Teil 15
Autor: Ratzenlady
 

"Das ist Sarah Preston", murmelte Peter, während die anderen drei ihn gespannt ansahen. Kermit und Ryan verzogen fragend ihre Gesichter, aber Cat schaltete sofort und wirkte betroffen.

"Jeremys Schwester?"

Der Shaolin nickte. "Ich habe ihn doch vor ein paar Wochen nach Hause gefahren, weil es so geregnet hatte; da hab ich sie gesehen. Sie ist es, ohne Zweifel", führte er weiter aus.

Kermit rieb sich die Augen, Ryan wirkte immer noch ziemlich unwissend, so wie er zwischen den dreien hin und her guckte, Cat hielt sich kurz die Hände vors Gesicht und stöhnte auf.

"Und ich hatte grade gedacht, dass es jetzt langsam mal besser wird...", knurrte der frühere Söldner, sichtlich erzürnt über die Geschehnisse. Den Seitenblick, den er Ryan dabei zuwarf, sah keiner.

"Dito. Ich ruf ihn jetzt erstmal an, er muss sich höllische Sorgen um sie machen. Cat?", nahm er sie ein paar Meter mit, um in Ruhe telefonieren zu können. Sie sollte ihm aber erst noch mal erzählen, was sie über Sarahs Zustand wusste, dann ging sie zurück zu den anderen beiden. Peter kam zwei Minuten später.

"Ich fahr los, ihn abholen, er hat ja kein Auto. Wird einen Moment dauern, ähm, kann einer von euch Cat nach Hause bringen?", erzählte er und fragte dann die beiden Männer.

Bevor die erwähnen konnten, dass sie zusammen in einem Zweisitzer hergekommen waren, protestierte Castor schon. "Ich bleibe hier, bis ihr wiederkommt! Dann können wir nachher zusammen heimfahren", sagte sie fest.

Peter überlegte, ob er widersprechen sollte, aber im Grunde sprach nichts gegen ihre Aussage. Er nickte ihr zu, dann lief er zum Stealth.

Kermit wandte sich an die junge Frau und legte den Arm um ihre Schultern, in den sie sich erschöpft schmiegte.

"Wie geht es dir, Kleines?", fragte er sie gefühlvoll.

Ryan stand in der Nähe und horchte nach ihren Worten, mischte sich aber in die intime, freundschaftliche Situation nicht ein.

"Hält sich in Grenzen", antwortete sie wortkarg.

Kermit stimmte ihr mit einem Nicken stumm zu und verstärkte den Druck seiner Umarmung. Er fühlte einfach, dass sie die Nähe und Geborgenheit in diesem Moment brauchte, auch wenn sie noch so sehr versuchte, stark zu wirken.

Nach einem Moment entzog sie sich ihm, fuhr sich durch ihre durcheinander geratene Mähne und stellte sich dann wieder vor die Glasscheibe. Kermit drehte sich in beide Richtungen im Gang und suchte ihn mit seinen Augen ab, dann griff er in seine Hosentasche und überprüfte, ob er Kleingeld einstecken hatte.

"Will noch jemand Kaffee?", fragte er, beide nickten. Während der Cop mit der Sonnenbrille loszog, stellte sich Ryan näher zu der jungen Frau.

"Warum tut jemand so was?", fragte sie, jetzt mit dünner Stimme.

Walker zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. Aber glaub mir, ich werde den Mistkerl so lange auseinander nehmen, bis er es mir erzählt! Und ich bin sicher, Kermit wird mir dabei helfen" sagte er hart.

Cat nickte nur, sie wünschte diesem Killer alles erdenklich Schlechte. "Kommst du denn inzwischen mit ihm klar?" hakte sie beiläufig nach.

Ryan grinste wissend, wenn auch wegen dem Mädchen immer noch bedrückt. "Ich sage jetzt einfach mal, wie haben das geklärt. Mach dir um uns keine Sorgen", sagte er und klopfte kurz auf ihre Schultern.

Sie stand da, ihre Arme umklammerten ihren Oberkörper, ihre Augen starrten durch die Scheibe. Jetzt, da Peter weg war, wollte sie plötzlich doch nach Hause, wollte nur noch, dass diese Nacht ein Ende fand, sie sich in ihre Decke wickeln und schlafen konnte.

"Alles klar bei dir?", fragte Ryan leise, als sie nicht auf seine Berührung reagiert hatte. Sie nickte abwesend, aber er wusste sofort, dass sie ihn damit anlog.

"Soll ich dich nicht doch nach Hause bringen?", fragte er vorsichtig. Aber sie schüttelte den Kopf.

"Nein, ich fahre nachher mit Peter, danke dir", murmelte sie und drehte sich von der Scheibe weg, direkt auf die Stuhlreihe an der Wand zu, wo sie sich erschöpft setzte.

