Teil 18
Autor: Ratzenlady
 

Eigentlich hatte er noch warten wollen. Nur noch ein paar Minuten. Aber aus irgendeinem verdammten Grund war auf einmal das grüne Kermit-Mobil aufgetaucht und hatte ihn gezwungen, schnell zu reagieren.

Erst beim näheren Nachdenken öffneten sich ihm die positiven Seiten der Angelegenheit. Jetzt stand Caine da unten, auf dem Hof, und musste zusehen, was passierte. Musste vielleicht sogar das verbrannte Fleisch riechen, wenn es nach ihm persönlich ginge.

Schnell hatte er den kleinen schwarzen Kasten zur Hand genommen, als die Corvair quietschend angekommen war, und auf den roten Knopf gedrückt. Es hatte funktioniert. Ein Feuerball hatte sich aus der unteren Etage gedrückt, direkt vom Gasbrenner her. Seine beiden Mitarbeiter hatten ganze Arbeit geleistet. Er hätte sie auch getötet, wenn sie Mist gebaut hätten.

Noch immer stand er vor dem Fenster und sah auf das Feuer hinab, sah die beiden Männer, wie sie zurückgeschleudert wurden und wieder aufstanden. Wie sie erstarrten und einfach nur dem Feuer zusahen, welches sich unbarmherzig nach oben fraß.

Die Flammen spiegelten sich in seinem Gesicht, aber keiner sah zu ihm hoch oder vermutete ihn dort. Noch wussten sie nicht, dass er wieder da war, dass er es aus der Hölle zurück geschafft hatte in diese Welt. Aber auch das sollte sich heute noch ändern. Zunächst aber sah er dem Schauspiel zu und ergötzte sich an dem Leid und dem Schmerz, das sich auf der anderen Straßenseite bot.

"Und die Rache wird mein sein", murmelte er und verlor sich selbst in einem hysterischen Lachen.

* * *

Kermit zog sein Handy aus der Tasche und wählte den Feuerwehrnotruf, während Peter sich schon wieder auf das Haus zu bewegte. Der Cop rief seinem Freund eine Warnung hinterher, die aber ungehört blieb. Allerdings musste er zugeben, dass er sich auch nicht zurückhalten lassen würde, sollte seine Frau in dem brennenden Haus stecken. Einen kurzen Gedanken an Karen wischte er sofort beiseite, dafür war jetzt beileibe keine Zeit.

Aktuell aber konnte er besser helfen, wenn er die Feuerwehr verständigte, was er mit kurzen, sachlichen Sätzen auch schnell tat. Unterdessen hatte Peter die Hälfte der Treppe erklommen, einen Arm vor Feuer und Hitze schützend vor sein Gesicht gelegt, als eine weitere Explosion das Haus erbeben ließ.

Direkt über dem Kopf des Shaolins wurden drei Quadratmeter Wand schlagartig nach außen gedrückt und rissen die Treppe mit sich, sie wurde entzwei geteilt und der untere Part, auf dem sich Peter befand, wurde aus der Verankerung gesprengt und bog sich von der Hauswand weg.

Völlig überrascht von der Nachexplosion hatte Peter das Gleichgewicht verloren und fiel über den Rand des Geländers. Im letzten Moment konnte er sich mit der linken Hand daran festhalten, rutschte dann aber ab und fiel einige Meter auf den Asphalt. Geistesgegenwärtig knickte er dort umgehend ein und rollte sich über die Schulter, um sofort wieder auf die Beine zu kommen.

Kermit war unter der erneuten Detonation zusammengezuckt und dann zu Peter geeilt, der schon wieder auf den Füßen stand und völlig entsetzt und hilflos an dem Gebäude und der zerstörten Treppe hoch schaute. An der Stirn hatte er eine blutende Wunde, die er aber selbst noch nicht bemerkt zu haben schien.

