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Teil 14 Autor: Ratzenlady |
Walker starrte über den Lauf seiner Beretta, grinste kalt, zielte, und drückte ab. Sofort war der Druck der Nadelspitze an Kermits Hals weg, er hörte den Schmerzensschrei hinter sich und machte einen großen Sprung zur Seite, in dem er sich drehte, um hinzusehen. Der Killer taumelte mit einer Wunde in der Schulter zurück, in seiner Hand hielt er noch immer die Spritze, zumindest den Kolben und was vom Gehäuse von übrig war, denn die andere Hälfte mit der Nadel lag auf dem Boden. Ryan hatte die Spritze in zwei Teile geschossen. "Wegwerfen!", befahl Walker laut und visierte ihn nun wieder genauer mit seiner Pistole an. Der Typ aber schien kein Interesse daran zu haben, hob die halbe Spritze an und ging damit auf Kermit los. Der neue Polizist des 101. Reviers schoss erneut, und das Mordwerkzeug flog durch die Luft, der Mörder schrie und hielt sich das Handgelenk, das Ryan gezielt getroffen hatte. Jetzt stürzte sich Kermit auf den verwundeten Security und legte ihn gewalttätiger als unbedingt nötig in Handschellen. Von weitem hörten sie jetzt die herannahenden Sirenen der Verstärkung. Der Cop mit der Brille zog den Killer an seinem doppelt verletzten Arm hinter sich her, direkt auf Ryan zu. Bevor aber einer von ihnen etwas sagen konnte, steuerten die ersten zwei Streifenwagen in die dunkle Gasse und hielten direkt vor ihnen. Kermit warf dem ersten Officer gleich den Verdächtigen in die Arme und erteilte weitere Anweisungen über die Tatortsicherung. Dann zog er sein Handy aus der Tasche und wählte Cats Nummer. "Kleines, wo bist du?", fragte er sofort in die Sprechmuschel, ehe die junge Frau überhaupt 'Hallo' sagen konnte. "Auf dem Weg ins Krankenhaus, zusammen mit dem Mädchen. Gott, Kermit, das ist noch ein Teenager! Geht es euch gut?" "Ja, alles klar. Ich komm nachher ins Krankenhaus, ruf doch am Besten Peter an, damit er dich abholt. Oder soll ich ihn anrufen?" "Das krieg ich schon hin", sagte sie mit einem leichten Schmunzeln, das allerdings ziemlich humorlos war, "bis dann." "Bis nachher", verabschiedete er sich und legte auf. Ryan trat jetzt zu ihm, um sie herum befanden sich keine Cops. Jetzt konnten sie kurz über das reden, was da grade passiert war. "Für einen Moment habe ich geglaubt, sie erschießen mich", sagte Kermit, immer noch angespannt. Ryan grinste mit einem Mundwinkel. "Ja, ich auch", kommentierte er und besah sich die zwei Spritzenteile, "hat er sie erwischt?" "Ich glaube nicht." "Lassen sie mich sehen", sagte Walker beiläufig und trat einen Schritt auf Kermit zu, der den Abstand allerdings wieder vergrößerte. "Danke, ich denke nicht", sagte er abweisend. "Sie sind ein verdammt sturer Esel, Griffin! Ich will nur wissen, ob er sie vielleicht doch verletzt hat! Ich werde ihnen schon keinen Knutschfleck verpassen!" Kermit wusste selbst nicht warum, aber er neigte den Kopf und ließ Ryan einen Blick werfen. Kurz darauf trat dieser zurück und schüttelte beruhigend den Kopf. "Und sie haben wirklich darüber nachgedacht, mich zu erschießen?", hakte der frühere Söldner jetzt bei dem Kommentar von eben wieder ein. Das Misstrauen war noch da, aber die Geschehnisse wenige Minuten zuvor ließen ihn an seinem eigenen Argwohn zweifeln. "Wer weiß. Es hätte mir einiges einfacher gemacht. Und ich habe es ihnen schließlich angedroht", bemerkte er trocken, als redeten sie über das Wetter. Kermit betrachtete ihn angespannt, der Kerl sprach über das Töten wie über Football. "Warum habe sie es nicht getan?" Ryan sah ihn erstaunt an, mit der offenen Frage hätte er dann doch nicht gerechnet und musste sich jetzt erstmal eine Antwort zurechtlegen. "Weil ich