Kermit kam zurück und drückte dem stehen gebliebenen Cop und Peters Frau jeweils einen Becher Kaffee in die Hand. Fast wortlos standen sie beieinander, bis Peter mit einem völlig aufgelösten und panischen Jeremy in die Notaufnahme zurückkehrte. Sie brauchten eine ganze Weile, bis sie ihn einigermaßen beruhigt hatten und ihm erzählt, was genau passiert war. Grade als sie es geschafft hatten, kam der behandelnde Arzt hinzu und gab ihnen doch recht beruhigende Informationen bezüglich Sarahs Gesundheitszustands.

Er durfte zu ihr und sich selbst davon überzeugen, dass sie außer einigen Prellungen keine Schäden davontrug. Am nächsten Morgen würde er sie abholen dürfen, und entsprechend beruhigt ließ er sich von Peter überreden, dass es das Beste war, nach Hause zu fahren und sich auszuruhen.

Nachdem der Shaolin mit seiner Frau und seinem Schützling das Krankenhaus wieder verlassen hatten, blickte Ryan zu Kermit rüber.

"Sie werden den Kerl wahrscheinlich erstmal verarzten. Aber da die Wunde an der Hand lächerlich ist, und an der Schulter ein glatter Durchschuss, sollte er morgen früh vernehmungsfähig sein. Wie steht's mit einer Verabredung, Kermit? Morgen früh?" fragte er mit einem kühlen Ausdruck im Gesicht.

Es war erstaunlich, Ryan wusste sogar, was für Wunden er ihm zugefügt hatte, die Kugeln waren perfekt abgezirkelt gewesen, und richteten nur den Schaden an, den er auch wollte. Der Mann war wirklich eine Kampfmaschine, und wenn er ihn allein zum Verhör gehen ließe, würde das wahrscheinlich keine Vernehmung sondern ein Massaker werden; und dabei war er selbst auch nicht immer zimperlich.

"Das werde ich mir sicher nicht entgehen lassen. Bringen sie mich zu meinem Wagen. Für heute hab ich die Schnauze voll", sagte der Cop mit der Sonnenbrille und ging mit seinem neuen Partner stumm, aber endlich einträchtig, zur Viper.

* * *

Peter war am kommenden Morgen früh aufgestanden und hatte zusammen mit Jeremy Sarah abgeholt. Es war dem Schüler zwar unangenehm, aber Peter war so hartnäckig mit seinem Angebot gewesen, bis er schließlich zugestimmt hatte. Jetzt waren sie auf dem Rückweg, ein junges Mädchen auf dem Rücksitz, dessen Gesicht einige blaue Flecken aufwies. Ansonsten schien es ihr aber gut zu gehen.

Er setzte sie zu Hause ab, schlug den angebotenen Kaffee aus und fuhr wieder nach Hause. So sehr ihm das Passierte leid tat und nahe ging, er wollte sich jetzt auch wieder mit seinen eigenen Problemen beschäftigen. Diese ganze Prüfungsgeschichte ging ihm einfach nicht für eine Minute aus dem Kopf, ganz besonders, weil er glaubte, einen ersten Ansatzpunkt zu haben.

In der Meditation am Vorabend, während die Geschichte mit Sarah passiert war, war er wieder an seinem See gewesen und hatte ähnliche Vorfälle neu erlebt, wie der mit Trisha. Sein Geist, -oder was auch immer-, hatte ihm deutlich gemacht, dass er auch ohne seine Kräfte helfen konnte, hatte das wiederholt, was schon die Menschen die er liebte zu ihm gesagt hatten.

Wenn diese Erkenntnis in die richtige Richtung ging, was er glaubte, dann musste noch mehr kommen. Denn allein das hätte schließlich bedeutet, dass seine Sinne zurückkehrten, und das taten sie nicht. Also musste er weitersuchen, musste den nächsten Schritt finden, ohne zu wissen, wie weit der Weg letztendlich sein würde.

Nachdem er Cat kurz begrüßt hatte verschwand er gleich wieder im Trainingsraum und sank in den Schneidersitz. Kontrollierte Atemzüge und starke Konzentration brachten ihn nach einigen Minuten wieder an den Ort, der ihm normalerweise zum Finden von Ruhe und Gelassenheit diente, und jetzt die Lösung des Rätsels zu sein schien.

Er sah sich um und suchte die Umgebung ab. Er sah alle die Erscheinungen in der Ferne auf der Wiese: Trisha, die fröhlich spielte, andere Menschen, denen er ohne Shaolin-Fähigkeiten geholfen hatte. Sie waren wesentlich weiter weg, als noch am Vortag, aber sie sahen ihn und winkten ihm zu.

