Teil 13
Autor: Ratzenlady
 

Kermit lehnte sich vom Bildschirm zurück und schloss die Augen. Sein Suchprogramm arbeitete immer noch und hatte ihm bisher keine Ergebnisse geliefert. Es war zum Auswachsen, dass er nichts tun konnte, als zu warten. Schließlich erhob er sich, um zu dem Treffen mit Peter und Paul zu fahren und trat aus seinem Büro.

Ryan saß an seinem Schreibtisch und tippte auf seiner Tastatur, während Skalany an seiner Tischkante lehnte und sich mit ihm unterhielt, um mehr über den neuen Kollegen herauszubekommen. Blake kontrollierte, ob alle seine Wanzen und Sender an ihrem Platz waren, Jody hing über einer Akte und blätterte wild hin und her. Der Chief und T.J. waren aktuell im Urlaub, Broderick stand hinter seinem Tresen. Kermit ging wortlos an ihnen allen vorbei.

"Griffin", rief der Captain plötzlich hinter ihm her. Wie erstarrt blieb er in der Bewegung hängen, atmete tief ein, und drehte sich dann um.

"Sie teilen sich ihre Arbeitszeit auch äußerst frei ein, kann das sein?!" kommentierte er durch das halbe Büro.

Der Ex-Söldner holte ein weiteres Mal tief Luft und musste an sich halten, nicht wütend zu werden. "Werfen sie einen Blick auf mein Überstundenkonto, Captain. Ich denke, ich kann mir das erlauben", gab er mit festem Gesichtsausdruck zurück.

"Ich würde gerne informiert werden, Detective, wenn sie davon gebrauch machen!", sagte er autoritär.

Kermit rollte hinter seiner Brille die Augen, dieser ständige Machtkampf um Vorschriften und Verhaltensregeln ging ihm allmählich auf die Nerven.

"Dann informiere ich sie hiermit, Captain, dass ich jetzt gehe und nachher wiederkommen werde", sagte er mit seinem humorlosen Haifischgrinsen, drehte sich um und ging einfach, ohne auf die Erlaubnis von Monahan zu warten.

Der sah ihm ziemlich perplex und auch sauer hinterher. Das würde noch ein Nachspiel haben, dafür würde er sorgen. So viel er von seinem geheimnisvollen Detective hielt, er konnte sich bei weitem nicht alles erlauben.

Die anderen Cops hatten das Geschehen wortlos verfolgt und verloren sich in leisem Getuschel, direkt nachdem der Captain seine Tür hinter sich geschlossen hatte. Kermit war unterdes schon an der Corvair und machte sich auf den Weg zum Loft, um endlich zu erfahren, was mit Peter los war. Vielleicht löste sich ja so zumindest eine Sorge auf.

Aber daran glaubte er nicht wirklich. Wenn der junge Mann so abweisend war, musste was Größeres dahinter stecken, und das würde sicherlich neue Probleme mit sich bringen. Aber ein kleines bisschen Hoffnung hatte er noch, dass es nichts Schlimmes oder Lebensgefährliches war, einfach weil er aktuell den Kopf voll genug mit Ryan Walker, seinem Serienkiller und Monahan hatte, der ihn einfach seinen Job machen lassen sollte, wie er es für richtig hielt. Sollte Peter ihn aber brauchen, dann hätte der Freund seine oberste Priorität.

Kurz vor der Einfahrt in den Innenhof entdeckte Kermit Pauls Wagen im Rückspiegel, der kurz darauf Lichthupe machte. Der frühere Söldner hob die Hand, um seinen alten Kameraden durch die Heckscheibe zu begrüßen und bog dann ein, dicht gefolgt von Paul.

"Perfektes Timing, mein Freund", begrüßte Kermit ihn, als sie ausstiegen.

Paul nickte nur, sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass die Sorge um seinen Sohn aktuell jeden Humor in ihm überdeckte.

"Hat er dir gegenüber angedeutet, in welche Richtung das geht?", fragte Kermit, als sie die ersten Stufen erklommen.

"Nur, dass es eine Shaolin-Sache ist und wir ohnehin nicht helfen können. Aber er will es uns zumindest erklären", sagte Paul das, was Peter am Telefon erwähnt hatte.