"Die Feuerwehr ist unterwegs", sagte Kermit schnell und legte Peter die Hand auf die Schulter, "und der Krankenwagen auch."

Der Shaolin sah zu ihm rüber, als hätte sein Freund den Verstand verloren. Um etwaige zornige Gefühlsausbrüche zu vermeiden, fügte Kermit noch schnell an, dass ja auch Peter verletzt war. Es wäre gefährlich für den mentalen Zustand des Shaolins gewesen, zu erwähnen, wie es um seine Frau stehen konnte.

Flammen loderten jetzt hoch und spitz aus jeder Öffnung des Gebäudes, den gesprengten Türen, den zerborstenen Fenstern. Der ganze Innenhof war in ein helles, rotes Licht getaucht, schwarze Wolken stiegen in den Nachthimmel.

Peter löste ein weiteres Mal von Kermit und ging wieder auf die Treppe zu, die nun im Nichts endete und keinen Weg mehr in die oberste Etage bot. Aus diesem Grund hielt der Ex-Söldner ihn auch aufgeregt fest und zerrte ihn zurück.

"Peter hör' auf, das ist Wahnsinn!", schrie Kermit ihn an.

"Ich kann sie doch nicht einfach da oben lassen! Ich muss sie da rausholen!", schleuderte er ihm entgegen und wollte sich schon wieder auf machen, aber Kermit umpackte ihn fest, wohl wissend, dass Peter sich vermutlich mühelos würde befreien können würde, wenn er wirklich wollte. Aber er zappelte nur wild in dem Griff und schrie zornig um sich, dass Kermit ihn loslassen sollte, was dieser selbstverständlich nicht tat.

Mit stetig lauter werdendem Sirenengeheul rauschten jetzt zwei große Leiterwagen der städtischen Feuerwehr in den Innenhof. Kermit ließ Peter los und hoffte, dass dieser jetzt die Fachleute machen lassen würde, so wie ihm selbst auch nichts anderen übrig blieb. Aber er stürmte sofort auf den Feuerwehrmann zu, der in ihre Richtung kam.

"Meine Frau ist da noch drin!", sagte er hektisch und zeigte auf das obere Geschoss. Kermit war hinter seinem Freund her geeilt und stand nun bei ihm.

"Wo genau? Und befinden sich noch andere Personen im Haus, von denen sie wissen?", fragte ihr Gesprächspartner und machte eine beruhigende Geste mit seinen Händen.

"Nein, es... es ist nur die oberste Etage von uns bewohnt. Sie müsste im Schlafzimmer sein, die erste Tür auf der rechten Seite. Vielleicht aber auch im Wohnzimmer, die zweite Tür, ich weiß nicht genau... ich war nicht zu Hause, ich...", stammelte er hektisch und hilflos verzweifelt zugleich, "ich war nicht da." Die letzten Worte waren kaum mehr ein Flüstern, ein leiser Vorwurf an sich selbst.

Die große Drehleiter wurde nun ausgefahren, mit zwei Feuerwehrleuten in voller Montur inklusive Atemschutzgerät besetzt. Langsam drehte sich der Korb auf das Haus zu und stieg immer höher. Sorgenvoll schauten die Männer ihm nach. Kermit wusste nicht, ob Peter schon einen entsprechenden Gedankengang gehabt hatte, aber ihn persönlich beunruhigte am meisten, dass man Cat nicht einmal hatte schreien hören, dass sie nicht irgendwo an einem Fenster oder einer Tür erschienen war und nach Hilfe gerufen hatte. Angst machte sich in ihm breit, umklammerte mit kalter Hand sein Herz und drückte seinen Brustkorb zusammen. Und er war sich sicher, dass es Peter noch wesentlich schlechter mit der Situation ging als ihm.

Fahrig fuhr sich Peter durch die Haare und schaute dem Korb hinterher, der gefühlte Stunden brauchte, um endlich an der Eingangstür ihrer Wohnung zum Stillstand zu kommen. Immer wieder züngelten Flammen aus der Öffnung, von dem Türblatt war kaum noch etwas übrig.