sie für einen guten Cop halte. Weil wir uns ähnlich sind; ob ihnen das gefällt oder nicht. Weil diese Zeiten für mich vorbei sind." Die beiden sahen einander an, wie zwei Raubkatzen, die noch nicht wussten, ob sie Freund oder Feind waren. "Fahren sie mit mir, Griffin", forderte Walker plötzlich auf. Kermit musterte ihn zunächst, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank, aber sein Gesichtsausdruck hatte etwas, das Kermit dazu bewegte, der Aufforderung zu folgen. Sein Instinkt sagte ihm, dass er es tun sollte, wenn er Antworten auf seine Fragen haben wollte. Zaghaft bewegte er sich auf Walker zu und ging mit ihm zur Viper. Wortlos startete Ryan den Motor und fuhr los; aber in eine falsche Richtung. "Hier geht's nicht zum Krankenhaus", sagte Kermit misstrauisch und hieß sich innerlich einen Idioten, auf den Kerl und den Wunsch des Mitfahrens reingefallen zu sein. Er stellte sich seinen baldigen Tod jetzt schon in Gedanken vor. "Stimmt. Ich nehme einen Umweg", meinte Ryan, sein Gesicht ließ keine Vermutung darüber zu, was er vorhatte. Kermit ließ seine Hand zur Desert Eagle wandern, was nicht unbemerkt blieb. "Oh Mann! Können oder wollen sie nicht begreifen? Eben grade hätte ich sie besser töten können als hier im Wagen. Außerdem, wenn ich es denn wollte, hätte ich ihren Kehlkopf schneller zertrümmert als sie ihre Pistole auch nur ziehen können", führte er aus und warf einen Blick in den Rückspiegel, noch immer glich sein Gesicht einer undurchsichtigen Maske. "Und warum dann ein Umweg?", knurrte Kermit, die Hand nicht vom Griff der Eagle nehmend. Ryan rollte jetzt die Augen, ehe er antwortete. "Weil ich ihnen halbe Stunde gebe, Griffin. Danach wird es dieses Gespräch nie gegeben haben. Und das hier auch nicht", sagte er und warf ihm eine dicke Akte auf den Schoß. Skeptisch sah der Ex-Söldner zu ihm rüber. "Was ist das?" "Die Akte, auf die sie keinen Zugriff bekommen haben. Alles, was sie über mich wissen wollen, steht da drin", sagte er leichthin und konzentrierte sich dann wieder auf das Autofahren. Kermit war noch immer misstrauisch, sollte es wirklich auf einmal so einfach sein? Zögerlich klappte er die Abdeckung mit dem Emblem des FBI auf, die rote Stempel mit den Bemerkungen "Top Secret" und "Inofficial Agent" trug. Er überflog den Steckbrief von Ryan, der die erste Seite bildete. Leider war eine halbe Stunde nicht ausreichend Zeit, um alles genau zu studieren, also musste es schnell gehen. "Nathaniel Ryan James Walker? Erbe des Walker-Imperiums?" "Richtig. Daher das Geld. Aber ich bin stiller Inhaber und greife in keiner Weise in die Geschäfte ein. Niemand kennt mich, niemand weiß, wie ich aussehe, mein Geld wird auf ein anonymes Nummernkonto in der Schweiz überwiesen", erklärte er bereitwillig. "Wie kommt ein reicher Junge auf die Idee, Agent zu werden?", hakte der frühere Söldner nach. Ryan grinste. "Das ist eine lange Geschichte, und sie haben nur eine halbe Stunde." Kermit nickte nur und las dann neugierig weiter. Die Akte beinhaltete alles, von Ryans privaten Daten bis hin zu streng geheimen Dokumenten des FBIs. Teile von dem, was er las, erkannte er aus Verschwörungstheorien, die im Internet auf entsprechenden Plattformen kursierten. "Ist das alles echt?", fragte er nach einer Weile, obwohl er wusste, dass Ryan ihm antworten konnte, was er wollte. "Ist es. Es bleibt ihnen nichts, als es zu glauben. Aber seien sie sicher, es wäre viel zu viel Aufwand gewesen, sich das alles auszudenken." Wieder nickte Kermit nur und steckte seine Nase dann in die Unterlagen. Das war alles mehr als unglaublich, was er hier las. Es war, als fände er sich plötzlich in einem Spionage-Thriller wieder, einem Film oder Roman, aber