"Ich persönlich bin mir noch nicht so sicher, ob er sich nicht unnötig alles aufhalst. Vielleicht können wir ja doch helfen, aber er versucht, uns da raus zu halten", gab Kermit preis, was durch seine Gedanken geisterte, was er in Bezug auf Draco schon erlebt hatte. Paul nickte nachdenklich.

"Möglich. Aber Spekulationen bringen uns jetzt auch nicht weiter, wir werden es ja gleich wissen."

"Wenn er uns nicht linkt", gab der Mann mit der Sonnenbrille noch zu bedenken. Paul aber warf ihm einen scharfen Blick zu.

"Das wird er sich nicht trauen. Und du solltest das nicht mal denken!", mahnte er ihn sofort.

Kermit nickte ergeben und schwieg dann, bis sie die Haustür erreichten. Da sie zu war, klopften sie, ehe sie eintraten.

"Ich bin in der Küche", rief Peter in den Flur, also setzten sich die beiden Männer in Bewegung. In der Tür kam Cat ihnen entgegen, begrüßte sie, und zog sich dann ins Wohnzimmer zurück, um die drei wichtigsten Männer in ihrem Leben allein zu lassen.

Kermit und Paul setzten sich, es warteten bereits zwei volle Tassen mit Kaffee auf sie, in der Mitte vom Tisch stand eine Pappe mit verschiedenen Kuchen drauf. Peter saß ihnen gegenüber, die Arme auf die Tischplatte gestützt, die Schultern etwas eingezogen, dann aber straffte er sich.

"Hört zu, ich wollte mich erstmal bei euch beiden entschuldigen. Ich hab mich gestern unmöglich benommen, es tut mir leid", fing er etwas geknickt an.

"Kein Thema, Partner. Aber jetzt rück endlich mit der Sprache raus, oder ich leg dich übers Knie!", brummte Kermit, aber mit dem Anflug eines Grinsens im Gesicht.

"Besser hätte ich es nicht ausdrücken können", stimmte Paul mit ein, Peter lachte kurz auf.

"Ist ja gut, hab ich doch vor. Aber ich weiß trotzdem, dass ihr mir nicht hel..."

"Peter!", warf Kermit mit hochgezogenen Brauen dazwischen, "keine Ausflüchte!"

Der Shaolin hob ergebend die Hände und lehnte sich gespielt erschrocken in seinem Stuhl zurück.

"Mann, jetzt reg dich nicht so auf, alles nacheinander. Ich wollte es ja nur sagen. Im Grunde ist die ganze Sache schnell erklärt, auch wenn ich es nur ungern aussprechen will", sagte er, und sein Tonfall wurde jetzt ernst und bedrückt. Die beiden Ex-Söldner wechselten einen schnellen Blick, auch ihnen fiel die Veränderung auf.

Peter hob den Kopf wieder und sah den beiden in die Augen, er wollte ihre Reaktion auf seine Worte sehen, wollte wissen, ob es ihnen ebenso egal war, wie Cat; zumindest in Bezug auf die Zuneigung für ihn. Oder ob sie ihn für genauso unzulänglich halten würden, wie er sich selbst fühlte; auch wenn es nach dem kurzen Gespräch mit seiner Frau ein wenig besser geworden war.

"Das Ding ist: Ich habe meinen Shaolin-Sinn verloren."

Erstauntes Schweigen und große Augen.

"Nach dem, was der Ehrwürdige gesagt hat, ist es wohl eine Art Prüfung, die ich ablegen muss, um die nächste Stufe zu erreichen. Und dabei kann mir keiner helfen", erklärte Peter weiter und beobachtete die beiden Männer, die ihm gegenüber saßen. Die starrten ihn noch immer an, als hätte er das alles in Chinesisch gesagt und sie kein Wort verstanden.

"Was?", fragte Kermit nach, den erstaunten Blick unverändert.

"Genau das, was ich grade gesagt habe. Was glaubst du, warum ich nicht aufs Revier gekommen bin, um mir Ryan anzusehen und dir zu sagen, was für ein Typ er ist? Weil ich es aktuell nicht kann. Und..." beschämt senkte er den Blick, "ich wollte dir nicht sagen, dass ich dir nicht helfen kann. Aktuell bin ich einfach nur Peter Caine, ein ganz normaler Mensch mit zwei Brandmalen."

Kermit und Paul seufzten synchron und sahen einander kurz an. Dann lehnte sich sein Pflegevater nach vorn und sah ihm direkt in die Augen.