"Oh mein Gott", flüsterte Peter leise, Kermit nickte neben ihm. Fassungslosigkeit breitete sich in ihnen aus, Peter versuchte, an gar nichts zu denken, sich nicht vorstellen zu müssen, was mit seiner Frau eventuell passiert war. Er hoffte noch auf das Wunder, dass die Feuerwehr sie unverletzt herausholen würde, auch wenn die Feuerpracht das nicht wirklich vermuten ließ.

Kermit aber spann die Gedanken weiter, auch wenn er es nicht wirklich wollte. Man hatte kein Lebenszeichen von Cat bekommen, also war sie vermutlich nicht bei Bewusstsein. Und das hieß, dass sie irgendwo lag und den Rauch einatmete, und das besonders bei ihrer Erkältung wiederum… gewaltsam vertrieb er die Überlegung und rieb sich die Augen.

Der Krankenwagen rollte jetzt neben den Leiterwagen und zwei Sanitäter und ein Notarzt sprangen heraus. Vorsorglich wurde die Trage herausgeholt und der Arzt stand mit seinem Koffer bereit, um sofort mit der Versorgung beginnen zu können, sobald Cat bei ihm war.

"Was dauert denn da so lange?!", entfuhr es Peter ungeduldig, er begann hin und her zu laufen und sich die Haare zu raufen, ohne den Blick auch nur eine Sekunde von seiner Wohnung abzuwenden. In seinem Inneren wirbelte alles durcheinander, die Angst um seine Frau bereitete ihm körperliche Schmerzen, ein Gefühl von Vakuum umschlang ihn und seine Organe zogen sich zusammen.

Vor seinen Augen loderten die Flammen aus den Fenstern und Türen, sein Blick verschwamm und er sah nur noch Feuer. Schemenhafte, orangerote Bewegungen, die wie Schatten ihren Weg gingen, unaufhaltsam. Bilder der Vergangenheit tauchten vor ihm auf, Szenen des Tempelbrands, die schreienden Mönche hallten in seinen Ohren wider, Gesteinsbrocken flogen durch die Luft.

Kermit schaute betreten zu, wie Peter mehr und mehr neben sich stand. Als sein Freund aber immer blasser wurde und anfing zu zittern, ging er zu ihm rüber. Noch hatte er keine Ahnung, welche Worte er zu ihm sagen konnte, denn beruhigen konnte er den Shaolin voraussichtlich nicht.

"Peter, alles klar?", fragte er besorgt, und in dem Moment als die Frage seinen Mund verlassen hatte, verfluchte er sich dafür.

Peter fuhr sofort zu ihm herum, seine Pupillen waren weit, sein Blick leer. Dann aber kehrte Leben darin zurück.

"Was? Nein, verdammt! Nichts ist klar! Cat ist da oben, und die Feuerwehrleute kommen nicht wieder raus, und… und…", er zitterte jetzt stärker, dann sackten seine Knie unter ihm weg.

Schnell packte der frühere Söldner nach seinem Oberarm und hielt ihn so fest, bis er sich nach ein paar Sekunden wieder selbst auf die Beine bringen konnte. Tränen glänzten in seinen Augen, er führ sich über das Gesicht und sah Kermit entschuldigend an.

Er musste sich nicht entschuldigen. Der Cop konnte die Panik deutlich nachvollziehen, empfand sie selbst, wenn auch wahrscheinlich nur von einen Bruchteil dessen, was sich in Peter zutrug. Kermit hatte Mühe, seinem Freund eine Stütze zu sein, denn auch in ihm brach langsam alles weg. Wenn Cat jetzt starb, nur weil ER mit Ryan und Peter einen trinken gehen wollte…

Die anderen Feuerwehrleute hatten ihre Schläuche ausgerollt und damit begonnen, das untere Geschoss zu löschen, dort wo die erste Explosion stattgefunden hatte. Dicke Qualmwolken stiegen jetzt vor dem Mauerwerk empor, ließen das obere Ende der Drehleiter kaum noch erkennen. Die zweite Leiter wurde jetzt auch ausgefahren, darauf ein Mann mit einem Schlauchende in der Hand, damit er sofort beginnen konnte, sobald seine Kollegen aus dem Gebäude kamen.

