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Teil 35 Autor: Ratzenlady |
Eine knappe Stunde nach Sonnenaufgang hörten die beiden Männer Schritte in der oberen Etage. "Paul ist wach", meinte Kermit nebenbei, aber Peter berichtigte ebenso abwesend: "Nein, das ist Cats Zimmer." Dann plötzlich sahen sie einander erschrocken an. Die Schritte waren viel zu kraftvoll für die zierliche junge Frau, außerdem klangen sie jetzt wie von mehr als einer Person. Sie sprangen von ihren Sitzplätzen auf und wollten zur Treppe, als Peter seinen Freund am Ärmel packte. "Wer löst dich ab?", fragte er flüsternd. "Ryan. Aber erst in drei Stunden", antwortete der ebenso leise und beide Männer zogen umgehend ihre Handys aus den Taschen. Aber bevor sie auch nur eine Taste drücken konnten, erschien direkt vor ihnen am Ende der Treppe Cat, festgehalten von einem schwarz angezogenen, vermummten Mann mit einer Uzi. "Fallenlassen!", donnerte er Peter und Kermit entgegen. Dem jungen Shaolin zerbrach es das Herz, als er in die panischen Augen seiner Frau sehen musste, die nicht verstand, was hier grade passierte, nicht hören konnte, was gesprochen wurde, auch wenn es bisher nicht wirklich viel gewesen war. Die Mobiltelefone landeten auf dem Fußboden, dann rannten zwei weitere Männer die Treppe runter, während der hinter Cat stehen blieb. Der eine drängte sie mit seiner Maschinenpistole ins Wohnzimmer zurück, während der andere die Haustür öffnete. Noch immer waren oben Schritte zu hören, es waren also noch viel mehr Leute im Haus. Kermit erkannte mit einem schätzenden Blick, dass es sich um Söldner handelte. Durch die Eingangstür trat jetzt der Anführer ein, mit seinem Hut und dem Trenchcoat mit dem hochgeschlagenen Kragen, war sein Gesicht noch nicht zu erkennen. Er trat flankiert von zwei weiteren Söldnern ins Wohnzimmer, wo man Peter und Kermit noch mit der Waffe in Schach hielt. Sofort machten sich die beiden daran, mit geübten Handgriffen ihre Geiseln zu durchsuchen und von allen Waffen zu entledigen. Zornig bissen sie ihre Zähne zusammen, sagten aber noch nichts, vielmehr schwirrten ihre Gedanken aktuell darum, wo es vielleicht Überwältigungsmöglichkeiten gab. George winkte den Kerl an der Treppe runter, und man hörte deutlich mehrere Paar schwerer Stiefel herunterkommen. Peter und Kermit wurden rüde auf Sofa geschubst, während im Zugang Cat, Paul und Annie von jeweils einem Bewaffneten in den Raum geschoben wurden, die beiden Frauen mit ziemlich verstörten Gesichtern. Annie war anzusehen, wie unangenehm es ihr war, dass sie ihre Sonnenbrille nicht auf der Nase hatte, und Cat blickte einfach nur panisch von einem zum anderen. "Habt ihr sie durchsucht?", fragte George leise, noch immer ohne sein Gesicht zu zeigen, aber die Stimme verriet ihn und sorgte dafür, dass Peters Gesicht kirschrot anlief vor lauter Hass und Zorn. "Haben wir", antwortete der, dessen Waffe auf Pauls Hinterkopf zielte, der die ganze Situation misstrauisch und mit zunehmender Sorge beobachtete. Er zählte sie durch, die Eindringlinge in seinem Haus, und kam auf acht Söldner, einen definitiven Nicht-Söldner und eben George. Insgesamt zehn Mann, die abgesehen von ihrem Boss schwer bewaffnet und sicherlich gut ausgebildet waren. George, dessen Gesicht noch immer verdeckt war, ging jetzt auf Cat zu, die man nur mit ihren Hotpants und einem großen T-Shirt bekleidet aus dem Bett gezerrt hatte. Der Shaolin beobachtete die Szene wütend, sah, wie die Verbrecher sie mit lüsternen Blicken musterten und wäre am liebsten aufgesprungen, um sie alle persönlich umzubringen. Direkt vor den Augen seiner Frau hob der Anführer jetzt schnell den Kopf und brüllte ihr ein lautes "Buh" ins Gesicht. Cat schrie gellend auf, als sie in sein dämonenhaftes Antlitz blicken musste, Peter sprang auf die Beine und hatte sofort eine Uzi vor den Augen. "Hinsetzen!", warf ihm George entgegen, der sich jetzt zu ihnen umdrehte und für einen Moment der Sprachlosigkeit sorgte. Dann drehte er sich wieder zu Castor und