"Du wirst niemals 'NUR' Peter Caine sein. Und ein ganz normaler Mensch sicher auch nicht. Du hast eine grandiose Menschenkenntnis, einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, ein besonderes Gespür für Menschen, die Hilfe brauchen. Das alles, -und noch viel mehr-, hattest du schon vor deinen Brandmalen", sagte Paul eindringlich, begleitet von einem leichten, aber absolut überzeugendem Nicken von Kermits Seite.

Peter sah zwischen den beiden hin und her. Pauls Worte entsprachen in etwa dem, was Cat ihm schon am Vormittag gesagt hatte, und es war Balsam für seine verwundete Seele. Er hatte sich so hilflos gefühlt, blind und taub in einer farbenfrohen, lauten Welt. Aber die Menschen, die ihm nahe standen, schafften es grade, dass es ihm besser ging.

Dann klarte sich sein Gesicht auf, die Erkenntnis, die am Morgen mit Cat ihren Ansatz gefunden hatte, durchströmte ihn jetzt mit aller Deutlichkeit, sodass er sich selbst tadelte, es nicht früher verstanden zu haben. Pauls Worte hatten es noch einmal bestätigt.

Er brauchte diesen sechsten Sinn nicht, um helfen zu können. Darum Trishas Erscheinung, darum hatte man ihm seinen sechsten Sinn genommen. Es war so klar, auf einen Schlag hatte er es begriffen, verstand, was passiert war.

Er wusste nicht, ob diese Erkenntnis schon die Lösung des Rätsels war, oder nur ein Teil davon, aber es brachte ihn einen Schritt weiter, half ihm dabei, nicht den Kopf in den Sand zu stecken und in Selbstmitleid zu ertrinken. Ein spitzbübisches Lächeln legte sich auf seine Lippen.

"Ich habe gelogen", sagte er langsam und bekam zur Antwort jetzt restlos verwirrte Blicke zugeworfen, ehe er zu lachen anfing, "ihr konntet mir helfen. Vielleicht nicht bei meinem Rätsel selbst, aber auf dem Weg zur Lösung."

"Was denn für ein Rätsel? Diese Prüfung, von der du gesprochen hast? Worum geht es da?", setzte Paul jetzt den Haken an, um mehr heraus zu bekommen.

Das Gesicht des Shaolin wurde nach diesem Anflug von Frohsinn wieder ernst, er zuckte die Schultern. "Meine Prüfung ist die Lösung eines Rätsels, wenn ich es mal so nenne. Wenn ich es löse, steige ich in die nächste Stufe auf, was auch immer das heißen mag, wenn nicht... keine Ahnung. Vermutlich wird es dann so bleiben, wie jetzt. Laut Lo Si habe ich alle Zeit der Welt dafür", erklärte Peter.

Kermit hob die Brauen. "Und was ist jetzt das Rätsel? Und, was mir viel wichtiger ist: Bringt es dich in Lebensgefahr?" fragte der Bebrillte jetzt offen.

"Lebensgefährlich ist es wahrscheinlich nicht. Lo Si hatte es etwas geschwungener ausgedrückt, aber im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass ich einen Fehler finden soll. Finde den Fehler, mehr nicht. Klingt einfach, ich weiß, aber wenn das die einzige Beschreibung ist, dann bekomm mal raus, wo du danach suchen sollst", erzählte Peter.

Allerdings war der Bericht jetzt schon halb falsch, weil er endlich einen Ansatz hatte. Er wusste jetzt, dass der Fehler bei ihm lag und es um seine persönliche Erkenntnis ging. Jedenfalls glaubte er die Lösung jetzt ziemlich sicher dort versteckt.

"Und weißt du jetzt, wo?", fragte Paul weiter, dem die ganze Sache jetzt allmählich doch zu metaphysisch wurde.

Peter lächelte ein wenig. "Ja, ich glaube schon."

"Und keine dunklen Krieger, die versuchen, dir den Gar auszumachen?", wiederholte Kermit seine Frage noch mal. Irgendwie war er sich noch nicht so sicher, ob nicht vielleicht doch noch was kommen würde, schließlich gab es da noch den Zugriff auf seine Datenbank. Sein Freund aber schmunzelte aufgrund seiner Besorgnis.