Das alles passierte innerhalb weniger Minuten, auch wenn die Zeitspanne für Peter und Kermit unendlich lang wirkte. Endlich kamen die beiden Männer wieder aus dem brennenden Loch, das früher mal Peters und Cats Eingangstür gewesen war. Einer der beiden Männer trug die junge Frau, ihre Arme hingen schlaff an ihrer Seite, ihr Kopf baumelte regungslos. Peter sah sie trotz Qualm so scharf und deutlich, dass es ihn ins Herz schnitt, ihr nur mit einem Slip und einem engen kurzen T-Shirt bekleideter Körper war rußig und staubig, ihre Augen waren fest geschlossen. Einer der beiden Retter hatte ihr eine Atemmaske aufgesetzt, die an seinem Gerät angeschlossen war und versorgte ihre Lungen mit Sauerstoff.

Peter wusste nicht, ob das eine normale Verfahrensweise war, oder ob es bedeutete, dass seine Frau sicher lebte, denn aktuell konnte er außer seinen eigenen Angst nichts spüren, so sehr er auch ein sicheres Gefühl haben wollte, dass sie zumindest am Leben war. Die Prüfung kam ihm wieder in den Sinn, und der Zorn darauf, dass sie genau jetzt stattfand. Vielleicht wäre die Vision früher eingetreten, wenn er bei vollen Kräften gewesen wäre. Vielleicht hätte er die Gefahr kommen sehen.

Peter wollte vorwärts, um zu seiner Frau zu kommen, als der Tragekorb der Drehleiter herunterkam, aber die Sanitäter und auch zwei weitere Feuerwehrleute schoben ihn beiseite. Bevor er sich gewaltsam dagegen erwehren konnte, packte Kermit ihn wieder von hinten an der Jacke und hielt ihn fest.

Cats Gesicht war regungslos, ihre Lider waren noch immer fest verschlossen, ihre Haut unter der dunklen Rußschicht unglaublich blass, ein paar Schürfwunden verteilten sich über ihren Körper. Peter zog noch immer in Kermits festem Griff, sein Atem raste und sein Körper bebte um den jungen Mann. Dem früheren Söldner ging es ähnlich, auch er hatte das Gefühl, dass ihm sein Herz in die Hose rutschte, aber aktuell war es an ihm, die Umsicht zu behalten und seinen Freund zu beruhigen. So schwer das auch fiel.

"Peter, lass sie machen!", versuchte er in einem beruhigenden Tonfall auf ihn einzureden, aber der Shaolin reagierte nicht darauf. Grade als er es noch mal probieren wollte, trat Lo Si dazu, wo auch immer er plötzlich hergekommen war, und legte Peter eine Hand auf die Schulter, aber noch immer gab es kein Anzeichen, dass er jetzt sie beide wahrnahm.

Der Shambhala-Meister warf Kermit einen Blick zu, der ihn auf eine merkwürdige Weise wissen ließ, was der alte Chinese vorhatte. Der Cop löste seine Hände aus der Jacke, aber bevor Peter auch nur einen Schritt machen konnte, drückte der Alte seine Schulter und er fiel bewusstlos in Kermits Arme.

Als sich der Ex-Söldner bei dem Shambhala-Meister bedanken wollte, war dieser schon wieder verschwunden. Er schüttelte kurz den Kopf, warf einen Blick in Richtung des Notarztes, der mit seinen Sanitätern hektisch um die Trage rotierte und alles tat, um das Leben der jungen Frau zu retten. Kermit hob Peter an, legte ihn über seine Schulter und ging in Richtung der Corvair, als ein weiterer Krankenpfleger zu ihm kam.

