffer an ihm", brummte er und zeigte auf Ryan, "kam nichts mehr." Skalany und Peter sahen sie fragend an. "Versteh mich nicht falsch, aber warum hat er nicht noch mal versucht, dich zu erschießen?", fragte die Polizistin mit geraffter Stirn. "Ich sehe, du hast mich gern, Herzblatt", scherzte der Ex-Söldner, wurde aber sofort wieder ernst, "aber ich habe keine Ahnung, warum. Vielleicht hat er größeres mit mir vor, schließlich war ich damals im Museum auch dabei." "Und warum dann der erste Schuss auf dich?", fuhr Peter wieder dazwischen. "Herrgott, woher soll ich das denn wissen?", blaffte Kermit jetzt ungehalten. Sie atmeten alle tief durch, es half nichts, wenn sie anfingen, sich nur noch anzupöbeln. Sie mussten ruhig bleiben, um das alles durchzustehen. "Du kannst dich als abgelöst betrachten, meine Liebe", meinte der Cop mit den grünen Gläsern zu seiner Kollegin, "aber sei vorsichtig! Dasselbe gilt für dich, Ryan." "Ist gut. Ich eskortier dich", sagte der blonde Polizist zu Mary-Margaret und verließ dann nach einem Moment und ein paar Worten des Abschieds mit ihr das Haus. "Steckt da noch mehr dahinter?", fragte Peter ruhig nach einer ganzen Weile des Schweigens zwischen ihnen. "Nein. Aber es wurmt mich, weil ich wirklich keine Ahnung habe, warum er erst auf mich schießt, und dann nicht mehr. Ich kann es einfach nicht nachvollziehen", knurrte er. Peter nickte, es war absolut widersprüchlich, was da passiert war. Sie saßen den Rest der Nacht zusammen im Wohnzimmer, die meiste Zeit schweigend. Peter verlor sich in seinen Gedanken zu seiner Prüfung, während Kermits Überlegungen für ihn verschlossen waren, er saß einfach stoisch da und regte sich nur ab und an, um einen Schluck aus seiner Kaffeetasse zu nehmen. Dann ging die Sonne in der großen Fensterfront auf und läutete etwas ein, von dem noch niemand im Haus der Blaisdells etwas ahnte.
|
Teil1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 Epilog zurück zum Autoren Index zurück zum Story Index
|