begann schallend zu lachen, direkt in ihr panisches Gesicht, das mit großen Augen und zittrigen Zügen schrecklich aussah. Peter stand noch immer, die Waffe im Gesicht, den Kiefer so fest zusammengepresst, dass es schon weh tat. Mit aller inneren Kraft hielt er sich selbst davon ab, nach vorne zu springen und George an die Gurgel zu gehen, dessen Lachen noch immer den Raum erfüllte. "Setzen sie sich, Caine! Oder das dritte Todesopfer wird es schneller geben, als ich es geplant habe", drohte George jetzt offen. Äußerst widerwillig ließ er sich wieder neben Kermit aufs Sofa sinken. Er musste ruhig bleiben, das beschwor er innerlich wie in einer Endlosschleife. *Das dritte Todesopfer* wiederholte er jetzt in Gedanken. Offenbar glaubte der Mistkerl, dass es Jody und Ryan tatsächlich erwischt hatte, oder aber es gab etwas, von dem sie nichts wussten... Peter dachte an Skalany, an Blake, an alle anderen, die dank ihm in Georges Schusslinie standen. Kermit hatte denselben Gedanken bei Georges Bemerkung, und auch er konnte nicht ahnen, ob nicht vielleicht etwas anderes noch passiert war. Aber der Heckenschütze war geflohen, ehe Ryan aufgewacht war, also konnte es gut möglich sein, dass er dachte, dass sein Kollege durch einen Kopfschuss ums Leben gekommen war. Und auch bei Jody war es durchaus möglich, dass George glaubte, sie wäre tot. Er sah zu Paul rüber, der die Andeutung überhaupt nicht verstand, schließlich hatte er nicht mitbekommen, was ihm und Ryan zu Beginn der letzten Nacht passiert war. Und auch Annie zog die Stirn kraus. Nur Cat reagierte nicht darauf; wie auch, sie stand nach wie vor mit bebendem Körper dort und starrte ängstlich vor sich. Allein dieser Anblick, und die ganze Situation, ließ rasende Wut in dem Cop aufsteigen. Dazu kam, dass er der zum Schutz aller abgestellte Detective gewesen war, ER hätte aufpassen müssen, ER hätte bemerken müssen, dass in das Haus eingedrungen wurde. Aber er hatte sich überrumpeln lassen, und sollte dieser Morgen ein verhängnisvolles Ende nehmen, wäre es seine Schuld. "Setzt sie hin", wies George jetzt seine bezahlten Mitarbeiter an, "die wunderschöne Mrs. Caine hier auf den Sessel. Blaisdell dort drüben hin, und seine Frau hier." Er platzierte sie so, dass die Frauen einzeln auf den Sesseln saßen und somit außer Reichweite ihrer Männer, die ihnen vielleicht noch etwas Trost hätten zusprechen können. "Was zur Hölle wollen sie hier?", knurrte Paul jetzt zornig. George fuhr zu ihm herum, sein Gesicht, oder das was davon übrig war, hatte sich wütend verzerrt. "Sehen sie mich an, Blaisdell! Und dann sagen sie mir, dass sie nicht wissen, warum ich Rache will?!", donnerte er ihm laut entgegen, sodass Annie zusammenzuckte, sich aber sofort wieder straffte. "SEHEN SIE MICH AN UND SAGEN SIE MIR, DASS ICH DIESE RACHE NICHT VERDIENT HABE!", brüllte er ihm nun noch lauter ins Gesicht. Paul starrte ihn einfach nur regungslos an, auch seine Augen zeugten jetzt von unbändiger Wut. George zog eine Pistole aus seinem Hosenbund und hielt sie Paul direkt vor die Nase, mit leisem Klicken spannte er den Hahn. Peter wollte neben ihm aufspringen, aber Paul packte ihn so fest, dass er es nicht konnte, damit er nicht überreagierte. Stattdessen hielt er dem Blick des Verbrechers hart stand und ließ sich äußerlich nicht von der Waffe beeindrucken. Cat starrte mit angsterfüllten Augen auf das, was sich zutrug. Sie konnte nicht hören, worüber gesprochen wurde, und das machte ihr furchtbare Angst. Zwar konnte sie an der Mimik sehen, dass sie wütend waren, dass sie vielleicht schrieen, aber sie hatte keine Ahnung, worum es ging. Sie konnte ihre Gefühle nicht mehr kontrollieren, der Schreck, als sie plötzlich geweckt worden war und zwei Männer mit Waffen vor ihr standen, steckte noch immer in ihren Gliedern, dazu kam das alles hier im Wohnzimmer, das sie einfach nicht nachvollziehen konnte. "Wenn sie mich umbringen wollen, dann tun sie's! Aber halten sie die anderen da raus!", zischte Peter jetzt böse und war schon