"Was ist ihm passiert?", fragte er und wollte sich um den Shaolin kümmern, wurde aber abgewiesen.

"Es geht ihm gut, wir haben ihn nur beruhigt. Wann fahren sie ab?", hakte er rüde nach.

"Gleich", damit ging er wieder und der Cop setzte Peter behutsam auf den Beifahrersitz, als ein Wagen des 101. Reviers auf den Hof geschossen kam. Mit entsetzten Gesichtern stiegen Jody und Skalany aus und blickten an dem Flammenmeer empor, dann zum Krankenwagen und der Corvair.

"Kermit, was um Gottes Willen ist denn hier…"

"Das siehst du doch!", blaffte er sie an und rieb sich die Augen. Nein, das war der falsche Weg.

"Entschuldigt. Es gab eine Explosion, Cat wird behandelt, ich habe keine Ahnung was mit ihr ist, Peter wurde vom Ehrwürdigen schlafen geschickt, weil er sonst ausgerastet wäre."

*So wie ich gleich*, fügte er in Gedanken hinzu. Die innere Spannung und Unwissenheit über Cats Schicksal fühlten sich scheußlich an, so als würde es ihn früher oder später zerreißen. Und es war seine Schuld. Sein Vorschlag, ins Delancys zu gehen, obwohl er doch gewusst hatte, dass jemand hinter Peter her war. Wie hatte er nur so dumm sein können?!

"Ich fahr mit Peter jetzt ins Krankenhaus. Tut mir den Gefallen und bleibt hier und kümmert euch um alles! Ich will, dass die Spurensicherung alles durchkämmt! Wenn das ein einfacher Gas-Unfall war, bin ich Mickey Mouse!", gab er grob Anweisung und warf dann einen Blick zum Krankenwagen, bei dem grade die hinteren Türen zugeworfen wurden.

"Bis später!", sagte er nur gedrückt, dann sprang er in die Corvair und fuhr mit lautem Sirenengeheul hinter dem Rettungswagen bis vor die Notaufnahme.

Da Peter noch bewusstlos war, entschied er sich dazu, den Wagen doch regulär zu parken und seinen Freund dann gegebenenfalls erneut zu tragen. Grade als er auf dem Parkplatz den Motor ausmachte, wurde der Shaolin wieder wach und sah hektisch um sich.

"Was ist… wo… wie…Cat…", stammelte er entsetzt.

"Ganz ruhig, wir sind am Krankenhaus. Der Alte hat dich schlafen geschickt. Cat wurde grade eingeliefert", erklärte er so ruhig wie möglich.

"Was? Warum? Cat? Ich…" begann er von neuem.

Kermit packte nach seiner Schulter und drückte sie fest. "Peter! Du wärst sonst durchgedreht. Es war nur zu deinem Besten. Cat wird behandelt, also lass uns reingehen und warten, was die Ärzte sagen, ok?", versuchte er ein weiteres Mal, etwas Ruhe einkehren zu lassen.

Peter sah ihn einen Moment an, dann fuhr er sich durch die Haare und nickte schließlich langsam. "Was zur Hölle ist da passiert?" fragte er auf halbem Weg abwesend.

Kermit beobachtete ihn schon die ganze Zeit im Augenwinkel, der junge Mann stand total neben sich, war kaum noch zu erkennen, blass und gebrochen wirkte er etliche Jahre älter.

"Ich weiß es nicht, Peter. Aber wir werden es herauskriegen. Die Spurensicherung ist schon dran", sagte er, ohne zu wissen, ob der Brand überhaupt schon vollständig gelöscht war. Aber mit diesen Nebensächlichkeiten wollte er ihn jetzt nicht auch noch belasten.