niemals der Realität. Ryan hatte ihm seine komplette Akte gegeben, ohne etwas raus zu nehmen. Kermit fand seine Lebensgeschichte, die Trainingsprotokolle, sogar das Gutachten über die Psyche im Laufe der Ausbildung. Ein Psychologe hatte darauf vermerkt, dass es schwer gewesen war, seinen eigenen Willen soweit zu brechen, dass er verlässlich war. Er schielte zu dem Mann rüber. Ryan Walker: gebrochen? Das konnte er sich nicht vorstellen. Aber es war die Wahrheit, so stand es hier. Er blätterte weiter, weil er sich nicht zu lange an einer Seite aufhalten konnte, auch wenn er es nur zu gern getan hätte. "Das glaube ich ja jetzt nicht", murmelte er zwei Minuten später. "Was?" Noch immer hatte Ryans Stimme einen nebensächlichen Klang, als würden sie über die Qualität von Hamburgern in Fast Food Restaurants reden. "Operations. Sie hat mich ordentlich an der Nase herumgeführt", musste er zugeben. Ryan grinste breit. "Ja, und sie hatte einen Heidenspaß dran." "Sie hat ihr Team koordiniert? Das ist beeindruckend." "Die ganze Frau ist beeindruckend. Deshalb habe ich sie geheiratet", kommentierte er. Kermit musste grinsen, erstaunlicherweise störe es ihn nicht, dass er sie nicht durchschaut hatte. Wenn sie dieselbe Ausbildung wie Ryan hatte, war das nicht verwunderlich. Kermit las weiter. Und weiter. Es war alles so absolut schräg, dass es tatsächlich die Wahrheit sein musste, was hier stand. Er konnte es nicht glauben, obwohl ihm klar war, dass er es glauben musste. Ryan Walker war sehr früh zum FBI gegangen, als normaler Agent. Dann aber hatte man ihn aufgrund seiner schnellen Reaktionsgabe sehr guten Ergebnissen in den körperlichen Tests für eine Spezialeinheit angeworben, die es offiziell nicht gab. Über drei Jahre hatte man ihn ausgebildet, im Kampf, in Sprache, in Schauspielerei. Danach war er härter geworden als James Bond in seinen Filmen. Er und noch zwei andere Agenten, die man unter den Decknamen 'Moon' und 'Turn' kannte, bildeten ein Team, das Aktionen im ganzen Land durchführte, die weder legal noch offiziell autorisiert waren. Koordiniert und überwacht wurden sie von 'Operations': Haley Walker, geborene Lille. "Waren sie das, was man gemein hin annimmt?", fragte Kermit nach einem Moment und ließ die Akte sinken. Er hatte einfach zu wenig Zeit, um alles zu lesen und selbst herauszufinden. Ryans Braue zuckte kurz. "Sie meinen ein Killer? Jemand, der alle wegräumt, die dem FBI im Weg stehen?" "Ja." "Wenn es so einfach wäre, Griffin. Dann hätte man uns einfach ein Gewehr gegeben und uns losgeschickt. Aber unsere Ausbildung hat Millionen gekostet, ebenso unser Equipment. Die ganze Sache ist wesentlich komplexer", führte er aus und verzog etwas sein Gesicht. Kermit musterte ihn, es war eines der wenigen Male, in denen das Gesicht seines Kollegen eine Gefühlsregung zeigte, auch wenn er sie noch nicht deuten konnte. "Also steckt mehr dahinter?" "Viel mehr. Wir waren keine einfachen Attentäter, die ihre Zielpersonen ausschalteten. Unser Job beinhaltete ganz andere Arten von Missionen und Aufträgen", meinte er und verzog wieder das Gesicht. Der Ex-Söldner vermutete dahinter eine Form von Reue; dass es Ryan genauso ging mit seiner Vergangenheit, wie er es von sich selbst kannte. Zu viele Dinge, die man falsch gemacht hatte. Vielleicht war er aus diesem Grund ausgestiegen. Aber er beschloss, das Thema zunächst gut sein zu lassen und sich wieder der Akte zu widmen, auch wenn die Fragen im Hintergrund weiterschwelten. "Das ist unglaublich", sagte er nach einer ganzen Weile noch mal. Ein Blick durch die Windschutzscheibe verriet ihm, dass sie schon bald am Krankenhaus sein würden. Merkwürdigerweise hatte Kermit kein Interesse, dass