"Nein. ... Jedenfalls nicht in Zusammenhang mit dieser Prüfung", sagte Peter und läutete damit ein recht lockeres Gespräch ein, das auch bald das Thema wechselte, da sich Paul und Kermit nun keine Sorgen um ihn zu machen brauchten. Sie holten noch Cat dazu, für Kaffee und Kuchen, und verbrachten noch eine halbe Stunde in erstaunlich ausgelassener Runde.

Als sie sich aber wieder trennten, kehrte bei den Männern schnell die Ernsthaftigkeit wieder ein. Paul machte sich Sorgen um seinen Sohn, schließlich befand der sich offenbar einer schwierigen Situation gegenüber, und als Vater sorgte man sich dann automatisch.

Peter zog sich zurück, um zu meditieren und seinen Lösungsansatz zu verfolgen. Er kam zwar nicht weiter, wurde aber zumindest Bestätigt, denn sein Unterbewusstsein zeigte ihm neben Trisha noch weitere Menschen, denen er ohne seine Shaolin-Sinne geholfen hatte, Personen, die ihm in seiner Dienstzeit als Cop begegnet waren.

Kermit fuhr zurück zum Revier und beschäftigte sich gedanklich mit seinem Partner und dem Killer, den sie verfolgten. Aber auch bei ihm gab es keine positiven Ergebnisse, ein Teil seiner Suchen waren erfolglos beendet worden, andere liefen immer noch. Er fluchte innerlich, schließlich waren es nur noch zwei Stunden bis Konzertbeginn, und er hätte den Mistkerl gerne vorher noch identifiziert und am besten aus dem Verkehr gezogen.

Er machte sich Gedanken um Castor, und hatte immer noch ein mieses Gefühl bei Ryan Walker. Aber leider waren ihm die Hände gebunden, er musste ruhig zusehen, wie der Detective seinen Dienst an diesem Tag beendete, um dann mit Cat zu diesem Konzert zu fahren.

Kermit schnappte sich seinen Laptop und begann damit, die laufenden Prozesse darauf zu übertragen, damit er mobil war. Er wollte die junge Frau nicht diesem merkwürdigen Cop überlassen, nein, er wollte in der Nähe bleiben. Nach und nach entwickelte sich der feste Entschluss, dass er im Hintergrund, ganz in ihrer Nähe, in seinem Wagen sein würde, um im Notfall eingreifen zu können.

* * *

Ryan holte Cat mit seiner Viper ab und erntete anerkennende Blicke, das Auto kannte sie noch gar nicht. Fröhlich sprang die junge Frau zu ihm in den Wagen und sie unterhielten sich dann über die Erwartungen an das kommende Konzert.

Der Cop machte ihr auch noch mal richtig deutlich, dass es diesen Killer gab und sie sich nicht von ihm entfernen sollte. Cat gab ihm das Versprechen, nicht von seiner Seite zu weichen und immer im Blick zu bleiben. Dennoch ließen sie sich von diesem durchaus ernsten Aspekt nicht den Spaß und die Vorfreude nehmen.

Ryan beobachtete sie unauffällig aus dem Augenwinkel. Cat war wirklich cool, auch wenn er sie erst so kurz kannte und obwohl sie doch einige Jahre jünger war als er. Allerdings bestand derselbe Unterschied auch bei Peter und Cat, wie er am vorigen Abend erfahren hatte. Sie hatte von ihrem Wesen her eine ältere Ausstrahlung, als sie tatsächlich war, und dennoch die jugendliche Energie und Verrücktheit, die einen einfach mitriss.

Auch wenn Kermit ihm nicht glaubte, er wollte nichts weiter, als sie beschützen, sie näher kennen lernen, eine Freundschaft aufbauen, die endlich mal normal stattfand und keine hinterhältigen Gedanken mit sich führte. Wo er herkam, da hatte man keine Freunde. Man gab sich als solcher aus, um seinen Job zu erledigen, um an die Zielperson heranzukommen, aber man hatte keine echten Freunde.

Kermit Griffin. Der Mann entwickelte sich zu einem ernsthaften Problem, das ihm auf die Nerven ging. Warum merkte der Kerl nicht, wann er verloren hatte? Und wenn er so weiter machte, würde er bald endgültig verlieren, das war Ryan absolut bewusst. Es war an ihm, das Problem zu lösen, und er hatte sich dafür schon alles zurechtgelegt, um es endlich zu beseitigen.