Er sah sich genauer um und merkte schnell, dass das Gras zu seinen Füßen nicht mehr gelb und trocken war, sondern wieder grün und saftig. Schnell ging sein Kopf zum See, der noch immer unruhig und stürmisch wirkte. Ein Blick zum Himmel, aber der war immer noch dunkel und voller Gewitterwolken. Immer wieder ging sein Blick im Dreieck. Das Gras, der See, der Himmel. Immer wieder.

"Eins, zwei, drei", murmelte er leise, "es sind drei Dinge."

Konzentrierter blickte er jetzt zwischen dem See und den Wolken hin und her, da er die Aufgabe auf der Wiese offensichtlich schon erfüllt hatte. Aber er konnte nichts sehen, erhielt keinen Anhaltspunkt, was als nächstes kam. Er konnte nicht sicher sein, dass es wieder Erkenntnisse und Erfahrungen sein würden, vielleicht waren es diesmal andere Dinge, Kämpfe, Gefahren, oder etwas ganz anderes.

*Finde den Fehler*, hallte es erneut durch seinen Kopf. Die Versteifung auf seinen sechsten Sinn war sein eigener Fehler gewesen, aber würden die anderen auch bei ihm liegen? Oder musste man diese woanders suchen? Er wusste es nicht.

Da er aktuell nichts erkennen konnte an den Orten, die noch immer dunkel und unruhig waren, ging er auf der Wiese vorwärts. Er schloss die Augen und genoss das Gefühl des frischen und saftigen Grases unter seinen nackten Fußsohlen, das Gefühl des Erfolges. Er versuchte, es in sich aufzusaugen, sich damit anzufreunden und es bis in die letzte Instanz zu akzeptieren. Ein inneres Gespür sagte ihm, dass er es tun musste, um es wirklich geschafft zu haben. Dass es nicht reichte ZU WISSEN, dass er auch so helfen konnte, sondern dass er es auch für sich AKZEPTIEREN musste.

* * *

"Sagen sie, wie heißt der Kerl eigentlich?", fragte Ryan, als er mit Kermit und den Akten untern Arm zum Verhörraum ging.

"Wie wär's, wenn wir auch diesen Müll lassen und noch mal von vorne anfangen?", fragte Kermit und streckte ihm die Hand hin, "Kermit, und du?", Ryan grinste.

"Ryan, freut mich." Sie nickten sich kurz zu, dann ging es weiter im Job.

"John Miller."

"Na, da waren die Eltern ja mal richtig kreativ. Dann wollen wir dem lieben John mal ordentlich Feuer unterm Hintern machen."

"Oh yeah!"

Damit betraten sie das Verhörzimmer. Kermit lehnte sich neben der Tür erstmal an die Wand, während Ryan die Akten auf den Tisch knallte, aber freundlich lächelte. Der Killer schien wenig beeindruckt und sah von einem zum anderen.

"Was soll das werden? Ich kenne die Spielchen. 'Guter Cop – Böser Cop' und so. Damit können sie mich nicht einschüchtern", blaffte er arrogant. Walker grinste breit, jetzt aber kälter. Sichtlich belustigt blickte er zu Kermit rüber.

"Er weiß es noch nicht", spottete er.

Der Ex-Söldner wusste zwar auch noch nicht, worauf sein Partner hinaus wollte, spielte aber schön mit. "Nein, offensichtlich nicht", meinte er kurz und knapp, ohne eine Miene zu verziehen.

"Was weiß ich nicht?", fragte Miller jetzt dazwischen.

"Tse tse tse, so was. Weißt du John, das Spiel 'Guter Cop – Böser Cop' ist out. Heute spielt man 'Böser Cop – Ganz böser Cop'!" damit stützte er seine Hände auf die Tischplatte und lehnte sich weit darüber, direkt vor Millers Gesicht.

"Ach ja? Jetzt hab ich aber Angst", zischte er Ryan direkt ins Gesicht, "ich könnte sie jetzt beißen, und sie wären tot. Früher oder später ganz sicher!"

"Sie wären tot, ehe sie den Mund aufgemacht hätten", sagte Kermit kalt, griff unter sein Jackett und winkte ihm mit der Desert Eagle, die er anschließend in seiner Hand neben seinem Oberschenkel baumeln ließ. Die Waffe schien ihn jetzt doch einzuschüchtern.

"Sie müssen sich an ihre Vorschriften halten", sagte er mit nicht mehr ganz so fester Stimme. Ryan lachte wieder auf, auch Kermit grinste und spielte mit.

"Wissen sie, John, -ich darf sie doch John nennen? -, wir beide betrachten die Vorschriften als Leitfaden. Mehr eine freundliche Aufforderung", konterte er mit todernster Stimme.

Der Verdächtige musste schlucken und blickte zwischen den beiden hin und her.