wieder drauf und dran, sich zu erheben, aber sein Vater ließ es nicht zu. "Sie haben es immer noch nicht verstanden, Caine! Es geht nicht nur um Rache. Kein Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn. Es geht auch um Schmerz. Schmerz, wie er mir zugefügt wurde; an diesem Ort, an den sie mich verbannt haben. Und diese Schmerzen werde ich ihnen zurückgeben, mit jedem Blutstropfen, den ich aus ihren Lieben herauspressen werde", erklärte George eiskalt und nahm die Waffe dann runter. Er schlenderte zu dem Sessel, in dem Cat saß und stellte sich dahinter. Fast schon behutsam legte er seine Hände auf ihre schmalen Schultern. Sie begann zu zittern. "Nimm die Finger von ihr, oder ich bringe dich um!", sagte Peter sofort gepresst. Die Wut in ihm glich einem Vulkan, der jederzeit ausbrechen konnte. "Mein lieber Caine, sie scheinen an Wahnvorstellungen zu leiden. ICH bin hier der Mann mit der Waffengewalt. ICH bin der, der SIE ALLE umbringen wird. Aber eines nach dem anderen", säuselte er und presste dann seine Finger fest in die Schultern. Cat riss den Mund auf und sank immer tiefer in den Sessel, das Gesicht eine schmerzhaft verzerrte Maske. Peter war nicht mehr zu halten und sprang auf die Beine, aber der Söldner neben ihm schlug ihm umgehen und absolut zielsicher gegen seine angeknacksten Rippen. Keuchend und sich selbst vor Schmerzen windend fiel er zurück auf die Couch, wo Paul ihn stützte. "Du verdammter Scheißkerl! Ich werde dich umbringen", brüllte er gedrungen. Dann suchte er den Blickkontakt zu seiner Frau, die aber ihre Lider fest zusammengepresst hatte, den Mund zu einem stummen Schrei geöffnet. Immer noch grub George seine Finger mit aller Gewalt in ihre Schultern. Auch Kermit fiel es schwer, das mit anzusehen, ebenso wie Paul. Aber sie hatten keine Wahl, eine falsche Bewegung und sie waren vermutlich tot. Und es galt, möglichst viel Zeit zu schinden, bis Ryan kam. Vielleicht würden sie bis dahin alle überleben können. Endlich ließ er die junge Frau los, die sich sofort zusammenzog, ihre Hände über kreuz auf den Schultern, die Beine angezogen, den Kopf auf den Knien angelegt. "Soweit ich weiß, ist sie doch nur taub. Aber offensichtlich auch stumm. Da muss ich mir wohl was Neues überlegen, um sie zum Schreien zu kriegen", überlegte George laut und mit einer sichtbaren Freude daran. "Oh Gott, hören sie doch auf damit!", schaltete sich jetzt Annie verzweifelt ein, sehr zum Missfallen der drei Männer. Am liebsten hätten sie interveniert, um die Aufmerksamkeit, von ihr abzulenken, aber der Gangster ging jetzt schon zu ihr rüber. Die blinde Frau folgte seinen Schritten und man konnte meinen, dass sie ihn mit geschlossenen Augen ansah. "Sie können das nicht verstehen, Mrs. Blaisdell. Sie sind blind. Sie haben keine Ahnung, warum ich Rache will. Aber ich will ihnen gerne helfen", sagte er und ging vor ihr in die Hocke. Dann packte er ihre Hände und zog sie an sein Gesicht. "Aber ich warne sie; kommen sie nicht auf die Idee, mich zu kratzen oder irgendetwas anderes Böses zu tun. Hier stehen neun bewaffnete Männer, die aus ihnen, ihrem Mann, ihrem Sohn, ihrer Schwiegertochter und Griffin schneller Schweizer Käse machen, als sie das Wort auch nur sagen können", drohte er offen und legte ihre Fingerspitzen dann gewaltsam auf das Narbengewebe. Mit Ekel und Abscheu ließ Annie ihre Hände über sein Gesicht führen, bis sie sie endlich wieder zurückziehen durfte. Sie hatte es jetzt eine Vorstellung davon, wie er aussah, aber sie hätte es lieber nicht gewusst. Jetzt war es Kermit, der Paul diesmal zurückhalten musste, weil der frühere Captain am liebsten offen auf George losgegangen wäre, koste es, was es wolle. Die drei Männer saßen auf der Couch und mussten hilflos zusehen, wie George ihre Frauen malträtierte. Und jeder von ihnen hatte das ungute Gefühl, dass das, was bisher passiert war, nur der Anfang einer scheußlichen und letztendlich wahrscheinlich auch blutigen Odyssee war.
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