die Fahrt ein Ende fand, er wollte die Akte am liebsten eine ganze Nacht lang lesen und in sich aufsaugen. Aber seine dreißig Minuten waren fast um. "Das ist es. Und gefährlich. Und aus diesem Grund darf niemand wissen, was in dieser Akte steht. Und dass sie sie gelesen haben. Das wäre ihr Todesurteil!", sagte Ryan eindringlich. Kermit nickte, so in der Art hatte er sich das vorgestellt. Wahrscheinlich würden es sogar Ryans Leute sein, -das FBI-, die ihm sein Licht auspusteten, sollten sie es erfahren. Das wiederum barg ein weiteres Problem, das Kermit ansprach. "Was ist mit Cat und Peter?" "Was soll mit ihnen sein?" "Peter ist aktuell nicht auf dem Damm, aber wenn er es wieder ist, wird er ohnehin wissen, wer sie sind. Beziehungsweise wer sie waren, Walker." Der warf ihm jetzt einen kurzen skeptischen Seitenblick zu. "Weil er ein Shaolin-Priester ist?" fragte er mit deutlichem Unglauben in der Stimme. Kermit grinste. "Ja, genau deshalb. Unterschätzen sie das nicht. Ich kann selbst kaum glauben, dass ich das sage, aber es ist wahr. Peter hat besondere Fähigkeiten, er kann hinter die Augen eines Menschen sehen", erklärte er und hatte das Gefühl, dass er sich furchtbar albern anhörte. Ryan aber schwieg einen Moment, das nutzte Kermit für sein nächstes Argument, das für das Einweihen der Caines sprach, auch wenn er wusste, dass er sie damit der gleichen Gefahr aussetzte, wie die in der er jetzt schwebte. "Und Cat wäre wahrscheinlich ziemlich wütend, wenn sie herausbekommt, dass sie sie belogen haben. Sie kann sehr nachtragend sein." Ryan stellte die Viper auf dem Parkplatz des City-Hospitals ab, machte aber keine Anstalten das Gespräch sofort zu beenden. "Wissen sie, welches Risiko das bedeutet? Für mich, für meine Familie, für Peter und Cat. Eigentlich für alle!", sagte er klar und deutlich. "Wenn ich nicht wüsste, dass Peter dahinter kommen wird, hätte ich auch nichts gesagt. Aber die beiden sind absolut vertrauenswürdig! Sie kennen vielleicht nicht meine ganze Vergangenheit, aber einiges davon, und auch das ist lebensgefährlich. Zumal auch Cat weiß, was das bedeutet!", sagte Kermit mit Nachdruck. "Sie haben mich heute Morgen gefragt, was mir an der Kleinen liegt. Nun, ich hätte sie beinahe umgebracht, Peter wäre wegen mir fast gestorben, ich habe mehr als einmal beinahe ihr Leben zerstört. Sie liegt mir am Herzen, wie eine kleine Schwester. Jemand, den ich mit allem beschützen würde, was ich habe, inklusive meinem Leben!" Kermit war selbst erstaunt, wie offen er mit Ryan redete und dass er ihm das alles erzählte, aber ein sicheres Gefühl sagte ihm jetzt, dass dieses Gespräch dieses Auto nie verlassen würde, und Ryan es nicht gegen ihn verwenden, nach der Ehrlichkeit, die er ihm entgegengebracht hatte. Das grenzte ja fast schon an Landesverrat, dass er ihm die Akte zeigte. "Schuldgefühle sind ein schlechter Kompagnon. Man sollte sie zurücklassen", sagte Ryan nachdenklich, es war aber deutlich, dass er es selbst auch nicht so handhabte. Kermit ging nicht näher drauf ein. "Sie haben mich überprüft, haben sie gesagt. Dann hätte ihnen die Verbindung zu Cat auch auffallen müssen. Haben sie sie denn nicht durch den Computer geschickt?" "Nein. Ich hatte mir überlegt, dass es ja ganz nett wäre, mal normale Menschen auf NORMALE Art und Weise kennen zu lernen, ohne vorher alles über sie aus dem PC zu wissen. Und ihre Überprüfung war mehr oberflächig, weniger genau als früher, wenn ich es auf jemanden abgesehen hatte." "Sie werden noch sehr schnell lernen, dass weder bei den Caines noch auf dem 101. Revier IRGENDETWAS normal ist", sagte Kermit und grinste sein typisches Wolfsgrinsen. "Was für eine Verbindung hätte ich denn finden