Eine halbe Stunde später waren sie in der Konzerthalle und drängten sich in ihrer Vorfreude weit nach vorne vor die Bühne, um mitten drin im Heavy Metal Geschehen zu sein. Springend und tanzend bewegten sie sich die nächsten zwei Stunden durch die Massen, bis das Konzert zu seinem Ende kam und beide mit roten Köpfen aus dem Saal in den Vorraum traten, wo sich unzählige Menschen zur Garderobe, dem Merchandising-Stand, den Toiletten oder der Getränketheke drängten.

* * *

Kermit starrte auf die Uhr in seinem Armaturenbrett, das Konzert sollte bald vorbei sein. Die letzten Abfragen liefen noch immer auf dem Bildschirm seines Laptops, den er auf dem Beifahrersitz der Corvair abgestellt hatte. Ungeduldig tippelte er auf dem Lenkrad und wartete entweder auf Entwarnung, oder aber auf einen Hinweis auf den Killer.

Der Gedanke, dass Cat da drin war, und wahrscheinlich auch ein Mörder, und dann noch mit Ryan Walker, ließ ihm keine ruhige Minute. Er verfluchte diesen verdammten Mistkerl, von dem er nichts wusste; und am wenigsten, ob er ihm trauen konnte. Konnte er nicht einfach wo anders hingehen und dort seine Vergangenheit vertuschen? Musste es hier in Sloanville sein, im 101. Revier, als Freund von Cat?

Peter hatte ihm gesagt, dass er einen netten Abend bei den Walkers gehabt hatte, aber das war leider noch kein Beweis. Sicher hatte Paul Recht, der junge Mann hatte eine ausgezeichnete Menschenkenntnis, aber vielleicht war er etwas verwirrt, weil seine Sinne sich davon gemacht hatten. Leider konnte auch sein Shaolin-Freund ihm deshalb keine näheren Informationen geben, die er aber unbedingt haben wollte.

Sein Notebook riss ihn aus seinen Gedanke, als es mit einem lauten Piepen einen Treffer vermeldete. Hastig ließ er seine Finger über die Tastatur gleiten und überprüfte das Ergebnis, das der Rechner ausgespuckt hatte. Dann griff er nach seinem Handy und wählte ziemlich widerwillig Walkers Nummer. Aber der war an nächsten dran und konnte ihn vielleicht stellen, wenn er ihn noch rechtzeitig entdeckte. Jedenfalls hoffte der Cop mit der Sonnenbrille das.

Es dauerte eine Weile, bis er sich meldete, mit einem unendlich lauten Getöse im Hintergrund, dass Kermit nicht mal mit viel Phantasie als Musik bezeichnen würde.

"Walker?", brüllte er ins Telefon.

"Zu laut. Moment", kam als Antwort zurück. Einen Moment später wurde der Krach leiser, und Walker meldete sich wieder.

"Der Killer. Ich habe ihn!", schrie der Ex-Söldner laut.

"Ich bin nicht taub. Sie haben ihn geschnappt?"

"Nein. Aber ich weiß, wer es ist. Ist Cat bei ihnen?"

"Sie steht neben mir."

"Geben sie sie mir", forderte der Cop sofort. Ryan rollte die Augen und reichte das Handy dann weiter.

"Hi Kermit", sagte Cat fröhlich.

"Hi Kleines. Gib mir Walker wieder." Schulter zuckend reichte sie das Handy zurück.

"Zufrieden?"

"Ja, vorerst."

"Sie wissen, wer es ist?"

"Ein Angestellter der Security-Firma. Eins-neunzig groß, braune Haare, braune Augen, stämmig. Ich bin auf dem Weg."

Schon während Kermit referierte, schaute sich Ryan analytisch um und packte Cats Arm, damit sie ihm nicht abhanden kam. Tatsächlich entdeckte er am anderen Ende der Halle einen Mann mit Sicherheitsjacke, auf den Kermits Beschreibung passte. An der Hand zog er eine junge Frau mit kurzen schwarzen Haaren hinter sich her, direkt zum Ausgang.

"Ich sehe ihn!", brüllte er ins Telefon, an dessen anderem Ende der Leitung immer noch Kermit hing, "nördlicher Ausgang, er ist schon an der Tür. Er hat sein nächstes Opfer!"