"Glaubst du, dass es ein Unfall war? Eine Gasexplosion?", fragte er weiter.

Der Cop wünschte sich, dass sein Freund damit aufhören und sich die Qual ersparen würde, aber er kannte ihn auch zu gut, um wirklich darauf zu hoffen.

"Ich weiß es nicht, Peter."

"Ich habe nicht gefragt, ob du es weißt, sondern ob du es GLAUBST!", brüllte er übermäßig wütend, fing sich wieder, fuhr sich durch die Haare und entschuldigte sich leise.

"Hör auf, dich selbst fertigzumachen, Peter. Das hilft uns jetzt nicht weiter", sagte er ruhig und betrat die Notaufnahme durch die automatischen Schiebetüren.

"Bitte, Kermit. Sag mir einfach, was du denkst", bat er verzweifelt.

Er wollte nicht antworten, aber er konnte auch nicht schweigen. "Ich glaube nicht an Unfälle, das weißt du. Aber ich halte die Füße still, bis ich Ergebnisse von der Spurensicherung habe", sagte er wahrheitsgemäß, so schwer es ihm fiel.

Peter nickte nur abwesend und sah sich dann in der Notaufnahme um. Kermit ging zielstrebig auf den Tresen der Schwestern zu und erkundigte sich nach Cat, die nach Aussage des Personals noch behandelt wurde.

"Setz dich, Partner, ich geh mal gucken, ob ich uns einen Kaffee organisieren kann, ok?", meinte der Ex-Söldner aus purer Hilflosigkeit nicht zu wissen, was er sonst tun konnte. Peter nickte abwesend.

"Kann ich dich allein lassen?", hakte er noch mal nach und zwang ihn zumindest so, ihm in die Augen zu sehen.

"Ja, geh ruhig. Ich werde hier warten, bis der Arzt kommt", sagte er tonlos und starrte dann auf den Boden vor sich, während Kermit sich entfernte.

Seine Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf, Selbstvorwürfe nagten an seinem Herzen und ließen ihn körperliche Schmerzen spüren. Warum war er nicht zu Hause geblieben? Warum hatte er unbedingt ins Delancys gewollt? Und warum, -gottverdammt-, hatte er zu spät gespürt, was passieren würde?

Wut kochte erneut in ihm hoch, Wut auf die Prüfung, die ihm seine Sinne geraubt hatte. Er war überzeugt, dass er die Explosion früher geahnt hätte, wenn sein Instinkt intakt gewesen wäre. Dann hätte er die Bedrohung gespürt, hätte seine Frau retten können.

Seine Hände bildeten Fäuste und ließen die Knöchel weiß hervortreten, sein Kiefer presste sich mit aller Kraft zusammen, auf seiner Stirn traten einzelne Adern hervor, seine Augen starrten lodernd auf den Fußboden.

"Bewegen sie sich nicht, oder es werden viele Menschen sterben", sagte plötzlich eine kalte Stimme hinter Peter und riss ihn aus den Gedanken. Er fuhr in seinem Stuhl hoch und versteifte sich, seine Fingernägel pressten sich noch fester in die Handflächen.

"Meine Leute sind hier im Krankenhaus, und wenn sie etwas Falsches tun, werden sie um sich schießen", warnte die Stimme vor.

Peter wusste, dass es stimmte. Dieser Mann, den er sofort an dem gewissenlosen Tonfall erkannt hatte, machte keinen falschen Versprechungen. In seinem Bauch sammelte sich Wut, am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte ihm den Hals umgedreht. Er saß hinter ihm. Der Mann, der mit Sicherheit für alles verantwortlich war, saß hier und ihm waren die Hände gebunden. Der Zorn in seinem Inneren wurde umgehend zu Hass.

"Es hat mich sehr getroffen, als ich vom Tod ihres Vaters gehört habe. Ich hätte sehr gern selbst daran teilgehabt", säuselte er.