müssen?" "Sagt ihnen der Name Charles Gaverton etwas?", fragte Kermit und sah, wie es hinter Ryans Stirn arbeitete. "Ja, das hab ich schon mal gehört. Ich erinnere mich düster", sagte er langsam. "Die Geschichte soll sie ihnen irgendwann selbst erzählen, ich bleibe bei der Kurzfassung: Er ist ein auch ein Teil meiner Vergangenheit, aber dieser Mistkerl hat Cats komplette Familie abgeschlachtet, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort was Falsches gesehen hat. Er ist untergetaucht und Cat wurde ins Zeugenschutzprogramm des FBI aufgenommen. Sieben Jahre später ist Cat mit Peter hier, Gaverton taucht auf, nimmt uns alle als Geisel und foltert Peter bis ganz knapp vor tödlich!" Kermit beobachtete Ryans Gesichtszüge, während er erzählte. Aber entgegen aller Erwartung waren sie nicht angewidert verzerrt oder drückten Bestürzung aus, sie waren vielmehr nachdenklich, analytisch, und danach vielleicht ein klein wenig betroffen. "Das ist heftig. Erstaunlich, wie viel Lebensfreude sie trotzdem ausstrahlt", murmelte er mehr zu sich selbst. Kermit nickte. "Sie ist etwas Besonderes. Sie sollten ihr und Peter die Wahrheit erzählen, denn mit indirekter Lebensgefahr können die beiden umgehen, und verschwiegen sind sie auch. Das mag hart klingen, aber es ist die einzig richtige Entscheidung, auch wenn ich selbst sie manchmal ganz gerne in Watte packen und von allem Bösen fernhalten würde." Schon wieder bemerkte Kermit, mit welcher merkwürdigen Leichtigkeit solche Bekenntnisse aus der Tiefe seiner Seele über die Lippen kamen. Woran lag das? Nur weil er wusste, dass Ryan sie nicht auf irgendeine Weise benutzte? Oder vielleicht doch, weil sie sich so ähnlich waren? Irgendwie konnte er das Verhalten seines neuen Partners jetzt viel besser deuten und zuordnen, und vor allem verstehen. In dessen Situation hätte er sicherlich genauso gehandelt, wenn nicht sogar noch extremer. Auf einmal machten dessen Reaktionen Sinn, waren schlüssig und nachvollziehbar. "Wer weiß, vielleicht werden sie es erfahren. Vielleicht nicht. Also Griffin, haben sie noch Fragen? Wenn wir aussteigen, ist es vorbei", erinnerte er den Ex-Söldner, dem jetzt tausend Dinge durch den Kopf schwirrten, die er noch genauer wissen wollte. Zunächst nickte er nur. "Unzählige. Was genau haben sie gemacht? Worauf liefen ihre Aufträge hinaus?", kam er wieder auf das Thema zurück, das sie eine Viertelstunde zuvor schon einmal hatten. "Das würde jetzt den Rahmen sprengen. Aber man kann sagen, dass wir für das FBI im Inland ähnliches durchgezogen haben, wie sie und Blaisdell für die CIA im Ausland. Mit dem Unterschied, dass wir fest angestellt und keine Söldner waren. Auch wenn wir natürlich nie in einer offiziellen Mitarbeiteraufstellung aufgetaucht sind. Noch was?" Kermits Gedanken fuhren Achterbahn. Er wollte mehr wissen, alles ganz genau, jeden einzelnen Auftrag studieren, der in der Akte abgelegt war, aber er wusste, dass er es nicht konnte. Zu gerne würde er den Papierstapel mitnehmen. Aber ihm fiel noch etwas anderes ein, eigentlich nebensächlich, aber es interessierte ihn doch. "Wie haben sie meinen Tracker entdeckt?" "Mein Wagen hat ihn entdeckt. Ich habe hier im Armaturenbrett eine Anzeige, die so gespiegelt ist, dass nur ich sie hier vom Fahrersitz aus lesen kann. Die Viper hat eine spezielle Vorrichtung, die elektronische Geräte aufspürt. Mein Handy kennt es, da sagt es nichts, aber der Tracker, oder auch ihr Handy jetzt, wird mir groß und rot angezeigt." "Und woher wissen sie, dass ich nicht alles damit aufzeichne, wo wir schon bei dem Thema sind?" "Weil das Gerät auch das abcheckt. Ihr Handy steht auf Stand By und führt aktuell keine weiteren Aktivitäten aus, als die