Ryan zerrte Cat hinter sich her, die nur langsam kapierte, worum es ging. Er versuchte so schnell wie möglich durch die Menschenmassen zu kommen, aber immer wieder traten Metal-Fans in den Weg und mussten erst unsanft beiseite geschoben werden.

Kermit war schon aus seinem Wagen gesprungen und losgerannt, aber einen Moment würde auch er brauchen, um endlich an der Halle anzukommen. Das Handy lag noch immer verbunden an seinem Ohr, aber er hörte nur den schnellen Atem Walkers und die Geräusche und das Getöse im Hintergrund.

"Er ist durch die Tür. Ich sehe ihn nicht mehr. Schicken sie Verstärkung!", brüllte Ryan nach einem Moment.

Kermit legte umgehend auf und verständigte die Einsatzkräfte. Unterdessen setzte Walker seinen Sprint durch die Halle mit Cat im Schlepptau fort und erreichte schließlich die Außentür.

In etwa hundert Metern Entfernung sah er den Kerl und sein Opfer in einer dunklen Gasse verschwinden, also setzte er ihnen so schnell wie möglich nach, die junge Frau auf den Fersen. "Bleib ganz dicht hinter mir!", zischte er ihr im Rennen zu.

Leise hörten sie jetzt Schreie eines Mädchens und preschten geradewegs darauf zu. Bisher schien der Killer noch nicht gemerkt zu haben, dass er verfolgt wurde, also bremste Ryan vor der Ecke ab und raffte sein T-Shirt hoch, um die Beretta aus dem Holster zu ziehen, das er auf seinem nackten und muskulösen Oberkörper angelegt hatte.

Die Schreie wurden jetzt lauter, der Cop hielt beschützend einen Arm vor Cats Körper, damit sie nicht an ihm vorbei in den Gefahrenbereich kam. Dann blickte er vorsichtig um die Ecke und sah den Kerl, wie er auf das Mädchen einschlug; sie konnte kaum älter als 16 sein. Der Cop fühlte rasende Wut durch seine Adern pulsieren, zudem wurde ihm die Situation dadurch erschwert, dass die Kleine zwischen ihm und dem Mörder stand. Er bedeutete Cat mit einem Fingerzeig, dass sie dort an der Wand stehen bleiben sollte und drehte sich dann aus seiner Deckung.

"LOSLASSEN!", brüllte er mit vorgehaltener Waffe. Leider reagierte der Typ recht schnell und warf die Spritze, die er schon in der Hand hielt, um sie dem unschuldigen Mädchen in den Körper zu rammen, in seine Richtung.

Ryan rollte sich wieder hinter die Hausecke und ließ das Ding an sich vorbei fliegen, ehe er wieder in die Gasse trat. Das Mädchen war zusammengesunken, der Kerl rannte so schnell er konnte weiter.

"Bleib bei ihr! Ruf einen Krankenwagen! Niemand darf die Spritze anfassen, sie ist HIV-infiziert!", schrie Ryan, schon im Übergang zum Sprint hinter dem Killer her.

Cat tat, wie ihr geheißen und zückte ihr Handy, um die Rettungskräfte zu informieren. Das Mädchen war mittlerweile halb bewusstlos, mit Blessuren im Gesicht und versunken in abwesende, unkontrollierte Schluchzer.

Walker hielt das Handy noch immer in der Hand, und in seiner Verfolgungsjagd klingelte es wieder.

"Ja!", keuchte er, während er hinter der nächsten Ecke grade noch sehen konnte, wie der Killer hinter der nächsten verschwand. Er kam einfach in keine Schussposition, es gab zu viele Ecken und Winkel, hinter denen sich der Kerl immer wieder verstecken konnte.

"Verstärkung ist unterwegs! Wo sind sie?", fragte Kermit hektisch, es war deutlich zu hören, dass auch er rannte. Ryan beschrieb ihm seine Position so gut er konnte und auch, in welche Richtung der Killer lief.

"Ich bin gleich da", keuchte der Ex-Söldner, "wo ist Cat?"

"Bei dem Opfer, sie alarmiert den Krankenwagen und..." weiter kam Ryan nicht, denn die Ereignisse überschlugen sich jetzt.