Peter atmete tief durch, aber es fiel ihm schwer sitzen zu bleiben. Sein Brustkorb hob und senkte sich heftig, kalte Wut ließ seinen Magen verkrampfen. Er war hier her gekommen, ins Krankenhaus! Um ihn zu verhöhnen und sich an seiner Qual zu weiden! Und der Shaolin konnte nichts tun, weil er glauben musste, was er ihm sagte, weil er damit rechnen musste, sonst viele Menschenleben auf dem Gewissen zu haben. Aber trotzdem fiel es ihm unendlich schwer, sich nicht rumzudrehen und dem Mann das Genick zu brechen.

"Sie waren das!", zischte Peter hasserfüllt.

Diese Tatsache, dass er sich das untätig anhören musste, ließ ihn rasend werden. Seine Gedanken schwirrten wild, verschwammen, verhinderten jeden klaren Gedanken. Sein ganzes Innenleben wurde von brennendem Hass regiert.

"Sie haben mein Leben zerstört! Sie und ihr Vater! Und jetzt werde ich ihres zerstören. Stück für Stück werden sie alles verlieren, was sie lieben! Und zuletzt ihr Leben", gab der Boss zurück.

"Wenn meine Frau…"

"…sterben sollte?", beendete er mit leichtem Tonfall den Satz, sodass Peter noch zorniger wurde, fast blind vor Wut bebte seine Stimme.

"…dann bring ich sie um! Ich schwöre ihnen, ich bring sie um!", presste er zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor.

"Das haben sie schon mal versucht, und es hat nicht funktioniert. Also machen sie sich keine falschen Hoffnungen, denn diesmal werden meine Pläne funktionieren. Zwar hatte ich nicht geplant, sie hier zu treffen, denn eigentlich sollte ihre Frau tot und verbrannt sein, aber das war nur eine geringfügige Abweichung. Genießen sie die nächsten Tage, Caine, es werden ihre letzten sein!", drohte er und ging dann.

Peter sprang auf und wandte den Kopf, sah den Rücken, den Trenchcoat, den Hut. In ihm schrie alles danach, hinterher zu hechten und ihn hier auf dem Krankenhausflur den Gar auszumachen, aber er glaubte der Warnung, die der Mistkerl ausgesprochen hatte. Er musste ihn laufen lassen und damit alle in Gefahr bringen, die er liebte, weil er keine andere Wahl hatte. Und noch nie hasste er die Ungerechtigkeit der Welt so sehr wie in diesem Moment.

Er stand noch immer vor Wut bebend da, als Kermit mit den zwei Kaffeebechern zurückkam. Sofort erkannte der Ex-Söldner, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Er blickte in die Richtung, in die auch Peter starrte, sah aber nur geschlossene Fahrstuhltüren.

"Was ist los?", fragte er sofort argwöhnisch und gleichzeitig besorgt. Peter drehte langsam den Kopf, sah ihm fest in die Augen, sodass der Cop den Hass darin sehen konnte.

"Cat braucht Polizeischutz. Das war ein verdammter Anschlag auf ihr Leben!" sagte er bestimmt und immer noch vor Zorn zitternd.

"Kein Problem. Wer?", hakte Kermit sofort nach.

"Jemand, von dem wir dachten, dass wir ihn nie wieder sehen werden. Der in eine Welt verbannt wurde, so weit weg, dass ich nie erwartet hätte, dass es einen Weg zurück gibt. Jemand, den ich umbringen werde, wenn ich ihn zwischen meine Finger bekomme", sagte Peter zischend und starrte Kermit weiter an.

Der hatte keine Ahnung, von wem sein Freund da sprach, aber der Zorn in dessen Augen machte ihn schaudern. So böse und abgrundtief hassend hatte er ihn noch nie erlebt, noch nie eine so ernst gemeinte Todesdrohung aus seinem Mund gehört.

 

Teil1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 Epilog

zurück zum Autoren Index      zurück zum Story Index