Netzverbindung zu halten." Kermit war beeindruckt. "Gehört das zur Serienausstattung?", fragte er grinsend. Ryan lachte laut auf. "Nein, leider nicht." "Kann der Wagen auch eine Ölspur streuen und Raketen abschießen?" Weiteres Gelächter. Urplötzlich war die Stimmung zwischen ihnen absolut gelöst. "Auch nicht. Aber er hat schon noch ein paar wenige Spielereien. Eine Rauchbombe kann ich zum Beispiel zünden, um zu verschwinden. Aber da hört es dann auch wieder auf. Abgesehen von den geheimen Fächern und Taschen, in denen ich alles Mögliche aufbewahre, was nicht für fremde Augen bestimmt ist", erklärte Ryan gut gelaunt und sah dann viel bedeutend auf seine Uhr. "Es ist an der Zeit, Griffin, wir sollten rein gehen." "Eine Sache noch!", ergänzte der frühere Söldner schnell, Ryan sah ihn fragend an. "Hören sie auf, mich Griffin zu nennen! Das ging mir von Anfang an auf die Nerven!", sagte er und erhielt zur Antwort ein eindeutiges Einverständnis. Dann stiegen sie aus, und für Kermit endete die Chance, noch mehr zu fragen und zu erfahren. Aber auf der anderen Seite wusste er jetzt endlich, mit wem er arbeitete, und dass dieser Kerl auf der richtigen Seite des Gesetzes stand, auch wenn er es für seine frühere Tätigkeit vermutlich oft genug hatte brechen müssen. Jetzt, da er Bescheid wusste, fand er Walker einfach nur noch faszinierend. Natürlich war er immer noch gefährlich, eine ausgebildete Kampfmaschine, gegebenenfalls ein Killer, ein Super-Agent. Aber das bezog sich nur auf Personen, die ihm persönlich gefährlich werden konnten, die auf der anderen Seite standen. Mit einem Mann wie Ryan als Partner war man praktisch unschlagbar, denn in dem jahrelangen Training wurde ihm ein Gespür für seine Umgebung eingetrichtert, wie zum Beispiel Peter es hatte, wenn seine Sinne alle an ihrem rechten Platz waren. Jetzt sah auch der Ex-Söldner ein, das alle seine Anstrengungen ins Leere gelaufen wären; warum Bear die Finger davon lassen wollte. Und die Reaktionen des Mannes waren ihm plötzlich klar, ergaben jetzt auf einen Schlag Sinn. Und er hatte Glück gehabt, dass es ihm nicht so ergangen war, wie Ted Warren; vermutlich hatte sein Kollege da sogar was dran gedreht, dass ihm das FBI nicht die Hölle heiß machte. Sie gingen durch die Notaufnahme in das Krankenhausgebäude und entdeckten Cat an einem Glasfenster, das Einblick in einen Behandlungsraum bot. Zwar waren Jalousien von innen vorgehängt, aber durch die Lamellen konnte man noch immer sehen, was passierte. Ryan und Kermit stellten sich je an Cats Seite und blickten mit ihr gemeinsam durch das Glas auf das junge Mädchen. "Das ist ja noch ein Kind!", sagte der Mann mit der Sonnenbrille schockiert. Cat und Ryan nickten einfach nur. "Weißt du schon was, Kleines?" "Ein wenig. Sie schwebt nicht in Lebensgefahr und wie es aussieht, hat er sie auch nicht mit der Spritze erwischt. Verdammt, warum tut jemand so etwas?", fragte sie sichtlich berührt. "Das werde ich ihn fragen, glaub mir!", versprach Kermit und tauschte einen Blick mit Ryan, der offenbar dasselbe dachte. In dem Moment kam Peter durch die Tür und gesellte sich zu ihnen. Zunächst nahm er einfach nur Cat in den Arm, gab ihr einen sanften Kuss und drückte sie an sich. Er konnte körperlich fühlen, wie ihre Muskeln nach dem ganzen Druck jetzt erschlafften und sich entspannten. Sie hing in seiner Umarmung, als wollte sie nie wieder losgelassen werden, aus Angst, nicht mehr selbst stehen zu können. Danach erst blickte Peter durch das Fenster, der plötzliche Schreck stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. "Ich kenne das Mädchen", sagte er langsam und sichtlich bestürzt.
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