"Sie bluffen nur!", versuchte Miller wieder etwas Sicherheit zurück zu gewinnen, aber es gelang ihm nur mäßig.

Die zwei Kerle wirkten mehr als einschüchtern auf ihn. Kermit unterdes lehnte weiter an seiner Wand und beobachtete Walker, war gespannt, wie er die Informationen aus dem Killer herausbekommen wollte. Er konnte sich bildlich vorstellen, wie er es früher gemacht hatte, als er noch nicht an Vorschriften gebunden war. Aber er war noch neugieriger, wie er es jetzt machen würde.

"Meinen sie?", flüsterte er ihm direkt ins Antlitz und legte sein kaltes Gesicht wieder auf, das auch Kermit schon hatte schaudern lassen. Miller rutschte in winziges Stück in seinem Stuhl nach hinten und starrte in Ryans eiskalte blaue Augen.

"Willst du wirklich herausfinden, ob ich bluffe?", hauchte er noch leiser, ohne den Blick von ihm zu wenden, stattdessen kam er noch ein Stück näher und zwang Miller noch weiter zurück zu weichen. Als er nach einigen Sekunden nicht reagierte, spielte Ryan weiter auf.

"Gib mir deine Pistole", sagte er zu Kermit, ohne ihn anzusehen. Zwar hatte er seine Beretta einstecken, aber der ängstliche Blick des Verdächtigen zur Desert Eagle ließ ihn die größere Waffe wählen.

Nach einem kaum bemerkbaren Zögern stieß der Cop mit der grauen Strähne sich von der Wand ab und reichte die Eagle in die ausgesteckte Hand seines Partners.

"OK, ok, ich erzähle euch alles!", sagte er schnell, noch ehe Ryan die Waffe richtig zu fassen bekam. Der Cop sah die Angst in seinen Augen, aber noch lockerte er seinen Blick nicht.

"Na dann los", sagte Kermit und lehnte sich wieder zurück. Walker hielt den Blickkontakt aufrecht, glitt aber in den Stuhl neben sich, die Eagle auf dem Tisch in seiner Hand, die Mündung in Millers Richtung.

"Also?", forderte der blonde Cop noch mal auf, dann begann umgehend Miller zu reden.

"Diese verdammten, drogensüchtigen Schlampen! Sie kommen zu einem und wollen freien Eintritt, bieten dir Sex, damit du sie reinlässt, weil das Konzert ausverkauft ist. Und Monate später erfährst du dann, dass sie dich angesteckt haben, dass sie dich umgebracht haben, obwohl du noch lebst! Ich wollte es ihnen heimzahlen! Das wollten sie doch! Sie wollten ihren verdammten Stoff! Das hab ich ihnen gegeben, zusammen mit dem Geschenk, was das verdammte Miststück MIR gegeben hat! Ich hab es ihnen heimgezahlt!", wetterte er wütend.

Kermit atmete schwer durch, dann trat er nach vorne und lehnte sich auf den Tisch, wie Ryan es schon getan hatte.

"Sie verdammter Scheißkerl! Sie haben unschuldige, junge Mädchen umgebracht!", knurrte er sauer.

"Sie hatten es verdient!", gab er aufgebracht zurück.

"Sie hätten es genauso verdient! Wenn ich könnte, würde ich ihnen dasselbe antun, das können sie mir glauben!", zischte er, dann zog er sich wieder zurück und hämmerte an die Tür.

Zwei Officers kamen rein und legten Miller in Handschellen, dann führten sie ihn ab. Ryan reichte ihm seine Waffe zurück, die Kermit ordnungsgemäß wieder verstaute.

"Gute Arbeit", sagte er wie beiläufig, "ich habe selten erlebt, dass jemand nur mit seiner Erscheinung so beeindrucken kann."

Ryan kippte den Kopf zur Seite. "Naja, bei den meisten Leuten, bei denen ich es ausprobiert habe, hat es nicht funktioniert. Aber ich hatte jahrelange Übung. Trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, dass du das genauso gut kannst, Kermit", führte er abwiegelnd aus und trat mit ihm wieder in das Großraumbüro, wo schon der Captain auf ihn wartete.

"Und?" fragte er seine zwei Detectives. Die sahen sich kurz an.

"Er hat gestanden. Sie bekommen den Bericht noch vor Feierabend", versprach Ryan.

"Vor dem Mittag wäre mir lieber", sagte Monahan und verschwand in seinem Büro ohne auf eine Antwort zu warten. Die beiden Cops zuckten mit den Schultern und verzogen sich dann an ihre Schreibtische, um dem Wunsch ihres Captains Folge zu leisten.

 

Teil1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 Epilog

zurück zum Autoren Index      zurück zum Story Index