Als er um die nächste Ecke kam, bog der Verbrecher grade um die nächste, dort kam ihm allerdings Kermit entgegen, mit dem er heftig zusammenstieß. Schnell packte er den noch immer erschrockenen Cop, stellte sich hinter ihn und hielt ihm eine zweite Spritze an die Halsschlagader. Kermit traute sich nicht, sich zu wehren oder die Waffe hochzunehmen, zu groß war die Gefahr, dass er durch eine winzige Berührung mit dem Virus infiziert wurde. Ryan kam langsam näher, die Beretta im Anschlag.

"Fallenlassen", zischte der Security Kermit ins Ohr, was dieser nach einem Moment auch tat. Die Desert Eagle polterte zu Boden und blieb auf dem kalten Asphalt liegen.

"Sie auch! Fallenlassen", brüllte er jetzt Ryan zu, der aber war schon wieder in seiner eigenen Welt, das erkannte Kermit an seinem Gesichtsausdruck.

"Verdammt, schießen sie, Walker!", brüllte der Cop mit der Sonnenbrille ihm entgegen und versuchte, seinen Hals so weit wie möglich von der Nadelspitze wegzuziehen. Sein Kollege hatte schon bewiesen, was für ein guter Schütze er war. Jetzt konnte er das wiederholen, wenn er wirklich einer von den Guten sein wollte. Und das schnellstmöglich, bevor die Nadel doch noch seine Haut durchstach.

"Schießen sie!", wiederholte der frühere Söldner, zunehmend panisch.

Ryan hatte wieder dieses typische harte Gesicht aufgelegt, das er jedes Mal hervorkehrte, sobald er gefordert oder angegriffen wurde und das wohl aus früheren Zeiten stammte. Kermit starrte in die Augen, die über den Lauf der Pistole guckten und den Mann hinter ihm fixierten.

"Sie haben mit meiner Frau gesprochen", sagte Ryan plötzlich in einem tadelnden Ton.

Dem älteren Cop gefror nun tatsächlich das Blut in den Adern. Täuschte er sich, oder hatte sein Partner die Waffe in seine Richtung bewegt? Das konnte nicht sein. Oder doch? Die Drohung, die er damals ausgesprochen hatte, war Kermit noch deutlich in Erinnerung, und er traute ihm durchaus zu, dass er sie wahr machte.

Ryan grinste innerlich. Er hatte sich bereits alles zurechtgelegt, um die ganze Geschichte mit Kermit zu beenden, aber die Möglichkeit, die sich ihm hier bot, war noch besser. Er musste seinen Plan nicht ganz aufgeben, aber etwas abwandeln, und die neue Version schlug die alte um Längen. Spätestens jetzt würde Griffin begreifen, dass er sich nicht mit ihm hätte anlegen sollen. Schließlich hatte er ihn mehrfach gewarnt, und jetzt würde Kermit die Rechnung präsentiert bekommen

"Bauen sie keine Scheiße, Walker!", brüllte er jetzt mit leicht zittriger Stimme, er spürte, wie sich panische Angst in ihm ausbreitete. Würde Walker ihn hier und jetzt erschießen, weil er mit seiner Frau über die unklare Vergangenheit gesprochen hatte? Er konnte es anschließend durchaus als Unfall auslegen, bei dem Versuch eines solchen Schusses...

Seine Phantasie spielte ihm einen Streich und zeigte ihm Walker, wie er vor Monahan stand und völlig verzweifelt berichtete, was passiert war, wie leid ihm das tat, wie groß die Schuldgefühle waren. Dann drehte er sich weg und grinste böse über seinen Erfolg.

"Waffe runter!", meldete sich jetzt auch wieder der Killer zu Wort und wiederholte seine Aufforderung.

Kermit kehrte dadurch in die Realität zurück, er spürte die Nadel deutlich an seinem Hals, das Metall berührte die Haut und würde sie sofort durchstoßen, wenn er auch nur zuckte. Er überlegte sich grade, ob es nicht vielleicht sogar besser war, wenn Ryan ihn erschoss, als sich mit dem garantiert tödlichen Virus anzustecken.

*Warum hab ich Idiot bloß mit ihr gesprochen*, fluchte er in Gedanken und starrte in die Mündung von Ryans Beretta, in dessen kaltes und todbringendes Gesicht, in die starren Augen. Spätestens jetzt war klar, dass er nie übertrieben oder geblufft hatte.
Diesem Mann war alles zuzutrauen.
Alles.

 

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